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Da fahren sie. In einigen rumänischen Ortschaften gehören die Holzlaster mittlerweile zum Alltag.

© George Popescu

Bedrohte Wälder: Im Holzrausch

Eine Internationale Konferenz in Bonn will die Wälder retten. Das Beispiel Rumänien zeigt, worum es geht. Und wie dramatisch die Lage bereits ist.

Die marode Landstraße, die quer durch die Karpaten in die Bukowina führt, schlängelt sich zwischen prächtigen Abhängen. Malerische Dörfer mit orthodoxen Kirchen liegen weit verstreut entlang des Wegs. Es ist regnerisch wie nur selten in Rumänien, und die ganze Gegend riecht nach nassem Wald. Einer nach dem anderen fahren Lastwagen von hier in Richtung Osten. Alle sind vollgeladen mit Baumstämmen. Seit einigen Jahren gehört das zum Alltag in der Bukowina, erst gegen Mitternacht beruhigt sich der Schwerverkehr. Das ist auch der Grund, warum immer tiefere Schlaglöcher die Straße plagen. Der Unmut der Einwohner hat neulich auch Bukarest erreicht – mit ihren Berglandschaften und alten Klöstern verfügt die Region über ein erhebliches touristisches Potenzial.

Unweit des Dorfs Pojorata wurden die Tannen großflächig gefällt. Erst von einem höheren Punkt lässt sich das Ausmaß der Abholzung erkennen: Damit niemand anfängt Fragen zu stellen, vermeiden die Holzfäller mittlerweile die Stellen, die direkt von der Straße sichtbar sind. Doch dieses dünn besiedelte Berggebiet bietet zahlreiche Möglichkeiten für den Kahlschlag im kleinen und im großen Stil. Am Waldrand sind Sägen und Äxte zu hören. Noch höher stehen zwei Pferde. Sie warten auf die nächste Ladung, die zurück zur Landstraße heruntergetragen werden muss. Die beiden Männer, die einige Meter hinter den Pferden Tannen fällen, sind wortkarg. Sie seien Tagelöhner und arbeiteten im Auftrag eines Kleinunternehmens aus dem Dorf. Ob die erforderliche Genehmigung vom Forstamt vorliege, sei Chefsache.

Nur selten wird legal abgeholzt

Die zahlreichen Firmen aus der Region, die sich mit Forstarbeiten beschäftigen, behaupten stets, sie verfügten über alle Genehmigungen. Dabei haben die meisten auch recht: Nur in den seltensten Fällen wird ganz illegal, ohne das Wissen der Behörden abgeholzt. Beim Forstamt hingegen heißt es typischerweise, die Tannen seien von Schädlingen oder Krankheiten befallen. Oder es habe einen Sturm gegeben und eine Hygienisierung im Wald sei fällig.

Dass in der Abholzungsfrage eher bei den zuständigen Ämtern eine Hygienisierung fällig und die Bekämpfung der grassierenden Korruption nötig ist, gilt in Rumänien als offenes Geheimnis. Allein in den ersten zwei Monaten dieses Jahres haben Inspektionen aus Suceava in Dutzenden Fällen Anzeige gegen Forstbeamte erstattet. Doch die Missstände bei der Erteilung von Genehmigungen bleiben.

Die Entwicklung ist alarmierend, zwingt zum Handeln – global, nicht nur in Rumänien. In Bonn haben sich internationale Akteure zusammengesetzt, um einer 2011 gestarteten Initiative zur Wiederaufforstung einen kräftigen Schub zu verleihen. "Das Ergebnis kann sich durchaus sehen lassen", lautete die Zwischenbilanz von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) am Wochenende. Vor knapp vier Jahren hatte mit dem Start der "Bonn Challenge" ein Kraftakt begonnen. Eine "Generationen-Aufgabe", sagt Hendricks, für die man eine langen Atem brauche. Bis zum Jahr 2020 sollen 150 Millionen Hektar weltweit aufgeforstet werden. Für 60 Millionen Hektar gibt es bisher feste Zusagen, diese Fläche sei "im Wiederaufbau begriffen".

Seit der Wende sind rund sechs Prozent der Waldfläche Rumäniens verschwunden

Jede Stunde verschwinden in Rumänien durchschnittlich drei Hektar Wald, zeigt eine Studie von Greenpeace. Die illegal abgeholzten Parzellen betrugen laut einem Bericht des rumänischen Rechnungshofs seit der Wende fast 400.000 Hektar, das sind rund sechs Prozent der gesamten Waldfläche des Landes. Den dadurch entstandenen Schaden schätzte die Behörde auf mehr als fünf Milliarden Euro. Und nirgendwo sei die Situation gravierender als im Landkreis Suceava, berichteten die Beamten Ende letzten Jahres.

Grund dafür ist vor allem das Geschäft mit dem Holz, einer Ware, die sich sehr lukrativ exportieren lässt. 75 Kilometer nordöstlich von Pojorata befinden sich zwei große Holzverarbeitungswerke: Holzindustrie Schweighofer und Egger. Beide gehören österreichischen Unternehmern, die zu Marktführern der rumänischen Holzbranche geworden sind. Für die meisten Lastwagen aus den Karpaten endet die holprige Fahrt hier: Die Baumstämme werden auf dem riesigen Fabrikgelände entladen, automatisch nach Kaliber und Qualität sortiert, fleißige Maschinen entfernen dann die Rinde und legen das Material wieder auf das Fließband, das sie zur Fabrikhalle führt.

Dort werden die besten Tannen zu Schnittholz in unterschiedlichen Maßen verarbeitet, der Rest und die Abfälle zerkleinern die Maschinen zu Pellets, zu Hackschnitzeln für die österreichische Papierindustrie oder zu Biomasse für die Energieerzeugung in Deutschland. Das Endprodukt wird verpackt und auf Waggons geladen: Täglich verlassen mehrere Güterzüge das Werk. Rund 80 Prozent der Produktion von Schweighofer landet einige Wochen später in Westeuropa, USA, Japan oder Saudi-Arabien.

Silviu Mihai

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