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Zu wenig Platz. In diesem Haus leben zu viele Schüler auf zu engem Raum.

© ddp

Beengte Moral: Saarland schließt Internat der Piusbruderschaft

Weil man sich um das Wohl der Jugendlichen sorgt, wurde den Piusbrüdern, die auf dem Saarbrücker Hasenberg eine Grundschule und eine erweiterte Realschule betreiben, jetzt die Betriebserlaubnis für das Internat entzogen.

Berlin - Knapp zwei Wochen ist es her, dass in Regensburg Piusbruder Bischof Richard Williamson wegen seiner Holocaustleugnung angeklagt wurde. Die Bruderschaft hatte sich im Vorfeld von Williamson distanziert und ihm sogar ein öffentliches Rede- und Auftrittsverbot erteilt. „Für uns als konservativer Verein ist ein seriöses, gesetzestreues Image besonders wichtig“, sagte ein hochrangiger Vertreter der Bruderschaft. Mit Holocaust- Leugnern und anderen Gesetzesübertretern wolle man nichts zu tun haben.

Die Piusbrüder jedoch, die auf dem Saarbrücker Hasenberg eine Grundschule und eine erweiterte Realschule betreiben, müssen jetzt ihr Internat schließen, weil sie gegen Vorschriften verstoßen haben. „Über Jahre wurden uns falsche Angaben über die Unterbringung der Internatsschüler gemacht“, sagt Thorsten Klein, der Sprecher des Saarbrücker Sozialministeriums. Weil man sich um das Wohl der Jugendlichen sorge, habe man dem Schulverein die 2007 erteilte Betriebserlaubnis für das Internat entzogen. Bis zum 7. Mai muss das Internat geschlossen werden.

Die umstrittene, ultrakonservative Bruderschaft unterhält in Deutschland neben den Schulen in Saarbrücken zwei Grundschulen in Baden-Württemberg und ein Mädchengymnasium in Nordrhein-Westfalen. Es sind staatlich anerkannte Privatschulen, in denen der staatliche Rahmenlehrplan gilt.

Die Schulen auf dem Saarbrücker Hasenberg sind in einem Flachbau aus den 70ern und in einem Altbau untergebracht, der gerade umgebaut wird. In den Klassenzimmern blättert Farbe ab, Risse sind notdürftig verspachtelt, im Schulhof stehen Baucontainer. Schule und Internat leben von Spenden, Umbauarbeiten werden mit viel eigenem Einsatz vorgenommen. Auch die Schüler packen mit an. In jedem Klassenzimmer hängt ein Kreuz, ein Bild von Pius X., auf den sich die Bruderschaft beruft, und eine Muttergottes. Die Mädchen aus der Grundschule tragen Röcke, die laut Bruderschaft ihre „Reinheit ausstrahlen und auf ihre Seele, nicht auf körperliche Vorzüge hinweisen“ sollen. Die Jungen aus der Haupt- und Realschule tragen Stoffhosen und Hemd. Turnschuhe und Jeans sind ebenso verboten wie Handys und Popmusik, es herrscht Kragenzwang. „Naja, es geht hier halt strenger zu als anderswo“, sagten Schüler dem Tagesspiegel vergangenes Jahr. Man könne schließlich auch ohne Disko glücklich sein. Mit Fußball und Brettspielen.

„Im Mittelpunkt unserer Erziehung steht die religiöse Formung der Jugendlichen zu einer charakterfesten und christlichen Persönlichkeit“, steht im Schulprogramm. Die Jugendlichen sollen „in die Unmöglichkeit versetzt werden, Fehltritte zu begehen“. Es wird viel gebetet, es dreht sich viel um Ordnung, Sauberkeit und Schönheit. Trotz des hohen moralischen Anspruchs ist die Schule nun zum zweiten Mal in Konflikt mit der Landesregierung geraten. 2006 wurde die Schule vom Kultusministerium vorübergehend geschlossen, weil ein Lehrer im Verdacht stand, Kinder geschlagen zu haben. Die Bruderschaft sprach von einer „Verleumdungskampagne“. 2007 hob ein Gericht die Schließung auf, bestätigte aber, dass es Misshandlungen gegeben habe. Der Lehrer wurde freigesprochen.

Und jetzt die Sache mit dem Internat. 26 Schüler kommen aus Familien, die nicht in Saarbrücken und Umgebung wohnen. Allerdings gibt es nur acht vom Jugendamt genehmigte Internatsplätze. Wie bei einer Routinekontrolle festgestellt wurde, wohnen aber 15 Jungen in dem Internat.

„Wir haben uns gefragt, wo die anderen elf Jugendlichen sind“, sagt Thorsten Klein, der Sprecher des Sozialministeriums, dem das Landesjugendamt untersteht. Recherchen hätten ergeben, dass sie in zwei externen Wohngruppen untergebracht sind. Dafür seien in den Privathäusern aber weder die baulichen Voraussetzungen vorhanden, zudem sei nur eine der beiden Betreuerinnen eine ausgebildete Erzieherin. Die andere wohne noch dazu in einer anderen Etage, so dass sie die Jugendlichen im Alter von zehn bis dreizehn Jahren nicht immer im Blick habe.

„Das Kindeswohl steht für uns an erster Stelle“, sagt Klein. Das Jugendamt halte den Träger für so unzuverlässig, dass es befürchtet, die Verantwortlichen würden mögliche Übergriffe, wie sexuellen Missbrauch oder Gewalt unter Kindern, nicht erkennen oder nicht melden.

Laut Klein müssten die Schüler nach der Schließung des Internats zu ihren Familien zurückkehren, oder es müssten Pflegefamilien gefunden werden – vermutlich in Zusammenarbeit mit dem Landesjugendamt. Dabei würde wohl weniger den Ausschlag geben, wie fromm eine Familie ist oder ob sie die Ideologie der Piusbrüder teilt, sondern ob sie pädagogisch geeignet sind.

Ob der Trägerverein nicht wusste, was er tat, dass er gegen Gesetze verstößt? Ob er absichtlich falsche Angaben machte, um sich nicht in die Karten schauen zu lassen? „Wir geben keine Auskunft“, hieß es am Dienstag in der Schule. Weder die Piusbruderschaft noch der Anwalt der Schule wollten eine Stellungnahme abgeben. Für das Sozialministerium steht fest: „Es wurde versucht, uns hinters Licht zu führen.“ Der Schulverein kann gegen die Schließungsbeschluss beim Verwaltungsgericht klagen.

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