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Der neue belgische König Philippe und seine Frau Mathilde bei der Militärparade, nachdem Philippe seinen Amtseid abgelegt hatte.

© AFP

Belgien hat einen neuen König: Thronwechsel mit großem Kuss

Belgien feiert den Abschied von König Albert eher bewegt denn ausgelassen – der neue Monarch Philippe wirkt gefasst.

Die Müllmänner haben den Auftritt ihres Lebens. Ihre Kehrmaschinen entfernen die Hinterlassenschaften der Pferde einer Reiterstaffel, die soeben einen alten Mercedes 600 mit offenem Verdeck und einer 1 auf dem Nummernschild zum Palast eskortiert hat. Alle Kameras sind, da sie genau zwischen Fahnen schwenkendem Publikum und royaler Balustrade entlangfahren, auf die Jungs von „Bruxelles Propreté“ gerichtet. Sie strahlen und winken wild aus ihren Gefährten. Sekunden später aber – es ist Punkt 13 Uhr am Sonntag – gebührt anderen die ungeteilte Aufmerksamkeit: Philippe und Mathilde betreten den Balkon und zeigen sich erstmals dem Volk als neues belgisches Königspaar.

„Vive le roi“, hallt es ihm auf Französisch von den vielleicht zehntausend Menschen entgegen, die sich vor dem Schloss versammelt haben, um den Thronwechsel in dem Elf-Millionen-Einwohner-Land hautnah mitzubekommen. Etwas seltener ist die niederländische Variante zu vernehmen: „Leve de koning“. Es ist dennoch ein seltener Moment der nationalen Einheit im Land der sich sonst so argwöhnisch gegenüberstehenden Flamen und Wallonen, den sich König Albert in seiner Abdankungsrede am Morgen gewünscht hat. „Belgien“, so der 79-Jährige, „muss eine Inspirationsquelle für Europa bleiben, das die Einheit in seiner Verschiedenheit sucht.“ Das ist übrigens derjenige Satz, den er laut Protokoll auf Deutsch sagen musste – der dritten offiziellen Amtssprache des Landes.

Überhaupt ist alles minutiös durchgeplant. Um 9 Uhr erschallt das Te Deum in der St. Michaels-Kathedrale im Stadtzentrum, wo ein Gottesdienst den Tag einläutet, der Belgien seinen siebten König beschert. Eineinhalb Stunden später beginnt Alberts Rede, während der er seiner Frau Paola die Tränen in die Augen treibt. „Danke und einen großen Kuss“, sagt der scheidende Monarch, ehe er um 10.46 Uhr die Urkunde unterschreibt, die seine erst vor wenigen Wochen angekündigte Abdankung offiziell macht. Ministerpräsident Elio di Rupo, der wie weitere Repräsentanten des Staates ebenfalls unterschreiben muss, würdigt ihn als „sehr großen Staatschef“. Albert drückt seinen Sohn und Nachfolger abschließend besonders fest und lang.

Dass dieser Thronwechsel mehr bewegt denn ausgelassen gefeiert wird, steht spätestens in dem Augenblick fest, als der neue König im belgischen Parlament einen Eid auf die Landesverfassung schwört, eine „Balance zwischen Einheit und Vielfalt“ fordert und schließlich seine Frau Mathilde direkt anspricht. Er wolle mit ihr, die „ein angeborenes Talent für den Umgang mit Menschen“ habe, für Belgien und sich selbst „das nächste Kapitel aufschlagen“ und bitte um ihre Hilfe. Die Miene des 53-Jährigen wirkt versteinert, in ihren Augen dagegen schimmert es feucht – und beim Public Viewing auf dem Place Luxembourg wird hörbar geseufzt.

Der Ernst, den Philippe während der gesamten Zeremonie ausstrahlt, mag auch mit der Größe der Aufgabe zusammenhängen, die auf ihn wartet. In Belgien steht im kommenden Frühjahr eine Richtungswahl an – weiter steigende Prozentzahlen für die flämischen Separatisten von der N-VA könnten eine Regierungsbildung noch schwerer machen, die schon beim letzten Mal eineinhalb Jahre gedauert hat und nur mit größtem Einsatz von Albert überhaupt gelang. N-VA- Parteichef Bart de Wever blieb den Feierlichkeiten in Brüssel demonstrativ fern.

„Es sind schon auch viele Flamen hier“, sagt ein 60-Jähriger aus Antwerpen vor dem Königsschloss, es wollten ja schließlich nicht alle wie de Wever die Monarchie abschaffen und ein unabhängiges Flandern ausrufen: „Der Unterschied ist am ehesten der, dass wir den König respektieren und nicht in offene Begeisterung für den König ausbrechen wie die Wallonen.“

Anne-Caroline Dupont, die aus Namur angereist ist, schwenkt eine meterhohe Fahne, um ihren neuen König zu unterstützen. „Es gibt so viele negative Emotionen und Diskussionen zurzeit“, sagt die 28-Jährige: „Ohne das Königshaus gäbe es Belgien wahrscheinlich längst nicht mehr.“

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