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Alle zusammen. Viktor Gallandi, Juliane Link, Anna-Theresia Bohn, Robert Schieding, Franziska Angermann und Nina Bayer (von links nach rechts) im "Laika" in Neukölln.

© David Heerde

Berliner Nachwuchsliteraten: Junge Nachwuchsautoren stellen in Berlin-Neukölln ihre Texte vor

Sie schreiben, was ihre Gedanken hergeben. Und hoffen auf den großen Durchbruch: Berlins junge Nachwuchsautoren.

Ein idyllischer Samstagabend im Körnerkiez in Neukölln kurz nach sieben. Die Eckkneipe „Laika“ ist Treffpunkt der „U30-Lesung“. Zu Gast sind sechs junge Autoren, die allesamt bereits Veröffentlichungen vorzuweisen haben oder durch Stipendiatenprogramme gefördert werden. Auf den bequemen Wohnzimmersesseln im großen Saal der Kneipe lassen sich langsam Literaturliebhaber nieder. Durch die bunten Fenster bricht die Abendsonne herein. Neuköllner Gemütlichkeit. Den Auftakt geben die Initiatorinnen der Veranstaltung, Jennifer Bode und Elisabeth Botros. Zur ersten „U30-Lesung“ im Februar haben sie noch selbst vorgetragen. Nun überlassen sie die Bühne anderen Nachwuchsliteraten, von denen wir in Zukunft bestimmt noch hören werden. Wir stellen sie schon mal vor.

Viktor Gallandi, 24

In Viktor Gallandis Kurzgeschichte findet eine junge Frau ein herrenloses, pulsierendes Herz auf der Straße. Sie nimmt sich seiner an, füttert es, woraufhin es immer weiter wächst und bald pochend und triefend einen ganzen Raum einnimmt. „Die Herzmetapher ist so unglaublich abgedroschen. Mich hat es interessiert, wie die anatomische Präsenz des Herzens wirkt, wenn man es auf die Metapher prallen lässt“, erklärt der Autor. Das Publikum im „Laika“ scheint Viktors surrealen Pfaden gern zu folgen. Studiert hat der gebürtige Berliner Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus in Hildesheim. Zwischendurch wurde er mit einem Arbeitsstipendium des Landes Niedersachsens gefördert.

Viktor Gallandi
Viktor Gallandi

© David Heerde

Mittlerweile lebt er wieder in Berlin. Momentan schreibt er an seinem ersten Roman. Sein Zugang zur Literatur? „Nur sie schafft es, einen hören zu lassen, was einer denkt, während man im Film nur sieht, was einer macht.“

Juliane Link, 27

Kathrin und Holger, die Protagonisten in Juliane Links Geschichte, sind für einen Abend als Babysitter engagiert. Passieren tut während ihres Einsatzes vor allem eines: gar nichts. Dafür können die Zuhörer ihren ausschweifenden Gedankengängen und illustren Monologen folgen. Dieser Ansatz hat System. „Ich suche nicht das Ungewöhnliche und Spannende“, sagt Juliane.

Juliane Link
Juliane Link

© David Heerde

Vielmehr wolle sie das Gewöhnliche und Normale hinterfragen. Geboren wurde die Autorin in Würzburg, studiert hat sie in Marseille und Hildesheim. Mittlerweile lebt sie in Wilmersdorf und absolviert ein weiteres Studium: Kunstwissenschaften. Nebenbei schreibt sie natürlich. Mit einem ihrer Texte gehörte sie im vergangenen Jahr zu den Finalisten des 20. Open-Mike-Contests der Literaturwerkstatt Berlin. Schreiben, sagt Juliane, sei für sie eine absolute Passion, die alles andere aufsauge. Selbst wenn sie auf einer Party sei, fügten sich in ihrem Kopf Ideen zu Texten zusammen.

Persönliche Geschichte, Vater-Tochter-Drama und Literarische Duo

Anna-Theresia Bohn, 24

Anna-Theresia Bohn
Anna-Theresia Bohn

© David Heerde

Nur noch wenige Wochen, dann beginnt für Anna-Theresia Bohn ein neuer Lebensabschnitt: Sie wird nach New York ziehen und dort ihr literaturwissenschaftliches Studium fortsetzen, das sie in Berlin begonnen hat. Gleichzeitig will sie im Big Apple an ihrem ersten Roman arbeiten. Wovon der handeln soll? Noch geheim. Verraten werden darf aber, dass das Schreiben in Anna-Theresias Familie liegt. Ihr Vater ist Autor, er stammt aus Rumänien, gehörte dort zur deutschen Minderheit und verfasste Gedichte. Dass die Eltern den Kommunismus miterlebt haben, spiegelt sich auch in Anna-Theresias Geschichten wider. In einer geht es um die innere Zerrissenheit eines Autors, der bespitzelt und überwacht wird. Und darin einen widersprüchlichen Reiz empfindet. „Der Text bedeutet mir wegen meines eigenen biografischen Hintergrundes sehr viel“, sagt die gebürtige Mainzerin, die seit vergangenem Jahr in Berlin lebt. An ihre belletristischen Anfänge erinnert sie sich noch heute sehr genau. Schon als Kind habe sie ihre eigenen Gutenachtgeschichten geschrieben. Inzwischen wird Anna-Theresia oft zu Lesungen geladen. Vehement bestreitet sie nur das Gerücht, sie arbeite derzeit an einem Buch mit dem Titel „Jahresbilanz“.

Robert Schieding, 26

Robert Schieding
Robert Schieding

© David Heerde

Was für ein Albtraum! Während der Frühstücksvorbereitungen bemerkt ein Vater, dass er den Namen seiner eigenen Tochter vergessen hat. Er fällt ihm einfach nicht ein, und jeden Augenblick müsste sie kommen. Das ist das Dilemma in Robert Schiedings Kurzgeschichte. Was folgt, ist ein minutiös geschildertes Vater-Tochter-Drama. Robert ist gebürtiger Potsdamer, hat dort Germanistik und Philosophie studiert und später noch mal ein Studium der Neuen Deutschen Literatur an der FU drangehängt. Momentan sitzt er an seiner Masterarbeit über Walter Moers. Sein erster Schreibversuch, erzählt Robert, muss wohl ein Piratenmärchen gewesen sein. Viele Jahre her. Als Teenager verstieg er sich auf Befindlichkeitslyrik, aber das ist längst vorbei. Heute ist er Mitglied im Literaturkollegium Brandenburg. Und kann sich nichts anderes mehr vorstellen, als das Schreiben zu seinem Beruf zu machen. Sein Vorbild? Thomas Mann. Vor allem was die Sprache betrifft.

Franziska Angermann, 26 & Nina Bayer, 29

Franziska Angermann und Nina Bayer
Franziska Angermann und Nina Bayer

© David Heerde

Seit anderthalb Jahren arbeiten Franziska Angermann (im Foto links) und Nina Bayer zusammen, sie treten als Duo auf und nennen sich Gruppe Pique. Ihre Texte lesen sie nicht einfach vor, sie werden aufgeführt. Im Hintergrund wackelt ein per Beamer projizierter Pelikan an der Wand, während die beiden in selbst gebastelte Mikrofone sprechen oder auf einem Keyboard spielen. Kennengelernt haben sich die zwei in Dresden, wo Nina unter anderem Literaturwissenschaft und Franziska an der Kunsthochschule der Bildenden Künste studierte. Mittlerweile leben sie in Berlin, Franziska war Stipendiatin des Literarischen Colloqiums. Seit kurzem arbeitet das Duo an einem Theaterstück, das sie demnächst zur Aufführung bringen wollen.

Die nächste „U30-Lesung“ wird im Herbst stattfinden, die ersten Vorbereitungen dafür laufen. Ihr wollt euch bewerben? Dann schickt eure Texte an u30.lit@gmail.com. Weitere Infos unter www.facebook.com/pages/U30-Neue-Literatur-für-Berlin

Alisa Reimer

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