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Panorama: Biete Lehrer – fordere mehr Erfolg

An Hauptschulen sollen vereinbarte Ziele dazu führen, dass es dort weniger Schwänzer und Abbrecher gibt

Bildungssenator Klaus Böger (SPD) will alle Hauptschulen für ein konsequentes Reformprogramm gewinnen. Ziel ist es, bis 2010 die Zahl der Schulabbrecher zu halbieren und die Quote der Schüler, die einen Ausbildungsplatz erhalten, zu verdoppeln. So steht es in dem neuen „Arbeitsprogramm Hauptschule“, das jetzt allen Schulleitern vorgestellt wurde.

Als eine Hauptaufgabe nennt das vierseitige Papier, dass Praxisbezug und Berufsorientierung stärkeres Gewicht bekommen müssen. Durch die Kooperation mit Firmen und freien Trägern der Berufsvorbereitung sollen die Schüler „Anstrengungs- und Lernbereitschaft“ steigern sowie die Arbeits- und Berufswelt besser kennen lernen. Gleichzeitig wird von den Schulen erwartet, dass sie eine solide Basis bei der Lesefähigkeit und bei mathematisch-naturwissenschaftlichen Kenntnissen vermitteln.

Um diesen Zielen näher zu kommen, wird den Kollegien empfohlen, sich weiterzubilden und sich mit Projekten wie „Partner: Schule – Wirtschaft“ vertraut zu machen. Außerdem sollen sie mit den Bezirken kooperieren, um schwierige Schüler besser in den Griff zu bekommen. Dies könnte bedeuten: Jugendämter finanzieren das Personal für Schulstationen, anstatt teure Einzelfallhilfen für Jugendliche zu bezahlen, die bereits völlig abgedriftet sind. In dieser Richtung will die Schulverwaltung jetzt auf die bezirklichen Jugendämter einwirken.

„Wir brauchen ein Verantwortungsnetz rund um jede Hauptschule“, beschreibt Siegfried Arnz das Ziel. Er weiß, wovon er spricht: Als Leiter der Werner-Stephan-Hauptschule in Tempelhof hat er vorgemacht, wie man eine „Restschule“ in eine anerkannte Reformschule verwandeln kann. Deshalb wurde er von Böger in die Bildungsverwaltung geholt, um die Hauptschulen voranzubringen.

Um den Schulleitern die Reformbemühungen schmackhaft zu machen, will Böger ihnen Zielvereinbarungen anbieten: Demnach soll es für jede neunte Klasse und im übernächsten Schuljahr auch für jede zehnte Klasse fünf Lehrerstunden zusätzlich geben, wenn die Schulleiter sich verpflichten, die Schwänzer- und Abbrecherzahlen zu reduzieren. Insgesamt wären dies rund 60 zusätzliche Stellen für die Hauptschulen, die Böger noch erkämpfen muss.

„Es ist gut, dass die zusätzlichen Stellen nicht mit der Gießkanne verteilt, sondern gezielt vergeben werden sollen“, sagt Jens Großpietsch, der die Tiergartener Heinrich-von-Stephan-Schule leitet. Allerdings müsse genau beschrieben werden, was jede einzelne Schule erreichen will. So ist es für ihn viel schwieriger, die Schwänzer- und Schulabbrecherquote noch weiter zu senken, weil er in den vergangenen Jahren bereits Ergebnisse erzielt hat, von denen andere Schulen nur träumen.

Reformschulen wie die von Großpietsch kann man in Berlin allerdings mit der Lupe suchen. Von den 60 Hauptschulen haben sich nur wenige mit einem umfassenden Reformprogramm hervorgetan. Viele Schulen halten es noch nicht einmal für nötig, sich vom guten Beispiel der Heinrich-von-Stephan-Schule inspirieren zu lassen.

„Pro Jahr kommen hunderte Fachleute zu uns, die sich für unsere Reformen interessieren, aber die meisten sind aus Hamburg, Bayern oder Mecklenburg-Vorpommern und nicht aus Berlin“, erzählt Großpietsch. Da viele Berliner Hauptschulen offenbar lieber vor sich hindümpeln als sich auf den Weg zu machen oder vielleicht auch mal die Lehrer auszutauschen, ist Arnz jetzt auf die Idee gekommen, Hauptschulleitertagungen als Plattform für den Reform-Austausch zu nutzen. Ab sofort wird es kleine Gesprächsgruppen geben, in denen jeweils ein Schulleiter sein spezielles Konzept im Schnellverfahren vorstellt.

Der Anfang ist bereits getan: Vergangene Woche berichteten zehn Schulleiter über ihre jeweiligen Konzepte. Mit dabei war beispielsweise das Modellprojekt „Elternschule“ der Nikolaus-August-Otto-Hauptschule in Zehlendorf: Bei diesem Projekt müssen sich die Eltern neuer Schüler an zehn Abenden in der Schule einfinden, um zu erfahren, worauf es besonders ankommt, damit ihre Kinder eine erfolgreiche Schulzeit vor sich haben.

Selbst Großpietsch, der schon so viele Reformen durchgezogen hat, findet diese „Elternschule“ nachahmenswert. Denn er ist davon überzeugt, dass die Eltern unbedingt mit ins Boot geholt werden müssen, wenn man die schwierigen Schüler auffangen will. Seit langem bekommen bei ihm alle Eltern wöchentlich einen Brief mit nach Hause, in dem steht, ob ihre Kinder gefehlt oder ihre Aufgaben nicht erledigt haben.

Dass es ohne derartige Reformen nicht mehr weitergeht, ist inzwischen fast allen klar. Deshalb herrscht auch weitgehende Einigkeit darüber, dass man es mit den neuen Zielvereinbarungen versuchen will, die in den nächsten Wochen offiziell vorliegen werden.

„Ich gehe davon aus, dass alle unterschreiben werden“, sagt Uwe Duske, der die reformfreudige Nikolaus-August- Otto-Schule leitet. Allerdings hat Duske auch Verständnis für Kollegen wie die Weißenseer Schulleiterin Karla Werkentin, die den Umfang der zusätzlichen Lehrerstunden angesichts der Probleme in den Schulen als unzureichend bezeichnet hatten (wir berichteten). Aber auch Werkentin wird die Zielvereinbarung unterschreiben. „Das ist doch besser als gar nichts“, sagt sie.

Werkentins Heinz-Brandt-Hauptschule war ebenso wie die Hellersdorfer Jean-Piaget-Hauptschule kürzlich von Bundespräsident Horst Köhler mit dem Deutschen Hauptschulpreis ausgezeichnet worden: ein kurzer Lichtblick im Alltag mit den schwierigsten Schülern der Stadt.

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