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Blacksburg-Massaker: Amokläufer schrieb morbide Bühnenstücke

In einer bewegenden Zeremonie haben mehr als zehntausend Menschen um die Opfer des Amoklaufs von Blacksburg getrauert. Unterdessen mehren sich die Hinweise, dass es vor der Bluttat viele Warnsignale gab.

Blacksburg - An der Trauerfeier auf dem Campus nahmen auch US-Präsident George W. Bush und seine Frau Laura teil. "Es ist ein Tag der Trauer für die Virginia Tech, und es ist ein Tag der Traurigkeit für das ganze Land", sagte der Präsident. Als Amokschütze wurde ein aus Südkorea stammender 23-jähriger Student der Universität identifiziert. Medienberichten zufolge hinterließ Cho Seung Hui einen hasserfüllten Brief, in dem er sich über seine Mitstudenten ausließ. Die Kritik am Einsatz der Polizei wurde lauter.

"Ich hoffe, in dieser Zeit der Qual wissen Sie, dass Menschen im ganzen Land an Sie denken", sagte Bush bei dem Gedenkgottesdienst in Blacksburg vor Studenten und Mitarbeitern der Universität Virginia Tech. Seine Ehefrau Laura und er seien "mit Herzen voll Trauer" nach Blacksburg gekommen. Im Fernsehen war zu sehen, wie sich weinende Angehörige und Freunde der Getöteten umarmten. Viele Studenten trugen orangefarbene T-Shirts der Universität. Mit brennenden Kerzen hielten am Abend tausende Menschen eine Gedenkwache vor der Norris Hall, wo der Amokläufer 30 Studenten und Dozenten erschossen hatte, bevor er sich selbst umbrachte.

Der Vizepräsident der Universität, Larry Hincker, beschrieb den Englisch-Studenten Cho als "Einzelgänger", über den nicht viel bekannt sei. In seinem mehrseitigen mit Schimpfwörtern durchsetzten Schreiben habe Cho seine Kommilitonen als "reiche Kinder" und "betrügerische Scharlatane" beschimpft, berichteten US-Medien. Offenbar habe es Warnzeichen gegeben: In letzter Zeit habe der junge Mann "aggressiv und verwirrt" gewirkt, habe Frauen nachgestellt und in einem Wohnheim Feuer gelegt, erfuhr die "Chicago Tribune" von Ermittlern. Cho war als Achtjähriger mit seinen Eltern aus Südkorea in die USA gekommen.

Keine Kurzschlusstat

Ersten Erkenntnissen zufolge handelte es sich nicht um eine Kurzschlusstat. Am vergangenen Freitag habe sich Cho die Neun-Millimeter-Pistole gekauft, die er bei dem Amoklauf einsetzte, berichtete ABC. Wenig später habe er sich eine Kaliber-22-Waffe zugelegt. Offensichtlich habe Cho am Montagmorgen zunächst in seinem Wohnheim zwei Menschen erschossen und sei dann in sein Zimmer zurückgekehrt, wo er sich neu bewaffnete und das Schreiben zurückließ. Danach sei er in das Unterrichtsgebäude auf dem Campus gegangen und habe dort das Blutbad angerichtet.

Es mehren sich Hinweise, dass es vor der Bluttat viele Warnsignale gab. Die Englisch-Dozentin Lucinda Roy war nach eigenen Worten so beunruhigt über ihren Studenten, dass sie die Uni-Leitung informierte und den Südkoreaner ein Semester lang allein unterrichtete. Grund war ein Theaterstück, dass der gebürtige Südkoreaner im Herbst vergangenen Jahres geschrieben hatte. Das bei AOL News veröffentlichte Stück wird in US-Medien als makaber, pervers und voller Gewalt beschrieben. Eine Mitstudentin sagte, die Stücke hätten in Kontrast zu seinem verschlossenen Wesen gestanden, sagte Stephanie Derry der Campus-Zeitung. "Sein Schreibstil, die Stücke, waren wirklich morbide und grotesk", sagte Derry. "Ich erinnere mich an eines von ihnen sehr genau. Es handelte von einem Sohn, der seinen Stiefvater hasste. In dem Stück schwang der Junge eine Kettensäge und schlug mit einem Hammer auf ihn ein. Am Ende des Stückes hat der Junge seinen Vater mit einem Müsliriegel erstickt."

Kritik an Einsatzleitung

Im Mittelpunkt der Kritik an der Polizei stand die Frage, warum sie den Campus nicht sperrte, als im Studentenwohnheim die ersten Schüsse fielen und zwei Menschen getötet wurden. Die Polizei vermutete eigenen Angaben zufolge, dass der Täter geflohen sei. Erst zwei Stunden später betrat Cho dann Norris Hall, das Institut für Ingenieurwissenschaften. Die Polizei rechtfertigte ihr Vorgehen. Sie habe so gehandelt, wie es die vorliegenden Erkentnisse erfordert hätten.

Überlebende und Angehörige zeigten sich darüber empört. "Wenn jemand zwei Menschen in einem Wohnheim umbringt, müssen doch alle sofort gewarnt werden", sagte die Mutter einer Studentin. Verzweifelt warteten am Dienstag im Konferenzzentrum der Universität immer noch zahlreiche Menschen auf Informationen über das Schicksal von Angehörigen und Freunden. "Wir wissen nicht, ob sie tot ist oder verletzt", sagte Mary Peterson, die seit Montag nichts mehr von ihrer Schwester gehört hat. (tso/AFP)

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