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Panorama: Blitz-Scheidung: Der Trend geht zur gütlichen Trennung

Der friedliche Ausgang des Scheidungsdramas von Boris und Barbara Becker liegt im Trend. Jede dritte Ehe in Deutschland wird geschieden, der "Rosenkrieg" wird dabei aber immer seltener.

Der friedliche Ausgang des Scheidungsdramas von Boris und Barbara Becker liegt im Trend. Jede dritte Ehe in Deutschland wird geschieden, der "Rosenkrieg" wird dabei aber immer seltener. "Der Trend geht zur gütlichen Trennung", sagt Christina-Anja Gese, beratende Anwältin beim "Verein humane Trennung und Scheidung" in München. Erleichtert werden die einvernehmlichen Lösungen unter anderem durch die gesetzlichen Regelungen zum gemeinsamen Sorgerecht der früheren Ehepartner für die Kinder.

Paare müssen in Deutschland in der Regel mindestens ein Jahr getrennt gelebt haben, bevor ein Gericht eine Ehe als gescheitert anerkennt. Voraussetzung ist, dass beide Partner für eine Scheidung sind. Ansonsten gilt eine Frist von drei Jahren. Vorübergehende Versuche, die Ehe zu kitten, ändern an den Fristen nichts. Wenn ein Partner mit einem Dritten zusammenlebt, werden die Fristen hinfällig. Nach Reform des Scheidungsrechts 1977 ist es nicht mehr nötig, die Schuld am Scheitern der Ehe festzustellen. Einziger Scheidungsgrund ist seither die Zerrüttung der Ehe. Das Sorgerecht für die Kinder bestimmt das Gericht mit Rücksicht auf das Wohlergehen des Nachwuchses. Dabei berücksichtigt es die Vorschläge der Eltern. Nach den jüngsten Angaben des Statistischen Bundesamts in Wiesbaden gab es 1998 rund 192 000 Ehescheidungen in Deutschland. Die Zahl war seit 1990 nach einem kleinen Rückgang zu Beginn des Jahrzehnts schrittweise von 155 000 angestiegen. In rund 117 000 Fällen stammte der Antrag vom Mann, in 64 000 Fällen von der Frau, 11 000 Mal reichten beide die Scheidung ein.

Die Scheidung des einstigen "Traumpaares" Boris und Barbara Becker kam für viele überraschend schnell. Denn grundsätzlich gilt im Scheidungsrecht weiter die Regel, dass die Ehepartner vor einer Scheidung ein Jahr getrennt gewesen sein müssen. Wenn ein Paar allerdings einvernehmlich behauptet, dass es schon lange getrennt schlafe und frühstücke, "kann niemand das Gegenteil beweisen", erläutert Gese. Sprich: Die Richter folgen in der Regel den Angaben und machen eine schnelle Scheidung mit.

In Münchner Juristenkreisen wurde auch eine andere Erklärung diskutiert: Möglicherweise sei die Ehe schon weit länger nachweislich gescheitert gewesen. In verschiedenen Presseberichten wurden Becker Beziehungen zu anderen Frauen und ein außereheliches Baby in London nachgesagt. Die Familienexpertin des Deutschen Anwaltvereins, Ingrid Groß, sagte dem Saarländischen Rundfunk, vielleicht seien die Beckers schon lange nur noch für die sensationslustige Öffentlichkeit zusammen aufgetreten: "Es könnte sein, dass sie ihr Trennungsjahr abgelebt haben, ohne dass wir es alle gemerkt haben."

Wie Gese weiter erklärt, gibt es zudem Ausnahmen vom Trennungsjahr in Härtefällen, etwa bei einem "gravierenden Seitensprung", Morddrohungen oder Gewalt. Bei den Beckers könnte das Amtsgericht München auch das enorme öffentliche Interesse als Härtegrund akzeptiert haben.

Beschleunigt wurde die Scheidung der Beckers auch durch ihre außergerichtliche Einigung über die Kinder und die finanziellen Fragen. Denn geht erst der Streit um Sorgerecht und Unterhalt los, kann die rechtliche Trennung nach den Erfahrungen Geses bis zu zehn Jahre dauern. Etwa 70 Prozent der Scheidungen verlaufen inzwischen jedoch gütlich, schätzt die Anwältin. Nicht zuletzt führt sie dies auf das gemeinsame Sorgerecht zurück, das 1998 als Regelfall eingeführt wurde. Ein alleiniges Sorgerecht für eheliche Kinder gibt es seitdem nur noch auf Antrag und mit besonderer Begründung.

Ganz ohne Gericht läuft grundsätzlich nichts, in Deutschland aber grundsätzlich ohne Öffentlichkeit.

Trotz alledem ging die Scheidung von Barbara und Boris Becker ungewöhnlich schnell über die Bühne. Denn normalerweise warten Paare mehrere Wochen allein auf den Gerichtstermin. Die Beckers bekamen ihn in nur einer Woche. "Da muss der Richter eine Ausnahme gemacht haben", meint Gese. Vielleicht hat auch hier das Gericht jede Verzögerung als Härte angesehen.

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