zum Hauptinhalt
Feuer in Australien

© dpa

Buschbrände in Australien: "Es regnet Feuer“

Australien wird von der schlimmsten Flammenkatastrophe seit der Besiedlung des Kontinents heimgesucht. Über hundert Opfer forderten die Waldbrände bisher. Sogar die buscherfahrene Feuerwehr ist nicht in der Lage, die Flammen einzudämmen. Ganze Ortschaften werden verwüstet.

Es war eine ruhige, dunkle Nacht – dann brach plötzlich die Hölle los. Jay Cherie und ihr Mann nahmen ihre Kinder und die Katze ins Auto, um der verheerendsten Feuerwalze zu entkommen, die die Australier je gesehen haben. Sie und ihre Familie gehörten am Ende zu den Glücklichen, die nur ihr Haus verloren, ihr Leben aber retten konnten.

108 Menschen wurden Opfer der Flammen unweit der Millionenstadt Melbourne, hunderte wurden verletzt. Tausende Häuser brannten ab, hunderttausende Hektar Natur wurden genauso vernichtet wie tausende Stück Vieh und Wildtiere wie Kängurus und Koalas. Das rasende Feuer, angefacht von Wind und nie zuvor gemessenen Temperaturen, konnte auch von einer hochgerüsteten Armee von buschbranderfahrenen Feuerwehrleuten nicht gestoppt werden. Ganze Gemeinden brannten nieder, ohne dass sich jemand den Flammen entgegenstellen konnte.

Australien leidet derzeit an einer unbeschreiblichen Hitzewelle. Teilweise werden 50 Grad im Schatten gemessen. Der australische Premierminister Kevin Rudd setzte die Armee in Bewegung.

Es ist der schlimmste Brand der australischen Geschichte. Am sogenannten „Asche-Mittwoch“ 1983 waren bei den Buschfeuern im selben Bundesstaat Victoria sowie im benachbarten New South Wales 75 Menschen ums Leben gekommen. Das war die bisher höchste Zahl an Todesopfern seit Beginn der europäischen Besiedlung Australiens vor etwa 220 Jahren.

Nach der Katastrophe vom Wochenende galt es zunächst die Opfer zu bergen und zu identifizieren und sich um die Überlebenden zu kümmern. Viele besitzen nur noch die Kleider, die sie anhatten, als das Feuer heranraste. Wie Jay Cherie, die berichtete, dass es keine Warnung gegeben habe, bis die alles vernichtende Feuerhölle schon fast am Gartenzaun war. „Dann explodierten Gasflaschen rund um uns, der Weg in den nächsten Ort war wie ein Albtraum, meine Tochter hat mich gefragt, ob sie ihre Freunde wiedersehen oder sterben würde.“

Marie Jones, die aus der Hauptstadt Canberra stammt und im besonders schwer betroffenen Kinglake zu Besuch war, erzählte im Radio, wie es an die Tür klopfte und ein Mann mit schweren Brandwunden und einem nicht einmal zwei Jahre alten Mädchen dort stand. „Ich habe meine Frau verloren und mein anderes Kind“, sagte der Mann und flehte, „sie müssen meine Tochter retten“. Es gelang ihr, einen Krankenwagen für Vater und Tochter zu besorgen und die beiden in Sicherheit zu bringen.

Alle Augenzeugen berichteten, dass das Feuer mit atemberaubender Geschwindigkeit hereingebrochen war. Die Hitze sei unbeschreiblich gewesen, es habe „Feuer geregnet“. Eine Familie überlebte in einem Bewässerungsteich auf ihrer Farm, eine andere im Auto auf einer Verkehrsinsel. Während um sie herum fast jedes Haus niederbrannte, hielt die breite Straße die Flammen von der Verkehrsinsel fern.

Für viele andere, die zu spät versucht hatten, zu fliehen, wurden ihre Autos zu Todesfallen. Ausgebrannte Wracks säumten die Straßen, die Polizei hatte die grauenvolle Aufgabe, herauszufinden, ob sich menschliche Überreste in ihnen befanden. Viele Opfer sind so schwer verbrannt, dass eine Gruppe von Spezialisten aus dem nordaustralischen Darwin eingeflogen wurde. Einer der bekanntesten ehemaligen Nachrichtensprecher Australiens, Brian Naylor, starb in Kinglake unweit der Stelle, an der er vor 26 Jahren vor der Kamera von der bis dato schwersten Feuerkatastrophe Australiens berichtet hatte.

Buschfeuer sind in Australien seit Jahrtausenden Teil der Natur, es gibt sogar Pflanzen, deren Samenkapseln nur von Feuer aufgesprengt werden können. Erst die unheilvolle Kombination von ungewöhnlicher Hitze über einen relativ langen Zeitraum sowie ungünstige Winde hatten die Brände zu einer Katastrophe werden lassen. Die Polizei geht davon aus, dass mehrere Feuer das Werk von Brandstiftern waren.

Eine große Hilfsaktion ist angelaufen. Spendenkonten wurden eingerichtet, in den Notaufnahmezentren unweit der am schwersten betroffenen Gebiete stapelten sich Sachgeschenke und viele Australier bieten an, obdachlos gewordene Familien vorübergehend aufzunehmen.

Alexander Hofmann[Sydney]

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false