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Bushido

© ddp

Bushido: ''Ich bin ein Spießer''

Alle reden über den Rapper Bushido – wir reden mit ihm. Ein Besuch in der Höhle des Bösen, tief in Kreuzberg. "Kommt rein", sagt er zur Begrüßung und schließt die Tür. Die Mitarbeiter tragen Plüschpantoffeln.

Kreuzberg, nahe Oranienplatz, Montagabend. Wir treffen Bushido, 28, in einem verwinkelten Hinterhof im dritten Stock, die Mitarbeiter tragen Plüschpantoffeln. Wir setzen uns auf eine Ledercouch, Bushido – blaue Jeans, orange-farbener Pullover, dicke Armbanduhr – hockt in der Mitte. Er hat Kopfschmerzen. „Ich bin ziemlich wetterfühlig“, sagt er. „Ich bekomme schnell Migräne.“ Na super.

Bushido, fangen wir mal locker an. Du ziehst gerade um …

… nee, erst in ein paar Tagen. Ich habe mir im Frühling ein schönes Haus gekauft, 660 Quadratmeter, drei Stockwerke, in Lichterfelde West. Klingt ziemlich spießig, privat bin ich auch ein Spießer. Die Nachbarn müssen keine Angst haben, dass meine Beats das Viertel beschallen. Und Messer werden höchstens am Holzkohlegrill eingesetzt. Keine Panik also.

Der liebe, nette Nachbar.

Jeder denkt bei meinem Namen an Gewalt, Drogen, Sex, aber ich bin jetzt bald 29 Jahre alt, meine Freunde haben fast alle Familie. Wir leiden am Peter-Pan-Syndrom. Wir werden nie so richtig erwachsen und machen gern Blödsinn. Zu Hause aber möchte ich meine Ruhe haben, Hecken schneiden, Depeche Mode hören und Frikadellen brutzeln. Das ist wie bei Heinz Rühmann.

Bitte?

Ich habe neulich in der ARD ein Portrait über sein Leben gesehen und Parallelen entdeckt. Der wollte abseits der Bühne seine totale Ruhe, auf der Bühne hat er sein Programm abgezogen und eine Person gespielt, die er nicht ist.

Mit dem Unterschied, dass er nicht zu Gewalt aufrief und Schwule beleidigte.

Ich rufe nicht zu Gewalt auf.

Was ist das sonst, was du propagierst?

Als ich letztes Wochenende auf dem Anti-Gewalt-Konzert von „Bravo“ auf der Bühne stand, habe ich wie Heinz Rühmann eine Show abgezogen und mich gewisser Klischees als Werkzeug bedient. Ich gebe zu, dass ich ziemlich angespannt war und erst mal eine Wasserpfeife brauchte, weil ich vorher so viel Scheiße fressen musste. Ich bin leider Choleriker und lasse mich manchmal gehen. Ich würde aber nie zur Demonstration gegen Homosexuelle aufrufen.

Du hast 50 Gegendemonstranten darauf reduziert, dass sie doch bitte beim Sex Kondome benutzen sollten….

… weil ich damit selber so meine Erfahrungen gemacht habe – so ging der Satz weiter. Dabei habe ich gegrinst, das hat nur leider keiner verstanden.

Du meintest die Geschichte mit deiner angeblichen Vaterschaft.

Ja. Ich habe mich in dieser Sekunde selbst auf die Schippe genommen.

In der Sekunde davor, mit Verlaub, warst du ein ziemliches Rindvieh.

Es war ein absichtlicher Scherz, pure Show. Ich gehe fragwürdig um mit meiner Verantwortung, das weiß ich, aber Eltern und Politiker sollten ihre Kinder doch nicht für blöd halten. Die wissen, was ernst gemeint ist und was Provokation. Und wenn ihre Kinder sagen, der und der sei schwul, dann kann das alles Mögliche heißen – auch wenn es das logischerweise nicht besser macht. Ich fände es doch auch scheiße, wenn „Tunesier“ so eine Art Schimpfwort wäre.

Dein Vater ist Tunesier.

Ja. Das Wort „schwul“ ist leider ins Negative gehend mutiert, genau so wie es das Wort „behindert“ früher war. Da wusste auch jeder bei dem Spruch „Du bist ja behindert“, dass es nicht um Behinderte ging. Es werden neue Wörter kommen.

In deinen Text geht’s nun mal ein bisschen sehr oft um Schwule, Tunten, Nutten, Prügel und brutalen Sex …

… noch mal: Das sind Bilder. Mit „Tunte“ ist kein Schwuler gemeint und mit „Nutte“ nicht jede Frau, sondern ein Schwachkopf, Feigling oder so. Leute halt, die ich nicht mag. Echter Rap war nie die Sprache feiner Musiker, er war immer dreist, erniedrigend und aggressiv – aber es sind Wortduelle und keine Bedienungsanleitung. Ich mache auch Fehler, meine Zeile „Ihr Tunten werdet vergast“ war absolut einer. Das habe ich eingesehen, mich dafür entschuldigt und die Zeile geändert. Jetzt heißt es „verarscht“. Das werden wieder nicht alle gut finden, aber wer rappt schon: „Du bist doof“?

Jetzt sag’ nicht, du magst Schwule.

Ich bin muslimisch erzogen, Halb-Araber und Rapper, ich finde es nicht normal, schwul zu sein – genauso wie manche meine Musik nicht normal finden. Ich mag die Sexpraktiken nicht, aber deshalb ist ein Schwuler kein schlechter Mensch.

Kennst du überhaupt Schwule?

Ja, natürlich, einer meiner Mitarbeiter ist schwul. Wenn wir uns sehen, umarmen wir uns, ohne dass ich mich angewidert wegdrehe. Ich habe doch auch den Magazinen Sergej und Siegessäule Interviews gegeben und gesagt, dass ich Brad Pitt cool finde – allerdings nicht ins Bett mit dem will. Ich sollte ja auch für die Homosexuellen-Party „Gay Convention“ werben. Wollte ich nicht, jetzt demonstrieren sie gegen mich.

Warum hast du abgesagt?

Ich sollte auch mal für die SPD werben, weil die einen jungen Migranten wollten, aber das finde ich gefährlich, selbst wenn ich der SPD früher nahe stand. Würde ich voller Ernst sagen: Hey, die NPD ist total toll, dann kriegen die 100 000 Stimmen mehr. Das ist nicht der Sinn, finde ich. Es soll sich jeder ein eigenes Bild machen, eine Meinung bilden und sich selbstständig informieren. Ich gehe immer wählen, aber ich mache keine Propaganda – nicht für Parteien und nicht für Homosexuelle.

Bekommst du Fanpost von Schwulen?

Bestimmt, aber das schreibt doch keiner in so einem Brief. Mir ist’s egal, ob Araber, Spießer, Glatzen, Juden, Kinder oder Schwule meine Musik hören. Ich rege mich auch nicht darüber auf, wenn sich zwei Männer neben mir im Restaurant küssen. Im Gegenteil: Schwule achten wenigstens auf Stil, sie sind gepflegt und riechen oft sehr gut. Mich widern Fahrradfahrer viel mehr an, die ihre eklig-verschwitzen Achselhaare spazieren fahren.

Dann rappe doch gegen Achselhaare.

Rappe ich gegen Schwule?

Funktioniert Rap nicht seriös?

Ich könnte auch über Ökostrom oder die Gesundheitsreform rappen, aber will das jemand auf der Straße hören?

Was sagt deine Mutter zu deinen Raps?

Die kriegt einen roten Kopf und sucht sich Lieder, die sie lieber hört. Ich rappe aber auch über ernste Themen. Ich habe beispielsweise ein neues Lied über meinen Vater geschrieben und mich das erste Mal der Öffentlichkeit geöffnet. Der Wichser hat meine Mutter im Suff mit dem Telefonhörer verprügelt, bis die Polizei zu uns nach Hause kam. Dann hatte er keinen Arsch in der Hose und hat sie – mit mir, dem Dreijährigen – feige zurückgelassen. Ich habe ihn vor drei Jahren das erste Mal seitdem gesehen. Ich empfinde Mitleid mit ihm. Er ist gescheitert in seinem Leben.

Hat dir ein Vater gefehlt im Leben?

Ich weiß, jetzt sagen einige, meine Mutter hätte mich nicht autoritär genug erzogen, der saß im Knast, ist ein Rowdy und so. Aber ich hatte 14 Jahre einen Stiefvater, er ist kurdischer Türke. Aber vielleicht hat mir in der Tat ein Mann als Kind gefehlt, den ich als echten Vater sehe, der mir Fahrradfahren beibringt und nach seinen Söhnen fragt.

Du hast einen Bruder.

Ja, der ist 20 Jahre alt. Er hat gerade sein Abitur auf dem Eckener-Gymnasium in Tempelhof geschafft. Da war ich auch bis zur zehnten Klasse, dann kurz auf einem anderen Gymnasium, ehe mich die Polizei aus dem Klassenzimmer abholte und ich das Abi hinschmiss. Es war ein Fehler, das habe ich ihm gesagt und ihn gewarnt: Ey, Junge, wenn du anfängst zu kiffen, zu saufen oder dich zu prügeln, kriegst du von mir auf den Sack. Als meine Mutter bei der Abiverleihung saß, habe ich gedacht: Sie kann stolz sein – der eine Sohn bringt das Abi nach Hause, der andere Goldene Schallplatten. So doof können wir nicht sein.

Übernimmst du Verantwortung für deinen Bruder?

Ich übernehme für niemanden Verantwortung, ich muss nicht beliebt sein und auch kein Vorbild – höchstens für meine eigenen Kinder. Ich helfe aber gern meiner Mutter. Sie ist vor gut einer Woche 57 Jahre alt geworden, sie geht jetzt nicht mehr arbeiten. Sie hatte in ihrem Haus eine kleine Bäckerei, da ist sie jeden Tag um drei Uhr morgens aufgestanden, hatte Verbrennungen an den Armen vom Tragen der Backbleche – das wollte ich nicht mehr. Ich habe genug Geld, sie arbeitet jetzt für mich, wäscht und kocht. Nennt mich ein Muttersöhnchen.

Das hört sich ja alles nett an. Aber läuft nicht gerade eine Anzeige eines Fotografen gegen dich? Eine Gruppe, zu der du gehörtest, soll ihn vor eineinhalb Wochen vor dem „Matrix“ bedroht haben.

Ich war nie ein Kind von Traurigkeit, aber ich habe an diesem Abend nichts gemacht. Ich kam gerade von der Autobahn und stand plötzlich zwischen Polizisten, die in der Disko jemanden suchten – aber nicht mich. Um die Vorwürfe kümmert sich mein Anwalt. Es gibt nun mal leider genug Leute, die mich durchs Privatleben jagen. Die wollen am liebsten meinen Schwanz am Pinkelbecken im Restaurant fotografieren, weil ich ja immer sage, ich habe den Längsten. Ist nur eine Metapher, verstehen sie nicht. Und sie wollen mich mit Frauen fotografieren, um zu zeigen: Oh, das ist ja ein Romantischer und gar nicht so hart. Sie stehen vor der Bäckerei meiner Mutter und wollen sehen, wie sie ihren Sohn küsst und mir ein Croissant mitgibt – weil krasse Gangster keine Croissants essen, oder wie?

Polizisten sind nicht gerade gut auf dich zu sprechen …

… die Bullen, die ich kenne, schon …

… du prahlst herum, dass du manchmal so viel Geld in der Hosentasche herumträgst wie Polizisten im halben Jahr verdienen. Bescheidenheit ist nicht deine Stärke.

Zumindest nicht die der Kunstfigur auf der Bühne! Dieser Spruch ist doch wohl offensichtlich übertrieben. Ich würde mir niemals anmaßen, ernsthaft zu behaupten, mehr als Polizisten zu verdienen, weil ich nicht mal weiß, was die nach Hause bringen. Das ist ein normaler Spruch – bei mir aber werden Nebensätze immer zu unheimlich wichtigen Weisheiten. Ich werde aufpassen in Zukunft und mich zurücknehmen. Das ist echt anstrengend auf die Dauer.

Was hast du denn in der Hosentasche?

Mmh (wühlt in der linken Tasche)... nicht viel ... (holt eine dicke Geldscheinrolle raus)... vielleicht 800 Euro?

Was willst du machen, wenn du 38 Jahre alt bist, also in zehn Jahren?

Nicht mehr rappen.

Keine Träume?

Was ich haben wollte, habe ich mir früher geklaut, später erarbeitet und gekauft. Was ich nicht habe, ist eine Frau. Ich habe genug Sex, aber nur eine Frau war Liebe. Sie hieß Jennifer, vier Jahre waren wir zusammen, Romantik, Rosen, Restaurant, das komplette Programm. Aber ich habe ihr zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt – die Rechnung musste ich zahlen. Sie hat gesagt: Fick dich, du Idiot, und hat mich verlassen. Ich denke da immer an König Midas. Alles, was er angefasst hat, wurde zu Gold, am Ende aber ist er verhungert.

Willst du Kinder?

Vier.

Dürften sie deine Musik hören?

Ich höre mir die selber nicht an. Außer von Eminem habe ich auch keine HipHop-CDs zu Hause. Ich höre lieber Bloc Party und Dixie Chicks. Früher hingen in meinem Kinderzimmer Bravo-Poster von Roxette, die habe ich neulich bei einem Konzert in Hamburg gesehen und mich echt gefreut.

Worauf legst du Wert in der Erziehung?

Hört sich vielleicht komisch an, aber Anstand im Alltag. Es ist total selten geworden, dass ein Jugendlicher mal Danke oder Bitte sagt. Da gibt’s nur Gestammel wie: Ey, gib’ Autogramm! Da sage ich: Junge, kannst du keinen Satz bilden?

Was ist, wenn dein Sohn schwul ist?

Das wäre der Super-Gau. Ich werde aufpassen, dass er nicht homosexuell wird, das ist ja kein Gendefekt, oder? Aber gut: Wenn er schwul ist, dann ist er halt schwul. Deswegen werde ich meinen Sohn noch lange nicht verprügeln.

Mit wem ziehst du eigentlich im September in deine neue Villa?

Mit meinem Kumpel Kay One.

Schöne Männer-WG.

Ja, zwei Jungs (lacht). Ich bringe das Geld nach Hause, er kümmert sich um den Haushalt.

Das Gespräch führten André Görke und Nana Heymann.

DAS ALBUM

Heute bringt Bushido sein siebtes Album auf den Markt, es heißt: „7“. Bereits letzte Woche gab es 105 000 Vorbestellungen, es hat also „Gold“-Status erreicht.

DER RAPPER

Bushido ist gelernter Lackierer, er kam über Graffiti zum Hip-Hop. Begonnen hat er seine Karriere bei „Aggro Berlin“, wo auch Sido („Mein Block“) und Fler unter Vertrag stehen. Mit denen ist er heute allerdings schwer verkracht.

Mittlerweile ist Bushido selbst Chef eines Untergrund-Labels: Für „ersguterjunge“ produziert er Künstler wie Chakuza und Eko Fresh.

DER MENSCH

Er wurde am 28. September ’78 in Bonn geboren. Sein Vater ist Tunesier, seine Mutter ist Deutsche und zum Islam konvertiert. Bürgerlich heißt er Anis Mohamed Youssef Ferchichi. Das Wort „Bushido“ stammt aus dem Japanischen und bedeutet „Weg des Kriegers“. Er saß angeblich oft im Gefängnis, zuletzt 2005 nach einer Prügelei in Linz (Österreich).

DIE ERFOLGE

Er gewann in seiner Karriere den MTV Europe Music Award, den Bravo Otto, eine Platin und fünf Goldene Schallplatten sowie zwei Echos. Mit dem Journalisten Lars Amend schreibt Bushido an seiner Biographie, die im Dezember erscheint. Bushidos Leben wird verfilmt. Ende 2008 soll der Spielfilm ins Kino kommen. AG

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