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Blick durch die Autoscheibe. Der frühere IWF-Chef bei der Ankunft in Lille.

© dpa

Callgirl-Affäre: Dominique Strauss-Kahn wegen Sex-Orgien verhört

Wenn er wusste, dass die Frauen Prostituierte waren, dann wird es eng für den früheren IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn.

Für die Callgirls war Dominique StraussKahn nur ein Kunde. Für die Geschäftsleute, die für den früheren Direktor des Internationalen Währungsfonds und ehemaligen Hoffnungsträger der französischen Sozialisten zur bevorstehenden Präsidentenwahl Sex-Orgien organisierten, war er ein illustrer Freund, von dessen Glanz sie zu profitieren glaubten. Für den hohen Polizeibeamten, der bei den Gruppenreisen mit von der Partie war, war er der künftige Präsident, dem er bei einer neuen Politik der inneren Sicherheit zu beraten hoffte. Welche Rolle Strauss-Kahn in der Carlton-Affäre wirklich spielte, will jetzt die Kripo der nordfranzösischen Stadt Lille herausfinden.

Gestern morgen war DSK, wie Dominique Strauss-Kahn in Frankreich kurz genannt wird, zum Verhör in Lille vorgeladen. Kurz vor neun Uhr traf er in einem Auto mit abgedunkelten Scheiben an der ehemaligen Gendarmeriekaserne ein und verschwand im Inneren des Gebäudes, wo er sofort in Polizeigewahrsam genommen wurde. Diese in Frankreich häufige Prozedur kann bis zu 48, in schweren Fällen bis zu 98 Stunden dauern. Sie dient dazu, Zeugen oder Verdächtige bei ihrer Vernehmung von Kontakten nach außen abzuschirmen. Für viele Verhörte kommt der Polizeigewahrsam unerwartet. Strauss-Kahn war er schon bei der Vorladung mitgeteilt worden. Die Vernehmung wurde von vier Kripo-Beamten geführt, die sich nacheinander ablösten.

In der Affäre, in der seit einem Jahr ermittelt wird, geht es um einen Zuhälterring. In den sollen neben einem Bordellwirt mit dem Spitznamen „Dodo la Saumure“ (Dodo der Salzhering), der seine Geschäfte hauptsächlich im grenznahen Belgien betreibt, zahlreiche Prominente aus der Stadt verwickelt sein. Unter ihnen befinden sich Anwälte, ein früherer Kripo-Chef, ein ehemaliger Polizeidirektor der Region Nord sowie zwei Unternehmer, der Strauss-Kahn-Freund Fabrice Paszkowski, Eigentümer eines Handels für medizinische Geräte, und David Roquet, Leiter einer Filiale des Baukonzerns Eiffage und ebenfalls ein StraussKahn-Freund. Die Zentrale befand sich im Hotel Carlton, dessen Public-Relations-Chef die Strippen für den Ring gezogen haben soll. Gegen acht Verdächtige, die im vergangenen Herbst mehrere Wochen in Untersuchungshaft verbrachten, laufen Verfahren wegen „bandenmäßig organisierter schwerer Zuhälterei, Mittäterschaft, Zugehörigkeit zu einer kriminellen Vereinigung, Betrug und Veruntreuung von Betriebsvermögen“.

Wusste DSK, dass die Frauen bei den Sex-Orgien Prostituierte waren?

Für Strauss-Kahn geht es um die Frage, ob ihm bekannt war, dass die Frauen, die an den Orgien teilnahmen, Prostituierte waren und ihm auf seinen Wunsch und mit seiner Billigung zugeführt wurden. Das könnte ihm ein Verfahren wegen Mittäterschaft bei Zuhälterei einbringen. Und es geht um die Frage, ob er wusste, dass seine Freunde die Ausgaben für die verschiedenen „parties fines“, wie die Orgien von Eingeweihten diskret umschrieben werden, nicht als Privatausgaben, sondern als Aufwendungen für ihre Unternehmen verbuchten. Dies würde ein Verfahren wegen des Vorwurfs der Komplizenschaft bei der Veruntreuung von Betriebsvermögen bedeuten.

Auf die mögliche Verwicklung Strauss-Kahns in den Ring stießen die Ermittler bei der Sichtung der Belege, die Paszkowski an Roquet zur Abrechnung weiterreichte: Quittungen von Restaurantbesuchen, Hotelübernachtungen und Reisekosten. Auf deren Rückseite hatte Roquet die drei Buchstaben „DSK“ vermerkt. Die Ausgaben entstanden bei Sex-Parties, die Paszkowski für Strauss-Kahn für und mit Strauss-Kahn organisierte. Sie fanden in Paris, Brüssel und Washington statt. Höhepunkt des geselligen Treibens war eine Reise nach Washington, wo die Truppe dem früheren IWF-Chef zwei Tage vor seiner Verhaftung wegen der mutmaßlichen Vergewaltigung des Zimmermädchens Nafissatou Diallo des Hotels Sofitel die Aufwartung machte. Die Prostituierten, von denen sich eine mit ihm in dessen Büro freimütig fotografieren ließ, wurden als „Sekretärinnen“ ausgegeben.

Nach Aussage einer der Frauen habe Strauss-Kahn sich bei ihr nach ihren Tarifen und ihrer Telefonnummer für spätere Gelegenheiten erkundigt, weiß die Zeitung „Le Journal du Dimanche“ zu berichten. Das würde Strauss-Kahn widerlegen, der seinem offiziellen Biografen Michel Taubmann versicherte, vor Prostitution habe er einen Horror. Er hätte das auch gar nicht nötig, denn es gebe genug willige Frauen. Sein Anwalt Henri Leclerc glaubt, Strauss-Kahn hätte auch gar nicht wissen können, dass er es bei den Orgien mit Prostituierten zu tun hatte. „Das konnte er gar nicht wissen“, sagte er dem Magazin „Le nouvel observateur“. Bei solchen Parties sei man ja nicht bekleidet: „Wie aber wollen Sie eine nackte Dame der Gesellschaft von einer nackten Nutte unterscheiden?“

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