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Überlebende der Chemiekatastrophe von 1984 und deren Angehörige demonstrieren vor dem Bhopal Memorial Hospital and Research Centre (BMHRC) in Bhopal.

© dpa

Chemiekatastrophe von Bhopal: 350 Tonnen Giftmüll kommen von Indien nach Deutschland

Bei der Chemiekatastrophe starben 1984 im indischen Bhopal tausende von Menschen. Die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) wird jetzt einen Teil des Giftmülls entsorgen, der nach 28 Jahren immer noch auf dem Gelände lagert.

Noch immer rottet die Todesfabrik vor sich hin, zugewuchert von Pflanzen. Kinder spielen Kricket auf dem verseuchten Gelände, Frauen sammeln Brennholz, Vieh grast. Sind die staatlichen Wassertanks leer, trinken die Bewohner der Slums das Grundwasser. Fast 28 Jahre nach der Giftgas-Tragödie im zentralindischen Bhopal vergiften deren Überreste weiter die Menschen. Bis heute haben weder Indiens Regierung noch die früheren US-Betreiber den Giftmüll entsorgt.

Nun aber hat Indiens höchstes Gericht die Regierung verurteilt, den Giftabfall auf dem Gelände zu entsorgen. „Die Regierung hat 28 Jahre lang keine Schritte unternommen. Vielleicht weil die Menschen, die starben oder durch das Gas geschädigt wurden, arm sind. Dies spiegelt eine völlige Apathie der zuständigen Autoritäten wieder“, heißt es in dem Urteil. Und Deutschland wird in die Bresche springen: Die staatliche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) wird den Giftmüll nach Deutschland holen, Delhi hat der Beauftragung zugestimmt. Die GIZ rechnet damit, dass die Entsorgung 350 Tonnen verseuchter Erde ein Jahr dauern werde. Nach der Sicherung könnte der Abtransport Anfang 2013 stattfinden, heißt es. Die 350 Tonnen Giftmüll lagern derzeit in morschen Säcken und Tonnen in einer offenen Halle. Insgesamt, vermuten Experten, liegen noch bis zu 27 000 Tonnen toxische Substanzen im Erdreich.

In der Hauptstadt von Madhya Pradesh war es am 3. Dezember 1984 zum bis dato größten Chemieunglück der Geschichte gekommen, als 40 Tonnen hochgiftiges Methylisocyanat aus der Pestizidfabrik des US-Konzerns Union Carbide austraten – mitten in einem Slum. 8000 Menschen starben allein in den ersten Tagen an den Folgen der Katastrophe. Bis zu 500 000 Menschen atmeten das Giftgemisch ein, 100 000 sind chronisch krank. Heute leben noch Zehntausende um das verseuchte Gelände. Hilfsorganisationen berichten über vermehrte Fehlgeburten und Missbildungen bei Neugeborenen. Doch Indien hat ein technisches Problem: Laut Experten können seine Anlagen den Giftmüll nicht entsorgen – sie würden die Toxine in die Atmosphäre pusten.

Verbrennungsanlagen in Deutschland aber könnten den Giftmüll rückstandslos vernichten. Umweltschützer halten es trotzdem für riskant, das Gift um den halben Erdball zu karren. Besser wäre es, vor Ort eine Anlage zur Entsorgung zu errichten, heißt es bei Greenpeace. Ungeklärt ist, wie gefährlich die Rückstände sind. Laut indischen Medien haben die 350 Tonnen nichts mit dem Gasunglück selbst zu tun. Es könnte sich um hochgiftige Reste aus der Pestizid-Produktion handeln, die vor 1984 auf dem Gelände abgeladen wurden.

Delhi versicherte, die Entsorgung zu bezahlen. Die Stadt will das Geld vom US- Konzern Dow Chemical zurückverlangen, der Union Carbide 2001 gekauft hatte. Die Aussichten auf Erfolg sind aber fraglich. Union Carbide hatte 1989 einmalig 489 Millionen Dollar Entschädigung gezahlt, Indien stimmte dem damals zu.

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