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Selfie mit Hahn: Am Samstag beginnt nach dem Mondkalender in Asien ein neues Jahr – und damit gilt auch das Tierkreiszeichen des Feuerhahns.

© dpa

Chinesisches Neujahrsfest: Wenn der Feuerhahn kräht

Hunderte Millionen Chinesen reisen zum Neujahrsfest nach Hause – dort können allerdings unangenehme Fragen auf sie warten.

Die chinesische Verkehrspolizei in Wuhu in der Provinz Anhui traute ihren Augen nicht, als sie in der vergangenen Woche auf ihre Überwachungskameras blickte: Seelenruhig radelte ein Mann auf dem Seitenstreifen einer dreispurigen Autobahn. Als die Beamten den Radfahrer wenig später stoppten, trauten sie laut Medienberichten auch ihren Ohren nicht mehr: Der Wanderarbeiter war im Dezember in Rizhao in der Provinz Shandong losgefahren und wollte am heutigen Samstag zu Beginn des chinesischen Neujahrsfestes in Qiqihar in der Provinz Heilongjiang angekommen sein. Das bedeutet: Der Mann ist wochenlang insgesamt 500 Kilometer in die falsche Richtung nach Süden gefahren, sein Zielort liegt stattdessen 2450 Kilometer nordöstlich.

Einmal im Jahr nehmen Chinesen größte Anstrengungen auf sich, um das Chinesische Neujahrsfest in ihrem Heimatort im Kreise der Familie zu feiern. Für viele Wanderarbeiter bietet es die einzige Gelegenheit, um ihre Angehörigen zu treffen. Für manche Eltern ist es sogar die einzige Zeit im Jahr, die bei Verwandten zurückgelassenen Kinder zu sehen. Mit dem Fahrrad fahren allerdings die wenigsten. Insgesamt 356 Millionen Chinesen, so lauten Schätzungen, werden in diesem Jahr den Zug nehmen, 58,3 Millionen fliegen nach Hause. Insgesamt erwartete die chinesische Regierung rund um das wichtigste Fest des Jahres 2,98 Milliarden Reisebewegungen. Es ist damit nichts weniger als die größte menschliche Migrationsbewegung pro Jahr.

In den 15 Tagen ab dem 28. Januar werden Chinas sonst so quirlige Millionenstädte nahezu zum Stillstand kommen. In diesem Jahr sollte auch das Feuerwerk in der Neujahrsnacht kleiner ausfallen. Die Regierung hat weniger Verkaufsstellen für Raketen und Böller lizensiert, um die Luftverschmutzung zu reduzieren. Die Luftqualität in Peking und vielen anderen Städten war zuletzt so schlecht, als hätten die Menschen dort täglich ein riesiges Feuerwerk abgebrannt.

Die Werte für gesundheitsgefährdenden Feinstaub lagen Anfang Januar tagelang um ein Vielfaches über den internationalen Grenzwerten. Die Regierung drohte daher laut „China Daily“, bei orangem oder rotem Luftverschmutzungsalarm den gesamten Verkauf von Feuerwerk zu verbieten. „Wir werden der Polizei gehorchen“, zitiert die Zeitung einen Verkäufer namens Wang, „aber als Händler hoffen wir natürlich, dass die Luft sauber bleibt.“

Zu Hause müssen viele Chinesen ihrer Verwandtschaft beruflichen und privaten Erfolg zeigen

Wer nach Hause fährt, steht mitunter auch unter großem sozialen Druck. Es gilt, der Verwandtschaft und den Nachbarn beruflichen und privaten Erfolg zu vermitteln. Üppige Geschenke sind daher die Regel, die Hersteller von Luxusartikeln verzeichnen vor dem Neujahrsfest die größten Umsätze des Jahres. Und auch Dating-Apps wie „Hire Me Plz“ boomen. Diese vermittelt jungen Chinesen für die Zeit des Neujahrsfestes einen Fake-Partner. Dieser spielt der Familie eine Beziehung vor und erspart dem Kunden unangenehmen Fragen und Belehrungen: Etwa, warum er oder sie noch keinen Partner gefunden habe oder warum eine Hochzeit und die Fortführung der Familie so wichtig sei. Es ist ein relativ neues Geschäftsmodell. „Über 1000 Nutzer haben sich als Begleitung für das Chinesische Neujahr angeboten“, sagt „Hire Me Plz“-Gründer Cao Tiantian der Nachrichtenagentur „Reuters“. Oft haben junge, vielbeschäftigte Chinesen zu wenig Zeit und Gelegenheit, einen Partner zu finden. Das dürfte sich auch im kommenden Jahr nicht ändern.

Das Jahr des Hahnes, das am Samstag begonnen hat, ist diesmal auch mit dem Element des Feuers verbunden. Ein solches Feuerhahn-Jahr gilt als Weckruf für die Karriere, wer in diesem Zeitraum geboren ist, gilt als besonders vertrauenswürdig, pünktlich, fleißig und zuversichtlich. Er soll auch besonders verantwortlich handeln. Der Hongkonger Wahrsager Choi Park Lai warnt allerdings in der „South China Morning Post“ vor Konflikten und heftigen Auseinandersetzungen im Monat Mai. „August und Oktober werden ebenfalls schwierig, dafür wird der Rest des Jahres relativ stabil“, sagt der 95 Jahre alte Wahrsager.

Für den in die falsche Richtung aufgebrochenen Radfahrer aus Rizhao war auch der Januar schon schwierig. Er habe in Internetcafés viel Geld ausgegeben und habe sich daher kein Zugticket leisten können, gab er nach Medienberichten an. Einige Nutzer fragten sich zurecht, warum der Fahrradfahrer sich vor Reiseantritt im Internet keine Landkarte angesehen habe. Trotzdem hatte der Wandererarbeiter Glück: Polizisten und Angestellte einer Autobahnmautstation legten zusammen – und spendierten ein Zugticket nach Hause.

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