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Ulmen

© Promo, Constantin

Christian Ulmen: Anarcho und Nichtschwimmer

Verlacht und konsterniert gibt sich Christian Ulmen in seinem neuen Film. Und seine Trash-Figuren entwickeln Eigenleben.

Von Anna Sauerbrey

Jan ist eigentlich ein Weichei. Er ist blass und schlaksig, hat das Seepferdchen nicht geschafft, verträgt keine Meeresfrüchte, in welchem glibberigen Format sie auch serviert werden. Jan liebt Ruhe und Ordnung. Der italienischen Familie, mit der er anlässlich seiner Hochzeit mit einer Halbitalienerin konfrontiert wird, hat er praktisch nichts entgegenzusetzen. Eine Stunde und fünfzehn Minuten lässt sich Christian Ulmen in der Verfilmung von Jan Weilers autobiografischen Erzählungen „Maria, ihm schmeckt’s nicht!“ als Jan abknutschen und überfüttern, verspotten und aus der Küche schicken, bis auch dem höflichen Vorzeigeschwiegersohn der Geduldsfaden reißt: Er flieht.

Am 6. August hat Ulmens jüngstes Kinoprojekt Premiere, und er spielt diesen passiven Typen, dem die Welt eher widerfährt, als dass er ihr begegnet, wieder einmal brillant. Fast könnte man meinen, er strebe an, zum Meister des Verdrucksten zu werden. Zumindest in Film- und Fernsehrollen hat sich Ulmen vom Enfant terrible der Trash-Glotze zu einem Schauspieler gemausert, der mit reduziertem, sensibel-komischem Spiel in sanften, introvertierten, verhinderten Rollen brilliert. Mit dem typisch konsternierten Ulmen-Blick spielte er in den letzten Jahren schon den in Berlin verlorenen Herrn Lehmann nach Sven Regeners Roman und den von seinen beinharten Kollegen verlachten Polizeipsychologen Max Munzl in der Fernsehserie „Dr. Psycho“. Er war beziehungsüberforderter Edelfischhändler in Doris Dörries „Der Fischer und seine Frau“ und introvertierter Molekularbiologe in der Verfilmung von Michel Houellebecqs „Elementarteilchen“.

Kein Wunder, dass Ulmen der Wunschkandidat von Autor Jan Weiler und Produzent Jakob Claussen war, als sie 2004 zum ersten Mal über die Verfilmung des Millionen-Bestsellers sprachen.

Doch auch der Anarcho-Ulmen, der früher schon bei MTV dafür bekannt war, Schmerzgrenzen der Peinlichkeit mit einer Selbstverständlichkeit zu überschreiten wie andere ihre eigene Türschwelle – auch der existiert noch, zurzeit vor allem im Internet. Zuletzt hatte er für Pro7 in der Serie „Mein neuer Freund“ renitente Charaktere entwickelt und verkörpert. Kandidaten, die es schafften, ein Wochenende an der Seite Ulmens etwa als Knut Hansen zu ertragen, winkten 10 000 Euro. Einige dieser Charaktere treiben nach der Absetzung der Sendung im Internet weiter ihr Unwesen, in neuen Folgen auf Ulmens eigener Plattform Ulmen-TV.

Und der echte Ulmen? Ist wahrscheinlich ein bisschen von beidem. „Er ist ein sehr netter, hilfsbereiter junger Mann“, sagt Lino Banfi über Ulmen. Der italienische Schauspieler und Komiker spielt in „Maria, ihm schmeckt’s nicht!“ Antonio, Jans zukünftigen italienischen Schwiegervater, der sich spätestens in Italien als Geißel entpuppt. Ulmen habe ihm beim Spicken geholfen – Banfi spricht eigentlich kein Deutsch. Aber auch für Verwirrung sorgte Ulmen am Set, wenn er hinter der Kamera spontan die Rollen wechselte, berichtet seine Filmpartnerin Mina Tander. Einige Kollegen wussten offenbar nicht, wie sie den begnadeten Improvisationskomiker nehmen sollten.

Ulmen selbst ist froh über die regelmäßige Abwechslung zwischen Improvisation und Dreh nach Drehbuch: „Nach einem Film ohne Improvisation sehne ich mich schon danach, wieder eine Figur zu spielen, wo man die Leine loslässt, wo die Figur losläuft“, sagt der Schauspieler. Das Chaos, das durch seine Figuren entsteht, ist allerdings ein kontrolliertes. Die italienische Art und Weise, einen Film zu machen, die Ulmen in der Zusammenarbeit mit den italienischen Kollegen am Set von „Maria, ihm schmeckt’s nicht!“ kennengelernt hat, ist seine Sache nicht: Nicht einmal ein fester Tagesplan für den Dreh sei in Italien üblich. Ulmen ist da Profi. „Ist doch auch schön, wenn man sagt, wir treffen uns um acht, und um acht sind alle da. Es ist uncooler, aber die Italiener können ja auch nerven mit ihrer Lockerheit“, meint er. Das seien deutsche Eigenschaften, die er mit der Filmfigur Jan durchaus teile: „Ich bin blass und pünktlich.“

Nach der Logik der Abwechslung wird sich Ulmen nach „Maria, ihm schmeckt’s nicht!“ und den fast abgeschlossenen Dreharbeiten zum Krimiklassiker „Jerry Cotton“ im Herbst wieder verstärkt dem Eigenleben seiner Improvisationsfiguren widmen. Uwe Wöllner zum Beispiel hat gerade eine Autobiografie verfasst, Titel: „Für Uwe“, sie erscheint am 17.7. Für eine Werbeaktion des FC Bayern und Adidas hat Ulmen außerdem den nördlichsten Bayern-Fan der Republik, Frerk Ohm entwickelt, der im Juli zwölfter Mann beim FC Bayern werden will. Ob es ihn, den eingefleischten Hertha-Fan, geschmerzt hat, ein Bayern-Trikot anzuziehen? „Ich habe mich als Knut Hansen schon mit Jägermeister und Knoblauch eingerieben, dann kann ich mir auch ein Bayern-Trikot anziehen“, sagt Ulmen.

www.ulmen.tv

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