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Panorama: Concorde-Absturz: Ex-Minister Baum vertritt Angehörige

Bei der Concorde-Katastrophe am 25. Juli in Paris starben 100 deutsche Urlauber - darunter acht aus Berlin und zwei aus Potsdam.

Bei der Concorde-Katastrophe am 25. Juli in Paris starben 100 deutsche Urlauber - darunter acht aus Berlin und zwei aus Potsdam. Jetzt wollen die Hinterbliebenen vors Gericht ziehen. Weil das deutsche Schadensersatzrecht im Extremfall nur den Ersatz der Bestattungskosten vorsieht, will ein Kreis von Juristen um den ehemaligen Bundesinnenminister Gerhart Baum, die im Luftfahrtsrecht erfahren sind, notfalls vor ein amerikanisches Gericht ziehen. Dort sind wesentlich höhere Entschädigungszahlungen für die Angehörigen üblich als in Europa.

Über die konkrete Höhe der Forderungen wollten die Anwälte, die Angehörige von 40 Opfern vertreten, gestern auf einer Pressekonferenz in Berlin keine Angaben machen. Da der Zielort des Fluges New York war, ist auch gegen die Air France eine Klage vor einem US-Gericht möglich, sagte der Berliner Luftrechtler Elmar Giemulla. Zunächst hoffen die Anwälte jedoch auf eine gütliche Einigung mit der Fluggesellschaft, die den Hinterbliebenen pro Opfer bisher 42 000 Mark Soforthilfe zahlte. Am Mittwoch wurde in Paris ein erstes Gespräch geführt.

Mit ihrer Forderung stützen sich die Juristen auf das französische und amerikanische Recht, wo im Gegensatz zu Deutschland ein Ersatz des immateriellen Schadens vorgesehen ist. An den Gesetzgeber appellierten die Experten, die deutschen Bestimmungen endlich zumindest dem europäischen Standard anzupassen.

Wie berichtet, hatte nach dem vorläufigen Untersuchungsbericht ein auf der Startbahn liegendes Metallstück einen Reifen der Concorde zum Platzen gebracht. Dessen Teile durchlöcherten den Tragflächentank des Überschalljets. In den 80 Sekunden bis zum Absturz flossen rund 17 Tonnen Kerosin aus dem Leck und gingen sofort in Flammen auf, so Rechtsanwalt Ulrich von Jeinsen. Seit 1979 - drei Jahre nach der Inbetriebnahme - habe es bei der Concorde mindestens 70 Zwischenfälle mit geplatzten Reifen gegeben. In zumindest sechs Fällen seien erhebliche Schäden an den Tragflächen entstanden. "Dass es in den 24 Jahren Linienbetrieb nicht früher zu einer solchen Katastrophe gekommen ist, grenzt an ein Wunder", sagte der Luftrechtsexperte Roland Schmid. Deshalb stelle sich die Frage der Haftung des französischen Staates, der den Überschalljet nicht früher aus dem Verkehr gezogen hatte.

Schlamperei, so glauben die Anwälte, könnte auch beim primären Auslöser der Katastrophe eine Rolle gespielt haben. Das Metallstück auf der Startbahn stammte offensichtlich von der Schubumkehreinrichtung eines Triebwerks eines DC-10-Großraumjets der Continental Airlines, der unmittelbar vor der Concorde gestartet war. Recherchen der Anwälte ergaben, dass seit 1993 bereits in 50 Fällen Flugzeuge mit Triebwerken dieses Typs - die auch beim Airbus A 300 Verwendung finden - exakt dieses Teil verloren hatten. Continental hatte am fraglichen Flugzeug das Metallband nach einem vorangegangenen Verlust erst am 9. Juli, 16 Tage vor der Katastrophe von Paris, ersetzt, so der amerikanische Rechtsanwalt Steve Marks. Damit rücken zusätzlich nicht nur der Concorde-Hersteller Aerospatiale und der amerikanische Reifenproduzent Goodyear ins Visier der Anwälte, sondern auch die US-Fluggesellschaft und Firmen, die am Bau der DC-10 und ihrer Triebwerke beteiligt sind.

Indessen gehen die Anwälte gegen eine Reihe von Medien wegen Verletzung der Persönlichkeitsrechte von Betroffenen bei Berichten über den Absturz vor. Am 19. September befasst sich auch der Deutsche Presserat damit.

Rainer W. During

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