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Panorama: Concorde: Für den Fotograf Wolfgang Tillmans ist die Maschine ein "supermoderner Anachronismus"

Der Start einer Concorde ähnelt einem Tagtraum: ein paar Wimpernschläge nur, und sie ist verschwunden. Was eben noch ein kleiner Fleck auf einer Rollbahn war, hängt plötzlich als dunkler Schatten über uns, um einen Moment später wieder nur ein kleiner Fleck zu sein, der nichts als einen leeren Himmel hinterlässt.

Der Start einer Concorde ähnelt einem Tagtraum: ein paar Wimpernschläge nur, und sie ist verschwunden. Was eben noch ein kleiner Fleck auf einer Rollbahn war, hängt plötzlich als dunkler Schatten über uns, um einen Moment später wieder nur ein kleiner Fleck zu sein, der nichts als einen leeren Himmel hinterlässt. Man muss schon genau hinschauen, um so einen Start nicht zu verpassen. Der Fotograf Wolfgang Tillmans hat genau hingeschaut. Seine Fotos, die er im Bildband "Concorde" (Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln, 38 Mark) versammelt, zeigen immer wieder dasselbe: eine Concorde, die vom Londoner Flughafen Heathrow in Richtung New York abhebt. Wie sie gravitätisch aufsteigt über Häuserdächern, Baumwipfeln, einer Tankstelle. Wie sie hochstößt zum Horizont und ihn zu durchschneiden scheint. Wie sie im Nichts verschwindet.

"Die Beobachtung der Concorde in der Luft, landend oder startend, ist ein merkwürdiges und kostenloses Spektakel", schreibt Tillmans, "ein supermoderner Anachronismus und ein Bild für den Wunsch, Zeit und Entfernung durch Technologie zu überwinden." Bei einigen seiner Fotos möchte man die Augen zusammenkneifen, um das klitzekleine Superlativflugzeug besser erkennen zu können. Und man glaubt den Überschnallknall zu hören, den die mit Mach 2,2 fliegende Maschine hinterlässt. Tillmans hat die Concorde aus der Perspektive eines Kindes fotografiert: mit staunenden Augen und in den Nacken gebogenem Kopf. Nach dem Absturz von Paris, bei dem 104 Menschen starben, schauen wir mit einem anderen Blick auf die Concorde.

Die Concorde stand für einen Mythos: Geschwindigkeit ist keine Hexerei, sondern ein Ingenieursproblem. Als am 2. März 1969 die erste Concorde in Toulouse startete, hat sie die Thesen des französischen Philosophen Paul Virilio um knapp 20 Jahre vorweggenommen: "Alles ist Geschwindigkeit" und "die Geschwindigkeit lässt die Wirklichkeit verschwinden". Kein Flugzeug war schneller, keines war teurer, keines war lauter. Im eigentümlichen Design des 2200-km/h-Flugzeuges mit seinem triangelförmigen Tragflächen und der spitz zulaufenden Nase mischen sich Science Fiction und Pragmatismus. Der Concorde-Passagier besteigt eine pfeilförmige Rakete, die ihn durch die Lüfte schießen wird. In den letzten Jahren war derartiges Design wieder zunehmend chic geworden. Zukunftsnostalgie: Wir sehnen uns zurück in eine Vergangenheit, die noch Zukunft hatte.

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