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Panorama: Cowboys am Lenkrad

Skandal um Testfahrer in Schweden weitet sich aus

Stockholm - Die Kritik war schon immer groß an den fast 1000 „deutschen Cowboys auf Rädern“, die jeden Winter neue Automodelle auf den Straßen Lapplands erproben und sich abends im Hotel zu feuchtfröhlichen Runden versammeln. Seit die 45-jährige Åse Svennson, Mutter zweier Kinder, am Dienstag vor ihrer Arbeit in der örtlichen Tankstelle einen Spaziergang machte und durch einen Mercedes-Testfahrer in einem S-Klasse-Auto getötet wurde, schlägt die Kritik in Bitterkeit und Wut um. „Das war so unnötig“, sagt ihr Lebenspartner Erik, der während der Arbeit in den Lokalnachrichten von einem Unglück hörte. Am Folgetag des Unglücks hatte der Autokonzern noch keinen Kontakt zur Familie der verstorbenen Frau aufgenommen.

Der Zorn ist groß. Daimler-Chrysler solle aufhören, die Schweden zu belügen, forderte die größte skandinavische Tageszeitung „Aftonbladet“. Dass der 32-jährige Testfahrer nur 55 bis 60 Stundenkilometer gefahren sei, glauben auch die ermittelnden Polizisten nicht: „Sie sind zu schnell gefahren, da bin ich mir sicher. Die Frau hatte keine Chance“, sagte Bengt-Ove Nylen, der zuerst am Unfallort war. „Wenn der Fahrer bei dieser Geschwindigkeit tatsächlich ins Rutschen gekommen ist, hat Mercedes ein ernstes Problem mit diesem neuen Luxusauto“, sagt der bekannte schwedische Autoexperte Robert Collin und findet es verdächtig, dass die Testcomputer in den Autos nicht sofort der Polizei übergeben wurden.

Verlautbarungen des schwedischen Sprechers von Daimler-Chrysler wirken widersprüchlich: Nach dem tödlichen Unglück sagt Sverker Dahl dem „Aftonbladet“: „Das war kein Test und der Fahrer war kein Testfahrer. Deshalb war der Testcomputer nicht angeschlossen.“ Nachdem Augenzeugen berichteten, die Testfahrer hätten in der Aufregung während der Rettungsarbeiten alle Messgeräte aus dem Wagen entfernt, sagt Dahl später: „Wir haben Angst um unsere Geräte, weil sie sehr teuer sind. Wenn die Polizei gesagt hätte, dass wir sie im Auto lassen sollen, hätten wir sie nicht entfernt.“

„Die Testfahrer sind hier wohlbekannt. Die fahren eng aufeinander, sie fahren schnell und sie nehmen keine Rücksicht“, sagt der seit 15 Jahren im Ort wohnende Erik Åsén. Die örtliche Polizei betonte, dass es bei deutschen Testfahrern häufiger zu Verstößen gegen die in Schweden niedrigere Alkoholgrenze von 0,2 Promille gekommen war. Auf Hinweise hätten sie „nachlässig reagiert und wollten gar nicht mit uns reden", sagte ein Polizeisprecher im Rundfunk.

André Anwar

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