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Daniela Schadt im Interview: „Bei Unsinn schützt der schönste Hut nicht vor Kritik“

Deutschlands „First Lady“ Daniela Schadt über Kleiderfragen, Frauenquoten und wie schwer es manchmal fällt, mit der eigenen Meinung hinterm Berg zu halten.

Frau Schadt, Sie waren viele Jahre politische Journalistin in Nürnberg. Nun sind Sie First Lady und arbeiten im Schloss Bellevue. Wie schwer ist so ein Wechsel?

Der Wechsel bedeutete schon eine große Veränderung für mich. Aber ich habe mir gedacht: Wäre ich aus anderen Gründen von Nürnberg nach Berlin umgezogen, hätte ich mir hier auch einen neuen Job bei einer Zeitung suchen müssen. Das wäre ebenfalls nicht ohne Veränderung möglich gewesen. Man ist ja irgendwie vertraut mit den Abläufen in seinem Alltag, und wenn die sich dann verändern, muss man immer erst mal schlucken. Aber ich kenne mittlerweile die Abläufe hier, weiß etwa, wie Staatsbesuche und andere offizielle Termine funktionieren, und kann wohl sagen, ich bin angekommen.

Gibt es Unterschiede zwischen dem Beruf und dem Ehrenamt?

Ich bekleide ja streng genommen gar kein Amt. Ich habe auch noch keinen wirklich guten Begriff für das, was ich tue, gefunden. Vielleicht passt: Funktion?

Arbeiten Sie 40 Wochenstunden oder ist das eher ein Halbtagsamt?

Man ist zeitlich ganz anders beansprucht, als in einem normalen Beruf. So eine Woche hier ist sehr zerklüftet. Heute Vormittag zum Beispiel waren die Partnerinnen und Partner von Diplomaten zu einem Empfang im Schloss Bellevue, danach steht Büroarbeit an. Dann gibt es Tage, da hast du morgens den Besuch einer karitativen Einrichtung oder einer Schule auf dem Programm und abends dann noch einen Termin mit dem Bundespräsidenten. Manchmal gehe ich um 17 Uhr nach Hause, manchmal erst um 22 Uhr. Oft fahre ich zwischendurch nach Hause, weil ich mich für den nächsten Termin umziehen muss. Und manchmal habe ich einfach frei.

Vermissen Sie Ihr früheres Leben?

Ja, ich vermisse es gelegentlich, weil ich sehr gerne Journalistin war. Aber ich werde durch die Begegnungen mit vielen interessanten Menschen entschädigt. Die Leute, die ich jetzt treffe, haben eine große Energie. Sie helfen anderen, sie engagieren sich und das gibt ihnen eine außerordentlich positive Ausstrahlung, die mich manchmal richtig mitreißt. Ungezählte Frauen und Männer in diesem Land setzen sich für andere Menschen, für Umwelt, Kultur oder Sport ein, aber nicht immer wird ihr Einsatz ausreichend gewürdigt. Dabei erfordert es eine Menge Kraft, dafür zu sorgen, dass die Welt, in der man lebt, zumindest im Kleinen etwas besser wird.

Und das macht glücklich?

Glück ist ein großes Wort, aber es macht sehr viel Freude. Für mich als Journalistin ist es zudem ein Perspektivwechsel und insofern eine neue Erfahrung. Es gehört zu den zentralen Aufgaben der Medien, die Dinge aufzugreifen, die nicht funktionieren. Aber zur Wahrheit gehören eben beide Seiten, also auch die Seite, auf der es gut läuft.

Sie waren bis jetzt ein sehr politischer Mensch. Nun sind Sie wahrscheinlich diejenige Bürgerin im Land, die als Letzte ihre politische Meinung ganz und gar offen aussprechen kann. Wie ist es, sich unentwegt auf die Zunge beißen zu müssen?

Manchmal fällt es mir tatsächlich schwer, mit meiner Meinung zu dieser oder jener Frage in der Öffentlichkeit hinterm Berg zu halten. Ich bin ja nach wie vor ein politisch denkender Mensch und ich reg’ mich auch so schrecklich gerne auf! Aber erstens gilt für mich wie für andere das Grundgesetz und damit die Meinungsfreiheit – und von der mache ich, wenn auch vorsichtiger als früher, Gebrauch. Und zweitens leuchtet mir ein, dass ich nicht vor großem Publikum aufspringen und laut losschimpfen kann, wenn ich meine, dass in Politik und Gesellschaft etwas falsch läuft. Das passt eben nicht zu meiner jetzigen Funktion.

Beraten Sie politische Fragen mit dem Bundespräsidenten?

Natürlich führen wir auch Gespräche über politische Fragen, aber Beratung würde ich das nicht nennen. Der Präsident denkt selbst und wird von hochkompetenten Fachleuten im Amt beraten.

Macht Joachim Gauck seine Sache gut?

Ich bin etwas befangen in meinem Urteil. Aber ich finde, er macht sie gut.

Träumen Sie manchmal davon, unter falschem Namen eine politische Kolumne schreiben zu können?

Ganz ehrlich: ja. Aber ich würde das nicht tun.

Zu Ihrer Funktion gehört das Repräsentieren. Wie viel Zeit verbringen Sie mit dem Aussuchen und Kaufen Ihrer Kleider?

Ich glaube, absolut gesehen nicht so viel. Gemessen an meinem früheren Leben, kommt allerdings schon einiges zusammen …

Wer sagt Ihnen, welche Kleidung zu welchem Anlass getragen wird?

Es gibt ein paar Grundregeln, die man mir hier erläutert hat. Ich wusste zum Beispiel nicht, dass ein Kleid offizieller ist als ein Kostüm. Aber dass man beim Besuch von Flutopfern keine High Heels und bei Königin Elizabeth nichts Punkiges anzieht, das sagt einem doch der gesunde Menschenverstand.

Bis vor einem Jahr hat man Sie an Ihren intellektuellen Fähigkeiten gemessen, an dem, was Sie im Kopf haben. Nun steht im Vordergrund, wie das aussieht, was Sie auf dem Kopf tragen. Stört das eine gestandene berufstätige Frau wie Sie?

Das Aussehen gehört nun mal auch zum repräsentativen Teil meines jetzigen Lebens. Denn ich vertrete an der Seite des Bundespräsidenten das Land. Das heißt aber keineswegs, dass ich nach jedem Termin im Internet recherchiere, ob mein Kleid den Stil-Test bestanden hat. Das liegt mir nicht. Außerdem bezweifle ich, dass die Öffentlichkeit vor allem interessiert, was ich auf dem Kopf trage. Wenn man Unsinn redet, schützt einen auch der schönste Hut nicht vor Kritik.

Ihre Vorgängerin Bettina Wulff trug anfangs mal ein sehr gewagtes Outfit und hat dafür in der Presse viel Kritik bekommen. Fürchten Sie so eine öffentliche Kritik an Ihrem Aussehen?

Ich versuche, mir nicht so viele Gedanken über diese Dinge zu machen. In den letzten 26 Jahren bin ich mit Jeans auf dem Fahrrad in die Redaktion gefahren. Das ist nun erst mal vorbei. Natürlich möchte ich angemessen und gut aussehen. Wenn die Leute am Fernseher sitzen und sagen: Um Himmels willen, wie sieht die denn aus, dann ist das nicht nur für mich unangenehm. Aber ein bisschen drollig finde ich es manchmal schon, wenn ich mich heute im Spiegel sehe und an früher denke.

Bekommen Sie Geld für Ihre Kleidung oder sponsert sie Ihnen jemand?

Nein. Der Bundespräsident erhält eine Aufwandsentschädigung, und die muss auch meine Garderobe abdecken. Es ist ja auch keineswegs so, dass ich gezwungen bin, immer etwas anderes anzuziehen. Der Trend zum Einwegkleid hat sich zum Glück hier nicht durchgesetzt – zumal bei den meisten meiner Termine gar keine Kameras dabei sind.

Empfinden Sie es noch als zeitgemäß, dass die Frau des Bundespräsidenten uneigennützig und ohne eigenes Einkommen ehrenamtlich tätig ist?

Das Amt des Bundespräsidenten ist so besonders, dass es wahrscheinlich gar nicht anders geht. Ich habe eine ganze Weile lang überlegt, ob ich einer anderen Tätigkeit nachgehen kann, und bin dann zu der Überzeugung gekommen, dass das – schon wegen der sehr unregelmäßigen Arbeitszeiten – nicht funktionieren würde. Außerdem habe ich mich entschlossen, diese Rolle jetzt auszufüllen. Als Modell würde ich die Variante „Der Mann macht Karriere, die Frau verdient kein eigenes Geld“ nicht empfehlen. Aber ich hadere kein bisschen mit meiner Funktion.

Sie könnten ein eigenständiges Amt einer deutschen „First Lady“ führen. Mit eigener Agenda und eigenem Einkommen. Ist das kein Anspruch einer emanzipierten und selbstständigen Frau im 21. Jahrhundert?

Noch mal: Ich empfinde meine ehrenamtliche Tätigkeit als überaus interessant. Es gibt so viel Neues zu entdecken, dass sie mich wirklich ausfüllt. Meine jetzigen Aufgaben betrachte ich als eine Art „eigene Agenda“. Und dass mit dieser Funktion kein eigenes Einkommen verbunden sein würde, wusste ich ja.

Als Bill Clinton und seine Frau Hillary ins Weiße Haus strebten, warben sie mit dem Slogan „Get two for the price of one“. Wäre das kein Vorbild für Deutschland?

Da bin ich eher skeptisch. Von den Bürgern gewählt werden ja die Politiker und nicht deren Partner. Und auch ich bin von niemandem in diese Funktion gewählt worden, also halte ich mich zurück. Das ist übrigens keine Genderfrage. Bei einer Präsidentin wäre ich auch nicht begeistert, wenn plötzlich deren Ehemann oder Partner mitmischen würde.

Frau Schadt, wie verfolgen Sie die aktuelle Diskussion über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die Karrierechancen von Frauen?

Ich beobachte die Diskussion sehr intensiv. Zum Glück bewegt sich da viel. Auch wenn ich manchmal darüber schmunzeln muss, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf fast nur als Problem der Frauen und Mütter diskutiert wird. Wir wären ein Stück weiter, wenn es – etwa bei Einstellungsgesprächen – auch eine Frage an die Männer wäre. Denn gerade junge Männer suchen immer häufiger nach Wegen, sich stärker in das Familienleben einzubringen und sich Kindererziehung und Haushalt mit ihren Frauen zu teilen.

Darf eine „First Lady“ in einem Interview sagen, ob sie für oder gegen eine Quote für Frauen in Führungspositionen ist?

Ehrlich gesagt: Ich weiß es nicht.

Lassen Sie es uns versuchen: Braucht Deutschland eine „Quote“ für Frauen in Führungsetagen?

Dass Frauen in diesen Etagen eklatant unterrepräsentiert sind, ist klar, und dass das nichts mit mangelnder Qualifikation zu tun hat, auch. Ich bin, ehrlich gesagt, kein großer Fan von Quoten, aber vielleicht lässt sich die Entwicklung zu mehr Chancengerechtigkeit damit zumindest beschleunigen, auch wenn es keine Ideallösung ist. Was mich an der Debatte allerdings irritiert, ist die Konzentration auf Vorstandsposten in den Dax-Konzernen. Wieso nicht im öffentlichen Dienst oder in kommunalen Bereichen wie Wasserwerken oder Verkehrsbetrieben – alles wahrlich wichtige Unternehmen, wo so ein politisches Signal leichter umzusetzen wäre. Auch dort gibt es noch lange nicht genügend Frauen an der Spitze. In den Medien übrigens auch nicht.

Ihre Vorgängerin hat ihre Rolle als „First Lady“ nach der Zeit im Schloss Bellevue in einem Buch beschrieben. Denken auch Sie an so etwas?
Ich habe als Journalistin so viel geschrieben, das dürfte erst mal reichen.

Das Gespräch führten Elisabeth Binder und Antje Sirleschtov. Das Foto machte Thilo Rückeis.

DIE JOURNALISTIN

Nach dem Studium volontierte die in Hanau geborene Daniela Schadt bei der „Nürnberger Zeitung“, wo sie zuletzt als Ressortleiterin Innenpolitik tätig war. In dieser Position galt sie als kämpferisch, meinungsstark und humorvoll. Die Beziehung der heute 53-Jährigen mit Joachim Gauck begann 2000 nach einem Vortrag des damaligen Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen in Nürnberg.

DIE „FIRST LADY“

Mit der Wahl Joachim Gaucks zum Bundespräsidenten gab Daniela Schadt ihren Beruf auf, um an der Seite ihres Lebenspartners als „First Lady“ zu repräsentieren. Unter anderem ist sie Schirmherrin von Unicef und des Müttergenesungswerks.

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