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Panorama: Das Eis ist nicht ewig

Wolfgang Rack kann es nicht fassen. Drei Mal war er auf dem Eis.

Von Andreas Oswald

Wolfgang Rack kann es nicht fassen. Drei Mal war er auf dem Eis. Jetzt ist alles weg. Alle Messgeräte, die er zurückgelassen hat, um die Entwicklung des Eises weiter zu verfolgen, sind im Meer verschwunden.

Wolfgang Rack ist Glaciologe, ein Wissenschaftler in Bremerhaven, der Eis untersucht. Gletschereis, Schelfeis, Eis aller Art. Sein Lieblingsobjekt war der "Larsen-B-Iceshelf", zu dem er immer wieder Abenteuerfahrten unternommen hatte.

"Larsen B" gibt es nicht mehr. Groß wie das Saarland war der riesige Eisbrocken, der sich von der Antarktis abgelöst hat und völlig verschwunden ist. Zerbrochen erst in tausende Stücke, dann geschmolzen. Grafik: Schollengrenzen seit 1995 Der Vorgang ist in seiner Dimension einmalig. "Seit Ende der Eiszeit vor 12 000 Jahren hat es keinen nachweisbaren Fall wie diesen gegeben", sagt Rack.

720 Milliarden Tonnen wog der Eisklumpen. Steigt jetzt der Meeresspiegel? Schmilzt die ganze Antarktis, das größte Eisreservoir der Welt? Woher kommt der warme Winter bei uns? Ist die Klimakatastrophe noch abzuwenden? Die Bilder vom Eis eignen sich zu hysterischen Reaktionen. Ist wirklich die globale Erwärmung schuld?

Wissenschaftler sind vorsichtig. Wolfgang Rack arbeitet am Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven. "Es ist ein einmaliges Ereignis und hat mit globaler Erwärmung nichts zu tun", ist er sich sicher. Der Larsen-B-Shelf lag an einer Halbinsel, die weit ins Meer hineinragt. Dort - und nur dort - hat sich die Temperatur in den letzten 50 Jahren um etwa zwei Grad erhöht. Nicht jedoch in der übrigen Antarktis. Dort kommen "Kalbungen" - so nennen die Wissenschaftler das Abbrechen von Schelfeis - in dieser Dimension nicht vor. Das Abbrechen von Eisbergen ist ein ganz normaler Vorgang. Schneefälle drücken auf das Eis, das Eis wandert in Richtung Meer, schiebt sich als Schelfeis teilweise mehrere Hundert Kilometer weit hinaus auf die Wasseroberfläche und bricht schließlich an den Rändern in größeren und kleineren Eisbergen ab.

Immer wieder haben Organisationen wie Greenpeace größere Ablösungen zum Anlass genommen, auf die globale Erwärmung hinzuweisen. Doch ein Beleg dafür sind die Eisbrocken nicht. Wissenschaftler sind sich in diesem Punkt einig. Dazu reichten die bisherigen Daten nicht aus, sagt Klimaforscher Mojib Latif vom Hamburger Max-Planck-Institut für Klimaforschung.

Dennoch könnte der Vorgang ein Hinweis auf globale Erwärmung sein. Die These: Erwärmung führt zu höherer Luftfeuchtigkeit, diese zu mehr Niederschlägen auch in der Antarktis, die Gletscher werden größer und drücken mit verstärkter Kraft die Eismassen ins Meer, die dann in größeren Teilen wegbrechen. Doch die Größe der Brocken kann kaum ein Kriterium sein. Die wegbrechende Eismasse als Ganzes ist entscheidend, nicht die Größe der einzelnen Brocken. Ob zwei kleine Stücke wegbrechen oder ein großes - das macht keinen Unterschied.

So sind die Bilder, die uns heute so bewegen, das Zeugnis eines außergewöhnlichen Naturschauspiels. Ohne Bedeutung. Einfach einmalig.

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