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Panorama: Das erste „Oui“

In Montpellier sollen heute zwei Männer getraut werden. Die Gegner der Homo-Ehe mobilisieren.

Paris - Auf diesen Moment haben Vincent und Bruno lange gewartet. Seit Jahren haben sie in der Schwulenorganisation Lesbian and Gay Pride für die Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften mit traditionellen Ehen gekämpft. Nun ist es so weit. Am Mittwoch werden sich der 40-jährige Vincent und der zehn Jahre jüngere Bruno in Montpellier das Jawort geben. Zehn Tage nach dem Inkrafttreten des „Mariage pour tous“ (Eheschließung für alle) genannten neuen Gesetzes werden sie das erste Homo-Paar sein, das in Frankreich getraut wird. „Wir sind stolz“, sagten sie, als ihr Aufgebot vergangene Woche im Rathaus der südfranzösischen Stadt ausgehängt wurde, „und wir danken allen, die sich mit uns für diesen Sieg eingesetzt haben“.

Dass Vincent und Bruno die Hauptpersonen dieser Premiere sein werden, verdanken sie Najat Vallaud-Belkacem, der sozialistischen Ministerin für Frauenrechte und Gleichberechtigung. Sie hatte den beiden Aktivisten schon vor Monaten den Vorschlag gemacht und in Hélène Mandrau, der sozialistischen Bürgermeisterin von Montpellier, eine Mitstreiterin für diesen symbolischen Akt gewonnen. Ihre Stadt genießt den Ruf eines „französischen San Francisco“, das Magazin „Têtu“ nennt sie „schwulen- und lesbenfreundlich“.

200 Personen aus ihrem persönlichen Freundeskreis haben Vincent und Bruno eingeladen. Dazu haben sich 300 Repräsentanten des öffentlichen Lebens sowie 150 Medienvertreter angesagt. Wegen des Andrangs findet die Zeremonie nicht im Hochzeitsraum, sondern im größten Saal des Rathauses statt. Die meisten Gäste aber werden die Zeremonie und den anschließenden Cocktail nur auf einem Bildschirm verfolgen können.

Gegen ein großes Fest unter freiem Himmel legte die Polizeipräfektur jedoch aus Sorge vor Störungen durch Gegner der Homo-Ehe ihr Veto ein. Diese haben sich mit der vom Parlament beschlossenen, vom Verfassungsrat gebilligten und vom Staatspräsidenten verkündeten Reform immer noch nicht abgefunden. Am Sonntag hatten sie in Paris noch einmal zu Hunderttausenden gegen das Gesetz demonstriert und zur Fortsetzung des „Widerstands“ aufgerufen. Randalierer, die sich unter sie gemischt hatten, griffen am Abend Sicherheitskräfte und Journalisten an. Mehr als 350 Gewalttäter wurden vorübergehend festgenommen.

Die „Manifestation pour tous“ (Demonstration für alle), wie sich die Protestbewegung in Abwandlung des Gesetzes- namens nennt, läuft ihren Anführern mehr und mehr aus dem Ruder. Radikale Kräfte haben über Anhänger der bürgerlichen Rechten oder katholische Traditionalisten die Oberhand gewonnen. Parteigänger extremistischer Gruppen wie des Oeuvre français, des Renouveau français oder des rechtsextremistischen Studentenverbands GUD geben jetzt den Ton an. Frigide Barjot, die die Bewegung bisher koordinierte, wurde an den Rand gedrängt. Als sie erklärte, das Gesetz könne nicht mehr aufgehoben werden, erhielt sie Todesdrohungen.Hans-Hagen Bremer

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