zum Hauptinhalt
Lebenslust. Gutes Essen und anregende Gespräche in angenehmer Atmosphäre sind Bestandteile einer gelungenen Reise. Foto: Mauritius

© mauritius images

Panorama: Das Leben wieder leise lernen

Erstmals bietet ein großer deutscher Veranstalter im Katalog Reisen für Trauernde an

Nach langer Partnerschaft den Mann, die Frau verloren; die beste Freundin ist gestorben; schlimmer noch, das eigene Kind – wer trauert, steht oft emotional am Abgrund. Mit einer „Reise ins Leben“ können Trauernde nach gewisser Zeit jedoch wieder Kraft und neuen Lebensmut schöpfen. Davon ist nach reiflicher Überlegung und sorgsamer Vorbereitung dieses sensiblen Themas der Reiseveranstalter Tui überzeugt. In Kooperation mit der Privaten Trauerakademie Fritz Roth (Bergisch Gladbach) hat das sonst am Massengeschäft orientierte Unternehmen eine Broschüre aufgelegt, in der Reisen für Hinterbliebene angeboten werden, inklusive Betreuung durch professionelle „Trauerbegleiter“.

Fritz Roth ist seit 27 Jahren Bestatter in Bergisch Gladbach und Gründer der Privaten Trauerakademie, die Seminare für hinterbliebene Erwachsene und Kinder sowie für beruflich mit Tod und Trauer konfrontierte Personen veranstaltet. Der 60-jährige Unternehmer war überrascht, als er im vergangenen Jahr einen Anruf aus Hannover bekam. Ja, Reisen für Trauernde hatte er in der Vergangenheit schon öfter in kleinem Rahmen erfolgreich organisiert. Doch mit steigender Nachfrage sei er an einen Punkt gekommen, an dem er mit dem Organisatorischen überfordert war. Mit Tui als Partner sei aber nun die notwendige organisatorische Kompetenz vorhanden, um auch größere Kreise von Trauernden anzusprechen.

„Ein professionelles, auf die Belange Trauernder ausgerichtetes Reiseangebot bietet Hinterbliebenen neue Perspektiven und kann ein wichtiger Schritt zurück ins Leben sein“, sagt Fritz Roth, dem man nach äußerem Erscheinungsbild und Habitus auch Pfarrer als Berufsangabe abnehmen würde. Die Reisen seien als „Gehhilfen“ für die Schritte in ein neues Leben gedacht. „Wir wollen und können keine psychologische Behandlung auf diesen Reisen bieten“, schränkt Roth ein. Wer noch in einer tiefen Depression nach dem Verlust einer ihm nahestehenden Person stecke, für den sei eine solche Gruppenreise noch zu früh. Das Ereignis müsse bis zu einem gewissen Grad bereits verarbeitet sein. Dann könne das Gruppenerlebnis fern des heimatlichen Umfelds dazu beitragen, in den Alltag zurückzufinden. „Das Leben wieder leise lernen“, nennt es Fritz Roth.

Entsprechend aufwendig ist denn auch die Beratung der Klientel vor der Buchung einer solchen Reise. Besonders ausgebildete Mitarbeiter der Trauerakademie führen intensive Gespräche mit Interessenten, um den Charakter der Gruppenreisen genau darzustellen und gleichzeitig auch herauszufinden, wie weit der Trauerprozess des Betroffenen bereits fortgeschritten ist. „Wichtig ist zu verstehen, dass wir keine Trauerreisen machen, sondern Reisen für Trauernde. Wir setzen alles daran, einerseits Trauer zu verarbeiten, andererseits aber auch die Schönheit und Sinnlichkeit des Lebens in den Mittelpunkt zu rücken“, erklärt Roth.

Mit einer Beratung zu dieser besonderen Form eines Urlaubs sei das Reisebüro um die Ecke schlicht überfordert, heißt es. Die Reisemittler kommen letztlich nur für den technischen Buchungsvorgang ins Spiel und als Ansprechpartner bei praktischen Fragen zum Reiseablauf. Gleichwohl kann man sich im Reisebüro grundsätzlich über das Angebot informieren. Das besteht vorerst aus 22 Reisen zu sechs verschiedenen Zielen. Grundvoraussetzung war: ungefähr vier Flugstunden entfernt und mit guter touristischer Infrastruktur. Dabei fiel die Wahl auf Madeira, Teneriffa, Mallorca, die Algarve, Kreta sowie die Mecklenburgische Seenplatte, für Menschen, denen die Fliegerei nicht bekommt.

Nicht nur bei der Auswahl der Ziele, sondern auch bei der Wahl von Unterkunft und Umfeld sind die Kooperationspartner offenbar besonders sorgfältig vorgegangen. „Wir hatten einen speziellen Kriterienkatalog, an dem wir uns orientiert haben“, erläutert Carsten Cossmann, Leiter der Abteilung Gruppen- und Sonderreisen bei Tui. Gemeinsam mit der Trauerakademie habe man sechs Häuser gefunden, die „ruhig, aber nicht einsam liegen“, wo ein gehobenes gastronomisches Angebot zu finden sei und nach Möglichkeit auch der Hotelier noch ein persönliches Verhältnis zu seinen Gästen entwickeln könne. „Außerdem ganz wichtig, aber ganz schwierig zu finden: Wir brauchen für diese Reisen einen hellen, ruhigen, lichtdurchfluteten Tagesraum, der während der gesamten Aufenthaltsdauer nur für unsere Gruppen zur Verfügung steht“, sagt Cossmann.

Die Gruppen bestehen immer aus mindestens zwölf bis maximal 18 Personen, die von zwei an der Trauerakademie ausgebildeten Mitarbeitern begleitet werden. Diese leiten während der Reise Gesprächskreise und leisten Trauerarbeit im persönlichen Dialog. Darüber hinaus steht jedoch die Lebenskultur im Vordergrund: Bei Wanderungen und Ausflügen lernen die Teilnehmer die Natur- und Kulturschätze des jeweiligen Landes kennen. „Auch das Thema ,Lebenslust‘ kommt keineswegs zu kurz. In ausgesuchten Restaurants und Lokalen lässt die Gruppe meistens einen intensiven Tag ausklingen“, sagt Roth, der im vergangenen Jahr bereits eine „Pilotreise“ nach Madeira begleitet hat, deren Resonanz unter den Teilnehmern die Veranstalter ermunterte, das Projekt weiterzuentwickeln.

„Kommerziell sind diese Reisen für ein Unternehmen wie Tui natürlich nicht so interessant“, sagt Cossmann. Auch wenn der Preis (zwischen 1545 und 2095 Euro für acht Tage inklusive Halbpension) relativ hoch erscheine – man müsse den Aufwand bei Beratung und Begleitung sehen, außerdem seien für die Teilnehmer Doppelzimmer zur Einzelnutzung in sehr komfortablen Häusern reserviert. „Wir gehen davon aus, dass wir im dritten Jahr des Angebots vielleicht 1000 Teilnehmer für eine ,Reise ins Leben‘ gewinnen.“

Mehr zu diesen Reisen telefonisch unter 022 02 / 935 81 80, im Internet unter der Adresse: www.reiseinsleben.de

Zur Startseite