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Panorama: Das Serum für die Frau

Forscher haben Impfstoffe gegen Gebärmutterhalskrebs entwickelt. Die Zulassung steht unmittelbar bevor

Sich mit einer Impfung gegen Krebs schützen zu können, wäre eine sehr beruhigende Vorstellung. Zumindest für den Gebärmutterhalskrebs, an dem in jedem Jahr in Deutschland 6500 Frauen neu erkranken, könnte sie bald Wirklichkeit werden. Zwei große Pharmaunternehmen liefern sich derzeit ein Kopf-an-Kopf-Rennen um die Zulassung eines Impfstoffs gegen das humane Papillomavirus. Abgekürzt wird der kugelförmige Erreger mit den Buchstaben HPV – und ist nicht zu verwechseln mit HIV, dem Erreger von Aids.

Studien der letzten Jahre haben bestätigt, dass bestimmte Typen dieses Virus den Krebs auslösen. Nun hat Anfang März die Firma SmithGlaxoKline bei der europäischen Behörde EMEA die Zulassung für ihr Präparat namens Cervarix beantragt, und am heutigen Donnerstag wird ein Statement der amerikanischen Behörde FDA zum Konkurrenzpräparat Gardasil der Firma Sanofi-Pasteur erwartet. Experten rechnen damit, dass die Impfstoffe schon zu Beginn des Jahres 2007 auf den Markt kommen. Studien stimmen zuversichtlich, was ihre Wirksamkeit betrifft: Alle Geimpften entwickelten Antikörper gegen die gefährlichsten Typen 16 und 18 des HPV-Virus, keine Frau erkrankte an andauernden Infektionen, Krebsvorstufen oder Gebärmutterkrebs. Bisher wurde der Impfstoff nur an Frauen getestet, die noch nicht infiziert waren. Ob er auch bei Infizierten wirksam ist, muss noch geklärt werden.

In den weitaus meisten Fällen, das muss man deutlich sagen, wird der Körper allerdings auch ohne Impfung mit dem Virus fertig. Dieses Virus ist fast allgegenwärtig – und wird beim Sex übertragen: „60 Prozent der Frauen infizieren sich in den ersten fünf Jahren nach Beginn ihrer sexuellen Aktivität“, erklärt der Immunologe Andreas Kaufmann von der Klinik für Gynäkologie und gynäkologische Onkologie der Charité auf dem Campus Benjamin Franklin. 80 Prozent aller Frauen machen im Verlauf ihres Lebens mit dem Virus Bekanntschaft, doch 99 Prozent der Infektionen heilen im Lauf der Zeit spontan wieder aus. Bei einer kleinen Minderheit der Infizierten schafft es das Virus aber, das Immunsystem zu überlisten. Sie können Jahrzehnte später an Gebärmutterhalskrebs erkranken und sterben. Aus der Sicht des Virus ist das eine Panne – denn es will sich eigentlich am liebsten in einem gesunden Wirt vermehren.

Kaufmann verfolgt derzeit ein Projekt, mit dem der Minderheit geholfen werden soll, die schon Zellveränderungen an der Verbindungsstelle zwischen Scheide und Gebärmutter zeigt. Ziel ist die Entwicklung eines therapeutischen Impfstoffs, der erst bei erkrankten Frauen zum Einsatz kommt. Also eine Immuntherapie, die die körpereigene Abwehr gegen die Tumorzellen mobil macht. Damit könnte man Frauen behandeln, die Vorstufen von Krebs oder die Erkrankung entwickelt haben.

Erkannt wird das heute meist dank eines Zellabstrichs, der zum Früherkennungsprogramm beim Frauenarzt gehört – ein Angebot, das von den über 40jährigen Frauen allerdings nur die Hälfte wahrnimmt. Für den Pap-Abstrich, benannt nach einem griechischen Arzt namens Papanicolaou, werden Zellproben aus der Scheide entnommen, die danach in einem Labor unter dem Mikroskop auf Veränderungen untersucht werden. Er hat einiges dazu beigetragen, dass der Tod durch Gebärmutterhalskrebs hierzulande seltener wurde. „In einigen Ländern, in denen es keine Früherkennung gibt, ist der Gebärmutterhalskrebs aber sogar die Krebsform, an der die meisten Frauen sterben“, sagt Kaufmann.

Mit einer allgemeinen Impfung könnte man das ehrgeizige Ziel verfolgen, HPV ganz auszurotten. Da das Virus nur beim Menschen vorkommt und kein Tierreservoir hat, wäre das theoretisch durchaus möglich – und würde für die Mehrheit der 500 000 Frauen, die in aller Welt in jedem Jahr Gebärmutterhalskrebs entwickeln, die Rettung bedeuten. Die Impfstoffe, die nun möglicherweise bald auf den Markt kommen, schützen allerdings nicht gegen alle Typen des Virus, sondern nur gegen die zwei Typen, denen 70 bis 80 Prozent der Krebsfälle zur Last gelegt werden. Kritiker befürchten, dass die anderen Typen sich in der „ökologischen Nische“ einrichten könnten, die dann frei würde. „Da man sich mit mehreren Typen gleichzeitig infizieren kann, vermuten wir aber eher, dass das Immunsystem die Typen auch unabhängig voneinander kontrolliert“, wendet Kaufmann ein. Der von Sanofi-Pasteur entwickelte Impfstoff schützt zudem auch gegen die HPV-Typen 11 und 6, die bei Männern und Frauen Feigwarzen im Genitalbereich verursachen können.

Und wer sollte überhaupt geimpft werden, wenn es so weit ist? „Gesundheitsökonomisch ist es am sinnvollsten, junge Mädchen möglichst zeitnah zu ihrem sexuellen Debut zu impfen“, meint Kaufmann. Aus den bisherigen Studien weiß man, dass der Impfstoff, der dreimal im Verlauf von sechs Monaten gespritzt werden muss, mindestens für fünf Jahre sicheren Schutz bietet. „Die Immunreaktionen scheinen aber lang anzuhalten, so dass wahrscheinlich nur wenige Auffrischungsimpfungen nötig sein werden“, vermutet Kaufmann. Um darüber Klarheit zu bekommen, brauchen die Forscher noch Beobachtungszeit.

Adelheid Müller-Lissner

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