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Panorama: Das Shell-Haus am Reichpietschufer wurde für 80 Millionen Mark restauriert

Ein Besuch im Shell-Haus wird fast zu einer Zeitreise ins frühe zwanzigste Jahrhundert. Aber nur fast.

Ein Besuch im Shell-Haus wird fast zu einer Zeitreise ins frühe zwanzigste Jahrhundert. Aber nur fast. Nach jahrelangem Streit über ein tragfähiges Sanierungskonzept haben sich das Landesdenkmalamt und die Eigentümerin, die Berliner Bewag, schließlich auf einen Kompromiss zwischen wirtschaftlicher Nutzung und denkmalpflegerischen Forderungen geeinigt. Und das sieht man dem Gebäude, das die Gasag jetzt als Firmenzentrale nutzt, auch an. Museal anmutende Originalteile oder deren Nachbauten sind vermischt mit zeitgenössischer Büroeinrichtung, baupolizeilichen Notwendigkeiten und Zeugnissen einer Restaurierung in den achtziger Jahren.

Das Hochhaus mit der wellenförmigen Fassade am Reichpietschufer gehört zu den herausragenden Vertretern der klassischen Moderne in Berlin. Architekt Emil Fahrenkamp hatte das elfgeschossige Hochhaus mit der horizontal und vertikal gestaffelten Fassade, den runden Gebäudeecken und den Fensterbändern 1929 für die Rhenania-Ossag Mineralöl-Werke AG, einer Tochterfirma des Shell-Konzerns, entworfen. Der Bau zählte zu den Pionierleistungen des deutschen Stahlskelettbaus und wurde rasch zum Symbol für wirtschaftlichen Aufschwung, technologischen Fortschritt und internationales Prestige erhoben.

Steht man heute vor dem Haupteingang des elfgeschossigen Kopfbaus, präsentiert sich das Haus fast im selben Zustand wie bei seiner Fertigstellung im Jahr 1932. Denn der Fassade galt das besondere Augenmerk des Denkmalschutzes. "Deren Proportionen und städtebauliche Ausstrahlung drohten schon durch geringfügig anmutende Veränderungen im Fassadenaufbau empfindliche Störungen", stellte dazu der Landeskonservator Jörg Haspel fest.

Doch die Restaurierung der Außenhaut geht sogar über den Originalzustand hinaus, denn auf Drängen der Denkmalpflege wurden die von Emil Fahrenkamp gewünschten, aber damals aus Kostengründen nicht realisierten Bronzefenster eingebaut. Die gelblichen Fassadenplatten aus Travertinstein wurden komplett ausgetauscht. Für die 20 000 geschliffenen Steinplatten wurde sogar der seit 25 Jahren stillgelegte Steinbruch bei Tivoli in Italien wieder eröffnet. Auch ein Teil der Stahlträger, an denen die Fassadenplatten aufgehängt sind, musste erneuert werden. Die Arbeiten sind derzeit noch nicht vollständig abgeschlossen, letzte Handgriffe im Sockelbereich und am Eingangsportal stehen noch aus.

Im Foyer glänzt immer noch der schwarze Onyx-Stein als Wand- und Bodenbelag. Die eleganten Treppengeländer sind ebenso erhalten geblieben. Bei vielen anderen Details konnte sich die Denkmalbehörde jedoch nicht in dem Maße durchsetzen, wie bei der Fassade. Ursprünglich sollten für die Flurtüren Nachbauten der alten Wellenschlifftüren verwendet werden, in denen das Motto der geschwungenen Fassade wieder aufgenommen wurde. Aus Kostengründen hat die Bewag aber normale Holztüren verwendet. Dafür sind die Toilettentüren aber restaurierte Originale. Leider wurde nur bei einzelnen Türklinken, Fenstergriffen und Kugellampen bis ins Detail großer Wert auf handwerkliche Qualität gelegt und nach historischen Vorbildern Nachbauten angefertigt. Auch die Verkleidung des Innenhofes, die bei einer Sanierung in den achtziger Jahren angebracht wurde, ist gelieben. Den Travertinstein findet man somit ausschließlich an der Fassade.

Gelungen ist der Umbau der früheren Garage unter dem Rasen des Innenhofs. Unter einer Decke aus Glas und Stahlträgern befinden sich jetzt die Kantine und ein Veranstaltungsraum für die 500 Gasag-Mitarbeiter, die im März ins Shell-Haus umgezogen sind. "Das ist ein erheblicher Fortschritt für unser Unternehmen", sagt Gasag-Pressesprecher Klaus Haschker. "Vorher waren wir auf sechs Standorte in Berlin verteilt." Laut Haschker fühlen sich die Mitarbeiter wohl in der klassisch modernen Architektur.

Er selbst zieht das Shell-Haus auch den Büroneubauten am Potsdamer Platz und in Mitte vor. Zumal vor 70 Jahren wohl auch großzügiger gebaut wurde: "Die Raumgrößen hier liegen über der heute gesetzlich vorgeschriebenen Norm", sagt Haschker. Noch hat sich die Gasag nicht vollständig in den neuen alten Mauern eingerichtet. Man bemüht sich aber, der Architektur des Hauses gerecht zu werden. Unter anderem wird jetzt aus diesem Grund zusammen mit den Mitarbeitern ein Konzept erstellt, worin festgelegt werden soll, wie das Innere des Hauses künftig gestaltet wird.

Für die Gasag hat sich der Umzug bereits jetzt gelohnt. Die Bewag verlangt für das "Prunkstück moderner Architektur" nur die ortsübliche Miete. "Und das ist allemal weniger, als vorher an sechs Standorten", sagt Klaus Haschker.

80 Millionen Mark gibt die Bewag als Kosten für die Sanierung des Shell-Hauses an. Seit das Energieunternehmen 1995 in ihr neues Gebäude an der Treptower Puschkinallee umgezogen ist, stehen die beiden in den 60er Jahren entstandenen Erweiterungsbauten des Shell-Hauses an der Stauffenbergstraße jedoch leer. Für sie sucht die Bewag derzeit nach einem Käufer.

Für die Denkmalschützer ging es bei dem 14 Jahre währenden Disput über das Sanierungskonzept wohl nicht nur um das Shell-Haus allein. Im Hinblick auf weitere zu restaurierende Bauten aus der Weimarer Republik stellte das Vorhaben am Reichpietschufer für Landeskonservator Jörg Haspel ein "wichtiges denkmalpflegerisches Pilotprojekt auf dem noch jungen Gebiet der Konservierung der Moderne" dar.

Das erzielte Ergebnis findet offensichtlich reges Interesse in der Öffentlichkeit. "Unser Haus wird ständig von Gruppen oder Architekturstudenten besucht", sagt Klaus Haschker. Im September können alle Berliner das Shell-Haus in Augenschein nehmen - die Gasag nimmt mit ihrer neuen Firmenzentrale am diesjährigen Tag des Denkmals teil.

Harald Olkus

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