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Panorama: Das süße Vergnügen am Schmerz

Die Schauspielerin Julie Delpy ist mit ihrer Rockband durch Deutschland unterwegs. Heute spielt sie in Berlin

Von Carsten Werner

Fragil, zerbrechlich, ätherisch – so kennt man sie aus dem Kino, von Fotos und aus den Kritiken zu ihrer ersten, im letzten Herbst erschienenen CD. Aber die Julie Delpy, die am Freitagabend im Bremer Theaterhaus Schwankhalle auf der Bühne steht, wirkt zum Beginn ihrer kleinen Tournee durch deutsche Clubs eher wie ein sexy Kumpel – eine gute Freundin, der man gerne seine Sorgen anvertraut.

Ihr Publikum – ein wundersam bunter Mix von Frankreichfans und vielen Singles, aus 20jährigen Punks und Schauspielschülerinnen, Rock-Kritikern und Szenegängern quer durch alle Generationen – kann sich noch nicht entscheiden: Sitzen oder Stehen? Die vorne wollen tanzen, wippen, wiegen zu ihrer Musik und die Texte mitsprechen, weiter hinten hat man Chansons erwartet und es bellt: „Hinsetzen!" Julie Delpy bittet die Verehrer so charmant wie bestimmt: „Einigt Euch, sonst werde ich ärgerlich!" Das klappt dann auch. Auf der Bühne geht ihr kein Ton daneben, da kennt sie sich aus.

Das Prinzip Verwirrung

Mit Unterstützung ihrer französischen Band, die sie als „The Delpys" vorstellt, klingen die Songs im Konzert rockiger, härter, auch klarer als auf ihrer CD – auch wenn die Herren spontanen Gags und Soundbasteleien genauso gerne nachgehen wie ihre Chefin. Sekundenlange Stille ist in Popkonzerten sonst selten zu erleben – Delpy kostet solche intensiven Momente mit Genuss aus. Wie überhaupt die Fallhöhe in ihrer Musik immens ist: Da kracht dem Publikum saftiger Rock in Ohren und Adern – und plötzlich stehen mutige Tänzer mitten in einem zarten, akustischen Chanson.

Die Schauspielerin stand schon als Fünfjährige auf der Bühne und erzählt heute noch begeistert von den mutigen, wilden Theateraktionen ihrer Eltern. Mit 14 begann ihre professionelle Filmkarriere, nach internationalen Erfolgen wie „Killing Zoe" und „Before Sunrise" zog sie nach New York – und studierte an der New York University Regie.

Jetzt rockt sie. Denn während sie als Schauspielerin meist die Ideen und Gefühle anderer verkörpere, kann sie in ihrer Musik ganz sie selbst sein, sich ausdrücken und zeigen. Dass sie das in Englisch tut, hat ihre Landsleute „entsetzt", auch einige deutsche Zuschauer verlangen zaghaft nach Französischem – sie bekommen genau einen Song. Freunde haben ihr Mut gemacht, ihre Musik zu veröffentlichen. Dabei will sie kein Produkt der Entertainment-Maschine werden, sondern bei sich bleiben. Die Überraschung des Publikums und die Verwirrung der Märkte sei dafür ein guter Weg. Ihre intimen Lieder handeln von Regen und Trauer, von Verlusten und Ängsten, Grau ist Delpy zu fröhlich – Schwarz muss es schon sein. Aber das packt sie in geradezu fröhliche Harmonien und Rhythmen. Es geht um Vergnügen am Schmerz - und darum, was daran schön sein könnte.

Delpy lässt sie sich nicht wie andere Diven durch die Staatstheater jetten, sondern rackert sich von Grund auf durchs Musikbusiness: Dafür ist sie durch Deutschland mit ihrer Band im Tourbus unterwegs von Krefeld über Bremen, heute in Berlin in der Kulturbrauerei, nächste Woche erlebt sie noch Erlangen, München und Schorndorf.

Jeden Abend baut sie mit auf, morgens wird gemeinsam der Bus beladen. Vor den Konzerten steht sie klaglos für cinematographische Experimente des Regionalfernsehens zur Verfügung, spielt mit Lokalreportern Schach und beantwortet auch ihre Fragen in aller Ruhe. Ob sie sich seit Schlöndorffs Film „Homo Faber" verändert habe, wird sie gefragt. Ja, ein bisschen älter sei sie in den zwölf Jahren geworden – und schlanker. Und ein bisschen ernster.

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