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Das Weiße Haus von innen: Bei Obamas unterm Sofa

Objekt der Begierde: das Weiße Haus, mehr als 100 Zimmer auf sechs Etagen. Auf zweien wohnt die Präsidentenfamilie. Wie sieht’s da aus? Einblicke in eine abgeschirmte Welt.

Dieser Stadtvilla sieht man nicht an, wie viel Raum sie bietet. Beim Blick über den Zaun schaut man auf eine symmetrisch gegliederte Fassade, die sich über zwei Etagen erstreckt: In jeder gibt es vier Fenster rechts, vier Fenster links und in der Mitte einen klassizistischen, von vier Säulen getragenen Giebel.

Doch das Weiße Haus ist ein Palast, der selbst einer mormonischen Großfamilie – Ann und Mitt Romney haben fünf verheiratete Söhne und 18 Enkelkinder – genug Platz böte. Die Statistik zählt 132 Räume und 35 Badezimmer, verteilt über sechs Etagen. Da kann man schon mal den Überblick verlieren. Am ersten Abend nach dem Einzug musste sich Barack Obama den Weg zu seinem Schlafzimmer zeigen lassen.

Die Fenster des obersten Stockwerks verstecken sich hinter der umlaufenden Balustrade. Ebenerdig schließt sich der Flachbau des West Wing an, der Regierungstrakt mit Oval Office, Büros der engsten Mitarbeiter und Presseraum. Auf der anderen Seite gibt es spiegelbildlich den East Wing mit den Büros der First Lady. Unter dem Hauptgebäude und den Anbauten liegt der unterirdische Situation Room, von wo aus im Krisenfall regiert wird.

Das berühmteste Gebäude Amerikas spielt nicht nur optisch mit dem Widerspruch zwischen Schein und Sein. Dies gilt auch für das Leben seiner Bewohner. Kinder bekommen leuchtende Augen, wenn sie hören, was dieses Anwesen zu bieten hat: Swimmingpool, Tennisplatz, Klettergerüst, Kino – und für die Älteren Bowlingbahn, Billardzimmer, Solarium. 90 Bedienstete, von Köchen über persönliche Diener bis zu Gärtnern, umsorgen die First Family und deren Gäste. Es klingt wie im Märchen.

Der Alltag sieht oft anders aus. Das Weiße Haus gehört nicht nur der Familie des amtierenden Präsidenten, auch wenn sie im zweiten und dritten Obergeschoss wohnt. Es ist der Regierungssitz und soll zugleich ein Haus des Volkes bleiben, zu dem die Bürger Zugang haben: einerseits ein Symbol der repräsentativen Demokratie zum Anfassen, andererseits ein Museum der amerikanischen Nationalgeschichte.

Wenn die Touristen vom Osteingang her durch Souterrain und Erdgeschoss flanieren, ist ein unbemerktes Kommen und Gehen für die First Family nicht möglich. Es gibt keinen abgeschirmten Privatzugang zu den Wohnräumen, nach draußen in den Garten oder zum Swimming Pool. Der Weg führt über zentrale Korridore. Diese werden mit spanischen Wänden in Brauntönen geteilt, sodass die Mitglieder der Präsidentenfamilie den Blicken der Besucher entzogen sind, wenn sie sich im Gebäude bewegen. Nur das Getrappel von Personenschützern und Personal verrät, wenn gerade ein Super-VIP unterwegs ist.

Von Präsident Roosevelt stammt das Zitat, die Kinder eines Präsidenten „führen ein schreckliches Leben“. In den Worten der beiden Obama-Mädchen Malia, 14, und Sasha Obama, 11, sind „die geheimen Männer“ mit den Sonnenbrillen und dem Knopf im Ohr immer dabei. Ihre Eltern haben ihnen kurz nach dem Einzug einen Hund geschenkt, um sie dafür zu belohnen, dass sie die Wahlkampf-Strapazen und die Einschränkungen der Bewegungsfreiheit im neuen Zuhause ertragen. Aber wer möchte unbeschwert in den Garten gehen, um mit Bo, dem Portugiesischen Wasserhund, herumzutollen, wenn er oder sie befürchten muss, dass unzählige Augenpaare von Touristen jede Bewegung beobachten?

Jeder Ausflug verlangt nach sorgfältiger Planung und Voranmeldung beim Secret Service. Ob der Weg zur Schule, zum Fußballspiel in der Mädchenmannschaft oder zum Basketballtraining – niemals bewegen sich Malia und Sasha unbegleitet. Für den Präsidenten (Codename „Renegade“) und die First Lady (Codename „Renaissance“) gilt das sowieso. Nur einer Bewohnerin gelingt es weitgehend, sich dem Diktat des Secret Service zu entziehen: Marian Robinson, der Großmutter der beiden Mädchen. Sie geht auf eigene Faust in die Stadt, in die Oper und ins Museum. Wenn jemand sie draußen zu erkennen meint, entgegnet sie: Das höre sie oft, dass sie der Mutter der First Lady zum Verwechseln ähnlich sehe.

Auch finanziell ist das Leben im Weißen Haus nicht so sorglos, wie Außenstehende vermuten. Die First Family zahlt zwar keine Miete. Die Bewirtung offizieller Gäste, die Versorgung und Bedienung des Präsidenten übernimmt die öffentliche Kasse. Was die übrigen Obamas und ihre privaten Gäste benötigen, ist dagegen Privatsache. Günstig einkaufen im Supermarkt geht nicht. Wenn man für einen Burger oder einen Salat „daheim“ Preise wie in einem Luxusrestaurant bezahlt, summiert sich das zu spürbaren Ausgaben.

Die Abwägung zwischen dienstlich und privat folgt nicht nur Vorschriften und Traditionen. Immer wieder ist zu überlegen, was politisch in die Landschaft passt. Das begann bereits bei der Neugestaltung der Privaträume, als die Obamas 2008 einzogen. Üblicherweise stellt der Kongress 100 000 Dollar zur Verfügung. Die Bushs hatten auf die Summe verzichtet, sie sind Multimillionäre. Theoretisch waren also 200 000 Dollar für die Renovierung in der Kasse, als Michelle Obama den Hollywood-Designer Michael Smith als Innenarchitekten für die Privaträume beauftragte. Sie wünschte sich eine „Wohlfühlzone“ im zweiten Stock, „preisgünstige“ Möbel für die Zimmer von Sasha und Malia und Vorschläge, wie man Poster der Jonas Brothers, ihrer Pop-Idole, zwischen stuckverzierten Wänden zur Geltung bringt. Für die Wohnzimmer bevorzugte sie jagdgrüne Wände als Hintergrund für die afrikanische Kunstsammlung.

Ihre Wünsche stießen zunächst auf Bedenken der Presseabteilung. Innenarchitekt Smith hatte kurz zuvor die Räume eines Bankmanagers neu gestaltet: für 1,2 Millionen Dollar, darunter 87 000 Dollar für einen Teppich und 1200 Dollar für einen Papierkorb – keine gute Schlagzeile in Zeiten der Krise. Die Obamas beharrten aber auf ihrem Wunsch nach preiswerten Materialien und auf Möbeln, die sich auch normale Bürger leisten konnten.

Im dritten Obergeschoss gab es kaum Änderungsbedarf. Fünf Personen bietet der zweite Stock genug Platz mit seinen 16 Räumen – darunter das private Arbeitszimmer des Präsidenten, sechs Badezimmer sowie der Lincoln Bedroom, das prestigeträchtige Gästezimmer.

Andere Präsidenten haben das Weiße Haus weit aufwändiger renoviert. Roosevelt ließ das Kino und den Swimmingpool einbauen, Nixon die Bowlingbahn. Jackie Kennedy kaufte antike Möbel, um zusätzliche Gästezimmer einzurichten. Die Carters kleideten einen Raum mit Holzbohlen aus einer Scheune ihrer Familie aus. Die Fords ließen ihre volljährigen Söhne ins dritte Obergeschoss umziehen, um ihnen mehr Freiraum zu gönnen.

Anfangs waren im obersten Stockwerk mit seinen niedrigen Decken die Quartiere für Sklaven und freie Dienstboten. Es wurde lange als Stauraum genutzt. In jüngeren Jahrzehnten kam eine Diätküche hinzu, wo Dwight Eisenhower, der vormalige Weltkriegsgeneral, sich Suppen und Eintöpfe kochte, wenn ihm der offizielle Speiseplan missfiel. Es wurden ein Musikzimmer, ein Gymnastikraum, ein Solarium, ein Gewächshaus, weitere Schlafzimmer und eine umlaufende Dachgarten-Promenade eingebaut. Barack Obama spielt dort manchmal Billard mit Freunden.

Am kommenden Dienstag haben es die Wähler in der Hand, ob der erste schwarze US-Präsident weitere vier Jahre den Ausblick vom Dachgarten genießen darf. Oder die Romneys das Haus nach ihrem Geschmack neu einrichten.

Der interaktive Grundriss ist einzusehen unter www.whitehousemuseum.org

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