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Panorama: Das zweite Gesicht

Britische Ärzte wollen erstmals komplettes Antlitz transplantieren – Suche nach geeigneten Patienten

Ein britisches Ärzteteam wird möglicherweise die erste volle Gesichtstransplantation der Medizingeschichte vornehmen. Die Genehmigung dazu erteilte der Ethikrat des Londoner Royal Free Krankenhauses am Mittwoch dem Gesichtschirurgen Peter Butler und seinem Team. Butler rechnet damit, dass die erste Operation in den nächsten 12 Monaten stattfinden wird. Laut Butler hoffen Tausende von Menschen in der Welt auf eine solche Operation.

Allein in Großbritannien leben 400 000 Menschen mit Gesichtsdeformationen, davon werden 250 000 als gravierend eingestuft. Butler bestritt, dass es einen Wettlauf um die medizinische Pionierleistung gebe. „Wir werden wie bisher umsichtig und sorgfältig vorgehen und uns nicht zur Eile antreiben lassen. Es kann Monate dauern, bevor wir für die erste Operation bereit sind.“ Berichten zufolge plant auch ein Krankenhaus in Cleveland, Ohio, eine solche Operation. Notwendig war die Sondergenehmigung, weil das Krankenhaus die Operation als „Experiment“ an Menschen einstuft. Andrew Way, der Direktor des Royal Free Hampstead, erklärte, an anderen Orten habe sich die Transplantationsmethode bereits als Erfolg versprechend erwiesen. Damit spielte er auf das Chirurgenteam in Amiens an, das vor einem Jahr der Französin Isabelle Dinoire die Nase, den Mund und das Kinn einer gehirntoten Spenderin aufnähte. Das Gesicht Dinoires war von ihrem Hund bis zur Unkenntlichkeit zerfleischt worden.

Umstritten sind solche Operationen nicht nur wegen der unvorhersehbaren psychischen Folgen und Identitätsfragen für Empfänger und die Angehörigen der Spender, sondern auch wegen der großen Gefahr einer Abstoßung des neuen Gesichts.

„Nicht die Haut, sondern die Knochen und die Skelettform entscheiden vor allem über die Gesichtszüge“, erklärte Butler dem „Daily Telegraph“ die Operation, die einst in die Domäne von Horrorfilmen gehörte. Butler, ein 44-jähriger Ire, befasst sich seit 20 Jahren mit solchen Transplantationen. Damals lernte er ein 19-jähriges Brandopfer kennen: „Sein Mund tropfte ständig, seine Augen tränten. So viel Hauttransplantationen wir auch machten, das Gesicht rutschte immer wieder zum Hals hinunter. Kinder hatten Angst vor ihm. Man kann ohne Hände, Beine und Arme leben. Aber wenn man sein Gesicht verliert, zerstört es das ganze Leben“.

Bei der Operation entfernt ein Ärzteteam das Gesicht des Patienten, ein zweites trennt das Gesicht des Spenders – dazu gehören die Haut, Fettgewebe, und acht Blutadern, vier Arterien und vier Venen. Dann wird das Spendergesicht auf Eis gelegt, zum Patienten transportiert und in einer 14-stündigen Operation eingenäht. Butler hat bereits eine Liste von 30 potenziellen Gesichts-Empfängern. Aus ihnen werden nun nach strengen Kriterien vier ausgewählt. Doch viel schwerer ist es, Spender für Gesichtstransplantationen zu finden. Schließlich spielt auch Geld eine Rolle. Die Operation kostet rund 45 000 Euro.

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