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Panorama: Dem Leiden ein Ende gesetzt

Nach dem missglückten Sterbehilfe-Versuch der Mutter ließen französische Ärzte den schwerstbehinderten Vincent Humbert sterben

Der 22-jährige schwerstbehinderte Franzose Vincent Humbert ist tot. Nach einem missglückten Sterbehilfe-Versuch seiner Mutter, die ihren nach einem Autounfall querschnittgelähmten, taubstummen und blinden Sohn auf seinen ausdrücklichen Wunsch hin von seinen Leiden erlösen wollte, war der junge Mann trotz der Wiederbelebungsversuchen durch ein Ärzteteam im nordfranzösischen Krankenhaus von Berck-sur-Mer am Donnerstag in ein tiefes Koma gefallen. Die Mutter, Marie Humbert, hatte ihm eine Überdosis Schlafmittel verabreicht und war daraufhin festgenommen worden. Der tragische Fall hatte im ganzen Land eine Welle von Sympathien für die engagierte Mutter und eine erhitzte Diskussion über die strikt verbotene Euthanasie in Frankreich ausgelöst.

Frankreichs Sozialminister Francois Fillon kündigte in mehreren französischen Medien an, zum Thema Sterbehilfe müsse umgehend eine Debatte eröffnet werden mit dem Ziel, „die strenge Gesetzgebung zu verändern.“ Der Chefarzt der Reanimationsabteilung der Klinik, Olivier Chaussoy, sagte nach dem Tod von Vincent am Freitagnachmittag vor Journalisten, die Ärzte hätten sich angesichts des Zustands des Schwerstkranken und dessen mehrfach geäusserten Wunsches zu sterben dafür entschieden, „die aktiven lebenserhaltenden Maßnahmen einzuschränken“. Das medizinische Team, das Vincent seit drei Jahren begleitete, habe diese Entscheidung in „völliger Freiheit“ getroffen. Die Mutter, die sich seit dem Tötungsversuch zunächst in Untersuchungshaft, wenig später auf eigenen Wunsch in einer psychotherapeutischen Klinik befand, hatte ihre Tat zuvor mehrfach angekündigt.

In einem offenen Brief an Staatspräsident Jacques Chirac forderten Sohn und Mutter das Recht auf Sterben, ebenso in einem Buch, das Vincent mit Hilfe einer Maschine seiner Mutter und einem Journalisten diktierte. Das Buch, das am vergangenen Donnerstag, am Tag des Sterbehilfeversuchs der Mutter, unter dem Titel „Ich bitte um das Recht auf Sterben“ erschien, war binnen weniger Stunden ausverkauft.

Die Familie Humbert reagierte mit Freude auf den Tod von Vincent. Sein Bruder Laurent sagte dem Fernsehsender LCI: „Ich bin glücklich, dass er tot ist, es ist genau das, was er sich seit drei Jahren so sehnlich gewünscht hat.“ Ähnlich äußerte sich sein Vater Francis, der von einer „unendlichen Erleichterung“ sprach. Von der Mutter Marie, die die Tat begangen hatte, ohne ihre Familie über Details der Sterbehilfe sowie den Zeitpunkt zu informieren, lag noch keine Reaktion vor. Sie muss sich voraussichtlich nicht wegen Mordes oder Totschlags verantworten.

Sabine Heimgärtner[Paris]

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