zum Hauptinhalt

Panorama: Den Amerikanern voraus

Gerhard Neukum, der Berliner, der die Kamera entwickelte, begutachtet als Erster die Sensationsbilder vom Mars

15 Jahre hat Gerhard Neukum auf diese Bilder gewartet. Nun gerät der Planetologe der Freien Universität Berlin ins Schwärmen, wenn er die einzigartigen Bilder vor sich sieht, die die unter seiner Leitung gebaute Marskamera zur Erde sendet. „Wir haben erstmals Moränen von Gletschern auf dem Mars entdeckt“, sagt er. „Wir sehen die Sedimente am Boden einstiger Flusstäler.“ Und soeben hat die 3D-Kamera an Bord der europäischen Raumsonde „Mars-Express“ auch „Olympus Mons“ aufgenommen, den höchsten Vulkan im Sonnensystem, der womöglich bis heute hin und wieder aktiv ist.

Die ganze Welt schaut nun mit den Augen von Neukums Kamera auf unseren Nachbarplaneten. Besonders spektakulär sind die Aufnahmen der Talsysteme und Canyons, wie wir sie auch von der Erde her kennen.

„Da ist zweifelsfrei früher einmal Wasser geflossen“, sagt der 59-jährige. „Jede Menge Wasser!“ Da die Umgebung der Flussläufe weniger stark erodiert ist, vermuten er und seine Kollegen, dass das Wasser größtenteils aus dem Untergrund kam. Möglicherweise habe es in der ganz frühen Geschichte des Mars auch einmal geregnet, war es warm genug, dass sich Wasser längere Zeit auf der Oberfläche halten konnte. „Aber diese Flusstäler sind vermutlich durch Wasser entstanden, das in Zusammenhang mit Vulkanismus aus dem Boden kam“, sagt Neukum.

Vulkane brachten Wasser nach oben

In dem Hellas-Becken, aus dem die ersten Aufnahmen stammen, gibt es einige große Vulkane. Brechen sie aus, so kann mit der Lava Wasser aus dem Boden austreten, das entweder gefroren in tieferen Schichten gelegen hat oder in unterirdischen Seen, in heißen Quellen, verborgen ist. Ob es solche unterirdischen Wasserreservoirs gibt, soll erstmals ein Radargerät an Bord von „Mars-Express“ klären, das bislang noch nicht in Betrieb genommen wurde. Heiße Wasserquellen im Marsboden wären die einzigen denkbaren Orte auf dem Planeten, an denen heute noch Marsmikroben leben könnten.

Der Mars ist so kalt, dass es dort heute nirgends mehr Flüsse und Seen gibt. Aber an den Polkappen liegt Eis – das haben die Messungen mit der Raumsonde „Mars-Express“ nun bestätigt. Und in der Atmosphäre haben die europäischen Forscher Wasserdampf nachweisen können – auch wenn es schon lange nicht mehr auf dem Mars regnet.

„Die Flusstäler haben sich zum Teil Hunderte Kilometer tief eingegraben“, sagte Neukum, der die Bilder nun als erster Wissenschaftler begutachtet und an seine Kollegen in Europa oder den USA weitergibt. „Das Wasser kam hier und da auch die Hänge herunter. Und ich bin mehr und mehr der Meinung, dass so etwas auch heute noch stattfindet.“ Diese Einschätzung deckt sich mit Vermutungen seiner Kollegen vom Planetenforschungszentrum in Tucson in Arizona, die kürzlich offenbar sehr junge Marskanäle ausfindig machten.

Was die europäischen Forscher ihren amerikanischen Kollegen nun voraus haben, sind nicht nur dreidimensionale Bilder hervorragender Auflösung, die sich zu ganzen Videosequenzen zusammenfügen lassen. Sie können demnächst auch mit Hilfe ihrer Messgeräte einschätzen, welches Material den Mars bedeckt, welche Sedimente zum Beispiel am Boden der Flusstäler liegen.

Die bläuliche Farbe dieser Sedimente, die an einen Wasserlauf erinnert (siehe Bild), und auch die anderen Farbeindrücke sind echt. So echt, dass wir bei einem Flug über den Mars in etwa dasselbe Farbenspiel sehen würden. Der Mars hat allerdings eine Art roten Filter in der Atmosphäre. Es ist roter Staub, der mit dem Wind aufgewirbelt und hoch in die Luft getragen wird. Dadurch erhalten alle Aufnahmen eine rötliche Tönung. Die blaue Linie am Boden des Tals rührt offenbar von Mineralen her, die in Verbindung mit Wasser entstanden sind, von wasserreichen Silikaten. Es sind vermutlich keine Sedimente, wie wir sie auf der Erde in Flusstälern finden, sondern sie beruhen auf Gestein vulkanischer Herkunft.

Wie solches Gestein zusammengesetzt ist und ob es sich tatsächlich im Wasser gebildet hat, will die amerikanische Weltraumbehörde Nasa mit ihren beiden Robotern klären. Einer von ihnen, „Opportunity“, soll am heutigen Sonntag nach siebenmonatiger Reise auf dem Mars landen. Der andere, „Spirit“, ist schon seit fast drei Wochen auf dem Mars. Er hat bereits erste Gesteinsanalysen gemacht, hat aber gegenwärtig gravierende „Schlafstörungen“.

Eigentlich sollte sich der Roboter nachts abschalten, um in den eiskalten Marsnächten die Batterien zu schonen. Doch „Spirit“ kommt scheinbar wegen eines Programmierfehlers seit Mittwoch nicht mehr zur Ruhe. Deshalb hat der Automat tagsüber nicht die nötigen Energiereserven, um mit der Erde zu kommunizieren. Wie und ob der Fehler in den nächsten Tagen behoben werden kann, ist gegenwärtig unklar.

Zur Startseite