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Panorama: Der Ehemann als Teilzeit-Kraft

KAIRO .In der ägyptischen Gesellschaft werden immer häufiger Ehen geschlossen, deren Form vor noch nicht allzu langer Zeit undenkbar gewesen wäre.

KAIRO .In der ägyptischen Gesellschaft werden immer häufiger Ehen geschlossen, deren Form vor noch nicht allzu langer Zeit undenkbar gewesen wäre.Anstatt der traditionellen Ehe, bei der die Frau ihre Familie verläßt, um zu ihrem Ehemann zu ziehen, entscheiden sich viele Heiratswillige für eine Teilzeitehe, bei der der Mann seine Angetraute zwar hin und wieder besucht, aber nie über Nacht bleibt.Die islamischen Glaubenshüter sehen die Entwicklung gelassen.

Die 46jährige Übersetzerin Nahid hatte sich schon mit einem Leben als Single abgefunden, da fand sich doch noch ein Gemahl.Ihr jetziger Ehemann ist schon mit einer anderen Frau verheiratet, aber das stört Nahid nicht: "Der Hausmeister, der Ladenbesitzer und die Nachbarn behandeln mich heute mit mehr Respekt als zu Zeiten, als ich noch Single war", sagt die Karrierefrau.Heute ist sie sozusagen der Form halber verheiratet und bringt auf diese Weise islamische Tradition und berufliche Karriere unter einen Hut.Verheiratet zu sein gilt in islamischen Gesellschaften als Statussymbol, in Ägypten werden sogenannte "Massenhochzeiten" mit mehreren hundert Brautpaaren von der Regierung finanziell unterstützt."Berufsbedingt bin ich viel unterwegs", sagt die Übersetzerin "ohne Ehemann zu Hause bin ich ungebunden und kann mich bewegen, wenn der Job dies erfordert".Nahid sieht ihren Gatten drei- oder viermal die Woche.

Eigentlich widerspricht eine solche Zweckgemeinschaft dem traditionellen Ehebegriff des Islam, weiß Selim al-Awa, Kairoer Jurist für islamisches Recht: "Normalerweise lebt die Frau zu Hause mit ihrem Ehemann, der für den Unterhalt der Familie sorgen muß", sagt er.Bei einer Teilzeitehe sei aber das genaue Gegenteil der Fall: "Der Ehemann ist von jeglichen finanziellen Verpflichtungen entbunden und besucht seine Frau nur gelegentlich." Die Zweckehe sei geradezu ideal in einer Gesellschaft, wo Frauen moralisch zur Heirat verpflichtet seien, aber oft leer ausgingen und als alte Jungfern endeten, sagt Awa."Die Tradition verlangt nach einer Ehe in den engen Grenzen einer Familie, und das beschränkt häufig die Chancen, einen Ehemann zu finden."

Unverhoffte Unterstützung bekommen die Part-Time-Lover von religiöser Seite.Die islamischen Lehrer haben nämlich nichts gegen die Teilzeitehen einzuwenden.Sie sei "eine legale Form der Ehe, die nach dem Islam nicht verboten ist", sgt Rechtsanwalt Awa.Erst kürzlich gab sogar der angesehene Prediger Scheich Jussuf el Karadawi, dessen Meinung im Land sehr angesehen ist, seinen Segen: "Diese Form der Ehe ist rechtens, auch wenn sie gesellschaftlich nicht anerkannt ist.Ich unterstütze sie nicht, aber ich kann sie auch nicht verbieten", sagte er.

Genau darin sehen immer mehr Frauen in Ägypten die Chance zur Selbstverwirklichung und gleichzeitiger sozialer Anerkennung.Ein "echter" Ehemann hätte der 46jährigen Nahid zwar besser gefallen, "aber manchmal hast du keine Wahl", sagt sie.Sie habe eben der beruflichen Karriere den Vorrang gegeben."Aber ab einem gewissen Alter mußt du in dieser Gesellschaft Kompromisse eingehen."

MONA SALEM

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