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Ministerpräsident Uwe Barschel (CDU) nach einer Sitzung der CDU-Landtagsfraktion am 15.09.1987 in Kiel.

© dpa

Der Fall Uwe Barschel: Bis heute ein Rätsel

Vor 30 Jahren starb Uwe Barschel unter mysteriösen Umständen in einem Genfer Hotel. Kurz zuvor hatte er versucht, einen Polit-Skandal mit seinem Ehrenwort zu beenden.

Gefängnis für Dr. Uwe Barschel?“ Mit dieser Frage auf der Titelseite erscheint der „Spiegel“ vor 30 Jahren am 12.Oktober 1987. Dazu zeigt das Magazin das Foto eines empörten ehemaligen Kieler Ministerpräsidenten, die Hand wie zur Verteidigung auf der Brust. Doch zum Zeitpunkt der Veröffentlichung ist der CDU-Politiker schon tot.

Gestorben ist der einstige Hoffnungsträger, nicht nur der norddeutschen CDU, am 10.Oktober. Ein „Stern“-Reporter findet die Leiche Barschels einen Tag später. Der Politiker liegt bekleidet in der Badewanne des Hotelzimmers im Genfer „Beau-Rivage“, dass der kurz zuvor zurückgetretene Politiker auf der Rückreise von Gran Canaria bezogen hat.

Ob der 43-Jährige aus eigenem Willen starb oder ermordet wurde, steht bis heute nicht zweifelsfrei fest. Je mehr Zeit vergangen ist, desto mehr haben sich die Theorien Richtung Mord verschoben. Die Schweizer Behörden legen sich sehr schnell auf die Selbstmord-Theorie fest – und müssen sich erhebliche Ermittlungspannen ankreiden lassen.

Die Vorgeschichte der dramatischen Ereignisse im „Beau-Rivage“ beginnt einen Monat früher und bewegt schon damals die Republik. Am 6 September 1987 – eine Woche vor der Landtagswahl im nördlichen Bundesland – veröffentlicht der „Spiegel“ eine aufsehenerregende Story: Detektive hätten im Auftrag unbekannter Hintermänner den SPD-Spitzenkandidaten Björn Engholm bespitzelt. Gefälschte Unterlagen über ihn seien demnach anonym zur Steuerfahndung gelangt.

Eine Woche später legt das Magazin nach und zitiert aus einer eidesstattlichen Versicherung des Staatskanzlei-Referenten Reiner Pfeiffer: Der christdemokratische Ministerpräsident Uwe Barschel selbst habe die Steueranzeige und die Bespitzelung Engholms angeordnet. Letzteres, um den Verdacht zu erhärten, der SPD-Kandidat sei homosexuell und führe gleichzeitig „ein ausschweifendes Leben mit dem weiblichen Geschlecht“. Barschel reagiert umgehend auf die Vorwürfe gegen ihn und lässt mitteilen, die „Spiegel“-Geschichte sei „erstunken und erlogen“.

Ich wiederhole: Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort

Um seine Unschuld zu bekräftigen entscheidet sich Barschel, der schon mit 28 Jahren CDU-Fraktionsvorsitzender im Kieler Landtag geworden war und dessen Ehrgeiz in seiner politischen Karriere grenzenlos zu sein scheint, zur sogenannten „Ehrenwort“-Pressekonferenz. Am 18.  September 1987 tritt er in Kiel öffentlichkeitswirksam vor die Kameras, weist alle Vorwürfe von sich und krönt seinen Auftritt mit einem Ehrenwort: „Über diese Ihnen gleich vorzulegenden eidesstattlichen Versicherungen hinaus gebe ich Ihnen, gebe ich den Bürgerinnen und Bürgern des Landes Schleswig-Holsteins und der gesamten deutschen Öffentlichkeit mein Ehrenwort, – ich wiederhole: Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort! – dass die gegen mich erhobenen Vorwürfe haltlos sind.“ Spricht’s, legt wie erschöpft den Kopf in seine Hände und schließt die Augen.

Doch die Ehrenerklärung – die sich als falsch erweist – kann ihn nicht retten. Barschel tritt unter dem Druck der Öffentlichkeit am 2.Oktober zurück. Gut eine Woche später ist er tot. Fest steht, dass er einen verhängnisvollen Medikamentencocktail im Körper hatte. Ob er das letztlich tödliche Mittel in diesem Cocktail selbst zu sich nehmen konnte, bleibt unter Rechtsmedizinern umstritten.

Uwe Barschel hatte Kontakt zum US-Geheimdienst

Zum 30. Todestag legt sich nun ein weiteres Buch auf die Mordthese fest, von der die Barschel-Familie von Anfang an überzeugt war. „Im Spinnennetz der Geheimdienste. Warum wurden Olof Palme, Uwe Barschel und William Colby ermordet?“ – unter diesem Titel bringen der Kieler Journalist Patrik Baab und der amerikanische Politologe Robert E. Harkavy Barschels Fall mit dem Tod des früheren schwedischen Ministerpräsidenten und eines Ex-CIA-Chefs in Zusammenhang. „Heute ist klar: Uwe Barschel hatte Kontakt zum US-Geheimdienst“, heißt es in dem Buch, das unzählige Hintergründe und Details über Barschel bündelt – rätselhafte Reisen inklusive.

„Aus meiner Sicht sind einige seiner Besuche in der DDR und CSSR (Tschechoslowakei) unerklärbar. Sie passen schlicht und einfach nicht in die Verhaltensweise eines westdeutschen Ministerpräsidenten zur Zeit des Kalten Krieges“, so zitieren die Autoren den früheren Kieler SPD-Bundestagsabgeordneten und Verteidigungsexperten Norbert Gansel. „Er hatte Kontakte zu Geheimdiensten und war eingebunden in den internationalen Waffenhandel“, schreiben sie – um dann zu spekulieren, ob daraus ein Motiv für einen Mord erwachse. Ein konkretes Motiv oder einen Tatverdächtigen kann bis heute trotz aller Spekulationen, Hypothesen, Veröffentlichungen und Gerüchte niemand benennen.

„Immer, wenn das Stichwort, Barschel’ fällt, dann sind alle irgendwie wie elektrisiert – aus den unterschiedlichsten Gründen – es ist einfach die großangelegte Form von Machtmissbrauch in der Geschichte der Bundesrepublik", sagte Ralf Stegner, SPD-Fraktionschef in Schleswig-Holstein zum 25.Jahrestag der Barschel-Affäre. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

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