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Panorama: Der Fürst, der das Märchenland erfand

Rainier III. ist tot. Mit Grace Kelly verwandelte er seinen Zwergstaat Monaco in ein Paradies für den Jetset

Die Sonne ging gerade auf über dem Horizont des Mittelmeers, das sich vor Monaco auftut, da schloss Prinz Albert seinem Vater die Augen. Fürst Rainier III. ist tot. Eine halbe Stunde zuvor hatten die Ärzte den Sohn unterrichtet, der Tod des Vaters sei nah. Bereits in der Vorwoche hatte Prinz Albert die Regierungsgeschäfte übernommen, als der Fürst schwer erkrankt auf der Intensivstation dem nahenden Tod in die Augen sah.

Monaco trauert. „Heute fühlt sich jeder von uns als Waise“, sagte Staatsminister Patrick Leclercq.

Hätte es einst den eleganten, steinreichen und gut aussehenden Herrscher von Monaco nicht wirklich gegeben, die Trivialliteratur hätte ihn erfunden. Seine Traumhochzeit 1956 mit der US-Schauspielerin Grace Kelly brachte Hollywood-Glanz in sein kleines Reich, diesen kleinen Märchenfelsen an der Côte d’Azur. Und mit dem Glanz kamen die Prominenz und der Jetset. Über 50 Jahre lang rankten sich Geschichten um ihn und seine Familie, gespickt mit Liebe, Intrige, Tragik, Schönheit, Reichtum. Die Annalen des Fürstentums lesen sich wie das Drehbuch einer Soap-Opera in endlosen Folgen. Nach dem Tod des 81-Jährigen, Europas dienstältestem Monarchen, wird der Mythos von Monaco weiterleben. Statistiken weisen aus, dass jährlich weltweit in den Medien 23500 Artikel über das monegassische Fürstenhaus erschienen sind. Das ist ein Spitzenplatz in der internationalen Regenbogenpresse. Nichts spricht dafür, dass sich das ändern wird. Die Ironie ist, dass die Hauptfigur Fürst Rainier an der adligen „Lindenstraße“, die die Paparazzi-Industrie und die Boulevardblätter aus seinem Leben machten, nie interessiert war. Er regierte sein kleines Reich an der mondänen Côte d’Azur diszipliniert, nüchtern, pflichtbewusst und ohne Ausschweifungen.

Diese überließ er den anderen Mitgliedern der Familie, zuvorderst seinen drei Kindern, den Prinzessinnen Stephanie und Caroline, in dritter Ehe mit dem Deutschen Prinz Ernst August von Hannover verheiratet, sowie dem 47-jährigen Thronfolger und Junggesellen Prinz Albert. Sie alle sorgten seit dem tragischen Unfalltod ihrer Mutter im Jahr 1982 dafür, dass das Grimaldi-Geschlecht stets in den Schlagzeilen blieb: Prinzessin Caroline mit ihrem missratenen Ehemann einerseits aber auch mit ihren spektakulären Prozessen gegen die Boulevardpresse, bei denen sie mehrere höchstrichterliche Entscheidungen erzwang. Dann Stephanie, die ihre kernigen Männer gerne unter Leibwächtern, Fischverkäufern, Zirkusartisten und – zuletzt – unter braun gebrannten Sonnenliegen-Beaufsichtigern rekrutiert. Schließlich Albert, der notorische Eheverweigerer, der oft in Begleitung wechselnder Badenixen gesehen wird. Rainier III. hingegen lag vielmehr daran, für seinen Operettenstaat, vor 700 Jahren auf einem roten, nackten Felsen gegründet, das Optimale herauszuholen. Als 26-Jähriger kam der eher introvertierte Mann am 9. Mai 1949 auf den Thron des winzigen Fürstentums am Mittelmeer. Damals ging es dem Zwergstaat alles andere als gut. Zwar flossen immer noch weit über die Hälfte der Staatseinnahmen aus dem berühmten Spielkasino. Roulette und Baccara, Glanz und Gloria, Sein und Schein machten dem ehrgeizigen und seriösen Herrscher aber bald zu schaffen. In der Nachkriegszeit hatten die Menschen keine Lust aufs Zocken und Fürst Rainier keine auf Schlüpfrigkeiten. „Ich wollte von Anfang an weg von diesem Spielhöllen-Image“, sagte er dem US-Magazin „National Geographic“.

Rainier wurde „Chef einer riesigen Geldmaschine“, wie er selbst scherzhaft über sich sagt, Patron eines Großunternehmens, der Firma Monaco, wo ein Einheimischer umsonst wohnt, weder Steuern noch Sozialversicherung zahlt, durchschnittlich 5000 Euro monatlich verdient und Arbeitslosigkeit für ein Fremdwort hält. Zwar ist nur jeder fünfte der 34000 Einwohner Monegasse, aber Seine Hoheit hat im Laufe der Jahrzehnte mit der Anwerbung namhafter Immobilien- und Tourismusfirmen sowie über 50 Banken dafür gesorgt, dass das nach dem Vatikan kleinste Land der Welt zum Eldorado für die Reichen, Erfolgreichen und Schönen wurde.

Nirgends tummeln sich so viele bekannte Namen im Telefonbuch wie in Monaco. Fürst Rainier dürfte der einzige Herrscher sein, dem es gelang, seinen Staat, ohne Kriege zu führen, immer wieder zu vergrößern: Ein Viertel der ungefähr zwei Quadratkilometer, die Monaco umfasst, eine Fläche halb so groß wie der Englische Garten in München, wurde dem Meer abgetrotzt. Und immer wieder ordnete der Monarch an, den Lilliputstaat zu vergrößern, vor allem nach oben und nach unten, ein Mini-Hongkong mit mehreren Geschossen, Luftschlösser zum Wohnen und unterirdische Funktionsbereiche zum Geldvermehren – Monaco, der größte Safe der Welt.

Auf der winzigen Landesfläche lagern 22 Milliarden Euro Kapital, davon knapp 13 Milliarden in Cash, schreibt die „Wirtschaftswoche“. Trotz gigantischer Grundstücks- und Mietpreise sind die Wartelisten der internationalen High Society, der prominenten Sportler, Schauspieler und Reichen lang, die sich auch in Zukunft in dem Steuerparadies niederlassen wollen.

Rainier, selbst Besitzer eines geschätzten Privatvermögens in Höhe von rund zwei Milliarden Euro, garantierte ihnen das, was sie sonst nirgends auf der Welt vorfanden: absolute Sicherheit. Auf 80 Bewohner kommt ein Polizist, knapp hundert Videokameras beobachten rund um die Uhr jeden Winkel der Schickimicki-Stadt Monte Carlo, wo man seinen Rolls-Royce, Ferrari oder Bentley deshalb getrost offen stehen lassen kann.

Trotz seines hohen Alters und immer häufigeren gesundheitlichen Problemen kümmerte sich Fürst Rainier unermüdlich um das Wohlergehen seines Staates. Eine Abdankung zugunsten seines Sohnes Albert kam für den streng katholischen Mann nicht in Frage. Der Monarch, der sich nur ein Laster leistete, seine Leidenschaft zum Zirkus, hielt sich stets an die Tradition des Adelshauses, dass nur Gott den Regierungschef von seinen Aufgaben entbinden kann.

Sabine Heimgärtner[Paris]

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