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Panorama: Der kleine Schnitt

Rod Stewart lässt sich nach dem achten Kind sterilisieren – und stößt damit eine Debatte an

Bald soll die Familienplanung abgeschlossen sein: Rockstar Rod Stewart kündigte jetzt medienwirksam an, er werde sich sterilisieren lassen, sobald seine Verlobte ihm ein Kind geschenkt habe. Es wäre das achte Kind des 61-Jährigen, bei insgesamt sechs beteiligten Müttern.

Zwei wichtige Voraussetzungen für den chirurgischen Eingriff sind somit gegeben: Der Star ist alt genug und hat seinen Kinderwunsch ausgiebig ausgelebt, so dass man sich vorstellen kann, dass das Thema für ihn wirklich abgeschlossen ist. Das müssen Ärzte in Deutschland im Gespräch mit jedem Mann ermitteln, der mit dem Wunsch kommt, sich durch einen medizinischen Eingriff unfruchtbar machen zu lassen. Ohne ein einfühlsam-psychologisches Vorgespräch sollte er nicht durchgeführt werden.

„Für uns ist wichtig, dass der Mann ein gewisses Alter und eine gewisse Reife und möglichst auch schon Kinder hat“, sagt Gralf Popken, Chefarzt der Urologischen Klinik am Helios-Klinikum in Berlin-Buch. Um den Eingriff rückgängig zu machen – etwa wenn der Mann mit einer neuen Partnerin doch wieder Kinder will – ist nämlich eine viel aufwendigere und sehr teure Operation nötig. Der Mann muss sie selbst bezahlen – und sie führt bei weitem nicht immer zum Erfolg.

Bei der Sterilisation des Mannes, die auch als Vasektomie bezeichnet wird, werden die Samenleiter durchtrennt und abgebunden. Das klingt für viele gefährlicher und einschneidender, als es tatsächlich ist: Auch wenn Stewart vom „großen Schnitt“ sprach, ist es ein kleiner Eingriff, der bei lokaler Betäubung und ohne Krankenhausaufenthalt gemacht werden kann.

Kleiner auf jeden Fall als das Gegenstück bei der Frau, bei der die Eileiter verschlossen werden müssen, damit keine Eizellen mehr mit männlichen Samenzellen verschmelzen können. Die Samenleiter liegen dagegen auf dem Weg vom Hoden zur Leiste, der Mann hat hier den großen Vorteil, dass sie für den Urologen leichter zugänglich sind, der Bauchraum muss nicht geöffnet werden. „Die Patienten können am nächsten Tag wieder zur Arbeit gehen“, versichert Popken. Gegen die Schmerzen in der Wundheilungsphase sollten sie bei Bedarf aber Tabletten nehmen.

Auch wenn viele das verwechseln: Ein Mann wird durch die Sterilisation keineswegs kastriert oder impotent. Nur ist den Samenzellen, die im Hoden gebildet werden, der Weg durch den Samenleiter nach draußen versperrt.

Auf den Samenerguss hat das keinen Einfluss. Denn ungeachtet seines Namens besteht er nur zu etwa fünf Prozent aus Samenzellen. Der Mann wird den kleinen Unterschied gar nicht bemerken, denn die Produktion der Flüssigkeit, in der die für die Fortpflanzung so entscheidenden Zellen schwimmen, ist nicht beeinträchtigt, die Produktion der männlichen Hormone und das sexuelle Empfinden verändern sich nicht. „Auch dass es danach psychische Probleme gibt, ist die Ausnahme“, sagt Popken. Allerdings findet er es wichtig, dass der behandelnde Urologe vorher und nachher für Gespräche zur Verfügung steht. Männer, die schon für mehrere Kinder Verantwortung tragen, genießen das Zusammensein mit ihrer Partnerin meist sogar mehr, weil sie die Verhütungssorge los sind – und sich dabei persönlich auch noch gut fühlen können.

Vor allem für Familienväter, die es ungerecht finden, dass ihre Frauen jahrelang die Hauptlast der Verhütung getragen haben, weil die Pille für den Mann immer noch nicht auf dem Markt ist, ist die Vasektomie also eine praktikable Art, sich auf ihre etwas älteren Tage doch noch bei ihren Partnerinnen zu revanchieren. „Das ist die einfachste und preisgünstigste Methode der Empfängnisverhütung“, sagt Urologe Popken.

Man kann Rod Stewart also nur gratulieren, dass er für die männliche Tat Werbung macht. Eher Anti-Werbung war es dagegen, als der beliebte Lindenstraßen-Held Andi Zenker – zu diesem Zeitpunkt Vater von vier eigenen und einem adoptierten Kind – vor einigen Jahren wochenlang vor dem geplanten Eingriff zurückschreckte und die Operation schließlich abblies. Wie viele Männer haben sich da wohl gedacht: Wenn dieses gestandene Mannsbild es nicht schafft, mach ich es lieber auch nicht!

Aber Rod Stewart ist sowieso das bessere Vorbild.

Adelheid Müller-Lissner

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