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Panorama: Der Koffer-Doktor

Darius Kurela repariert Lederwaren aller Art. In seiner Werkstatt landen auch ungewöhnliche Stücke

Von Sebastian Leber Am schlimmsten sah die Tasche mit dem Eidechsenleder aus. Die stammte aus den zwanziger Jahren, wäre im normalen Zustand viel Wert gewesen. Leider hatte sie längere Zeit im Wasser gelegen und war nun komplett mit Schimmel überzogen. Ein sehr schwieriger Fall, erinnert sich Ladenbesitzer Darius Kurela. „Man kann sagen: Die Tasche hat praktisch nicht mehr existiert.“

Trotzdem hat er sie wieder hingekriegt. So, wie Kurela grundsätzlich alle Taschen und Koffer hinkriegt, die man ihm bringt – es ist nur eine Frage des Aufwands und damit des Preises. Seit neun Jahren betreibt Kurela das Geschäft HK-Lederwaren in der Pestalozzistraße, sein Mitarbeiter und er reparieren nicht nur, sondern verkaufen auch Neuware. Früher hat Kurela selbst Koffer hergestellt, damals in den achtziger Jahren, als er noch in Polen gelebt hat. Wie sein Vater und sein Großvater ist er gelernter Feintäschner, also ein Handwerker, der sich auf die Anfertigung von Taschen, Mappen und Kleidungsstücken spezialisiert hat. Traditionell arbeitet der Feintäschner mit Leder, inzwischen hauptsächlich mit synthetischen Stoffen. Hätte Kurela selbst einen Sohn, würde er ihm nicht raten, die Familientradition fortzusetzen: „Wir sind inzwischen Exoten, werden immer weniger gebraucht.“ Das liegt an den preiswerten Produkten aus Asien, die massenhaft nach Europa eingeführt werden. „Da können wir schon lange nicht mehr mithalten.“ Andererseits steigt die Nachfrage nach Koffer-Reparaturen – weil viele Billigwaren nur kurze Zeit halten. „Manche gehen gleich bei der ersten Reise auf dem Weg zum Flughafen kaputt“, sagt Darius Kurela.

Also beschränkt er sich auf das Reparieren und Verkaufen. Über zu wenig Arbeit kann er sich nicht beschweren: Wer seinen Koffer zu HK-Lederwaren bringt, muss mehrere Wochen warten, bis er an der Reihe ist. Besonders kompliziert ist die Reparatur von alten Taschen aus selten gewordenen Materialien – zum Beispiel solche aus Schildkröten-, Haifisch- oder Elefantenleder. Der Handel mit Schildkrötenleder etwa ist in Deutschland verboten. In vielen Fällen bleibt Kurela nur, ähnlich aussehende Ersatzmaterialien zu verwenden, statt Elefantenhaut zum Beispiel eingefärbtes Rindsleder. Auch ansonsten muss er ständig improvisieren: „Und wenn ich aus drei kaputten Schlössern ein funktionierendes zusammmenbastele, irgendwie geht es immer.“

Manchmal kämen auch „Leute mit eher ungewöhnlichen Lederwaren vorbei“, sagt Kurela. Sado-Maso-Bekleidung, Gürtel, Peitschen. So was könne schließlich auch kaputt gehen. Wobei genau, kann Kurela jeweils nur vermuten. „Allerdings kommt es auch vor, dass man sich täuscht.“ Wie damals bei dem liebenswürdigen, älteren Herrn, der einen höchst merkwürdig aussehenden Gürtel repariert haben wollte. „Da war ich mir ganz sicher, dass der Gürtel irgendwas mit Sex zu tun hatte.“ Bis sich herausstellte, dass der Mann Rabbi war und den Gürtel zu einem jüdischen Feiertag tragen wollte.

Damit Lederwaren möglichst lange halten, empfiehlt Kurela regelmäßige Pflege. Dazu hat er spezielle Produkte in seinem Laden. Zur Not gehe auch Nivea-Creme. „Aber wirklich nur Nivea und bloß nicht irgendein Ersatzprodukt, das zu stark fettet. Sonst ist die Tasche schnell hinüber.“ Beziehungsweise ein Fall für Kurela.

HK-Lederwaren, Pestalozzistraße 22, 10625 Berlin, geöffnet Mo. bis Fr. von 9 bis 18 Uhr und Sa. von 9 bis 13 Uhr.

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