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Papst Franziskus spricht im Atomic Bomb Hypocenter Park in Nagasaki.

© Gregorio Borgia/AP/dp

Der Papst zu Gast in Japan: Gebete gegen Atombomben

Der Papst plädiert in Nagasaki für eine Welt ohne Nuklearwaffen. Sogar im buddhistischen Japan zieht Franziskus die Massen an.

„Pope is coming“, steht auf dem T-Shirt von Minori Takeuchi. Der Papst kommt. Darüber die gezeichnete Silhouette von Franziskus, wie er mit der rechten Hand das Zeichen für „I love you“ in englischer Gebärdensprache symbolisiert. Allein, dass er nach Japan gekommen ist, ist schon ein Ereignis, nicht nur für Takeuchi.

Das Christentum spielt keine große Rolle in dem Land . Unter den 125 Millionen Einwohnern Japans gibt es nur eine Million bekennende Christen. Knapp 500000 davon sind katholisch. Die überwiegende Mehrheit der Japaner sind Buddhisten und folgen dem Shintoismus, der die Verkörperung Gottes in allem sieht.

Takeuchi, 22 Jahre alt, ist Papst-Fan. Die junge Frau studiert an der Sophia-Universität in Tokio, einer privaten Elite-Hochschule, die vor mehr als 100 Jahren von den Jesuiten gegründet wurde, der katholischen Ordensgemeinschaft, der auch Franziskus angehört.

Virtuell hat der Papst die Universität schon einmal besucht. An seinem 81. Geburtstag im Dezember 2017 wurde er live per Video in die Aula der Uni geschaltet für einen Dialog mit den Studenten. Auch Franziskus lachte viel und herzlich, er eroberte die Herzen. Am Dienstag wird er nun den Campus leibhaftig besuchen. Zum Abschluss seiner Asienreise, die ihn zuvor auch nach Thailand geführt hatte, trifft er mit einigen Ordensbrüdern zusammen. Eine reine Herrenrunde wird das dann.

Die Heilige Messe ist seit Wochen ausverkauft

Frauen und alle anderen können den Papst dafür am Montag im Tokyo Dome sehen. 55.000 Menschen passen bei Sportereignissen in die Arena. Die Heilige Messe ist seit Wochen ausverkauft. In der Sankt-Ignatius-Gemeinde, gleich neben der Sophia-Universität, gibt es schon seit Samstag als Warm-up christliche Spielfilme mit japanischen Untertiteln. Minori Takeuchi hilft ehrenamtlich aus. Sie steht hinter einem kleinen Tisch mit Informationsmaterial über die Caritas und andere Organisationen. Für 80 Cent kann man einen Beutel Kaffee kaufen, mit gemahlenen Bohnen aus Ost-Timor. „Ich freue mich sehr, dass der Papst endlich nach Japan kommt“, sagt sie. Beim letzten Besuch eines katholischen Kirchenoberhaupts in Japan war sie noch gar nicht geboren. 38 Jahre ist es her, dass Johannes Paul II. das Land besuchte, als bislang einziger Papst. Franziskus’ Vorgänger Benedikt schaffte es in acht Jahren nicht einmal nach Asien.

Franziskus selbst war es dagegen schon lange ein Anliegen, nach Japan zu reisen. Vor allem wollte er Hiroshima und Nagasaki besuchen, jene beiden Städte, die im August 1945 von den Amerikanern mit Atombomben angegriffen und seitdem als weltweite Mahnmale nuklearer Zerstörung gelten.

Seinen Aufenthalt an beiden Orten am Sonntag nutzte Franziskus, um erneut eine Abschaffung der Atomwaffen weltweit zu fordern. „Der Einsatz von Atomenergie zu Kriegszwecken ist ein Verbrechen, heute mehr denn je“, sagte er in Hiroshima, dem Ort des ersten Atombombenabwurfs der Geschichte. Wahrer Friede könne nur „ein waffenloser Friede“ sein.

Der Papst hält eine Messe im Baseball Stadion von Nagasaki.
Der Papst hält eine Messe im Baseball Stadion von Nagasaki.

© via REUTERS

Der Papst reist als „Pilger des Friedens“ nach Japan

Bei dem Friedenstreffen mit Vertretern anderer Religionen sowie mit Überlebenden in Hiroshima am Abend sagte Franziskus, er komme als „Pilger des Friedens“ und verneige sich „vor der Stärke und der Würde“ derer, die als Überlebende unter den Folgen des Atomangriffs litten. Zuvor hatte Franziskus in Nagasaki das Festhalten an multilateralen Abkommen gefordert; Rüstungsausgaben verurteilte er als eine „himmelschreiende“ Vergeudung angesichts weltweiter Armut und Klimaprobleme.

„Ich will, dass seine Friedensbotschaft auch in Japan gehört wird“, sagt Yukiko Higuchi. Die 69-jährige Katholikin lebt in einem zweistöckigen Häuschen im Osten Tokios. Sie war Anfang 30, als Johannes Paul II. hier war. Sie erinnert sich noch genau an dessen charismatische Aura, die den Geist des Friedens verbreitete. Franziskus habe auch diese Ausstrahlung.

Higuchi erzählt das, während sie zum Abendessen einen Gemüseauflauf und zartes Rinderfilet aufgetischt. Ein paar Happen Sushi dürfen auch nicht fehlen. Aus dem Wohnzimmer dröhnen Geräusche einer Spielkonsole, mit der sich die beiden Enkel beschäftigen. Sie wurde getauft, als sie vier Jahre alt war. Die gläubige Mutter wollte es so.

Im Chor ihrer Kirchengemeinde studiert sie gerade Stücke von Brahms ein. Sie singt die Altstimme. Sie wäre selbst gerne zur Messe in den Tokyo Dome gegangen. Aber ihre Gemeinde konnte den rund 200 Mitgliedern nur 20 Eintrittskarten anbieten. Das Losglück fiel auf andere. „Im Fernsehen kann ich den Papst ja auch viel besser sehen“, sagt sie und lächelt.

Unter Premier Abe wächst die Unsicherheit

Sie sei eine glückliche Frau, sagt Higuchi. Ihre Eltern waren wohlhabend, ihr hat es nie an irgendetwas gemangelt. Fünf gesunde Kinder hat sie in die Welt gesetzt, vier davon sind katholisch, nur die jüngste Tochter entschied sich dazu, evangelisch getauft zu werden. Selbst ihr Mann ließ sich vor zwei Jahren mit 72 Jahren noch taufen. Sie schmunzelt, wenn sie davon erzählt. Aber seit einer Weile beschleicht die Frau immer wieder ein unangenehmes Gefühl, eines, das sie bislang nicht kannte aus ihrem Leben: die latente Angst vor einem Krieg.

Seit der stockkonservative Premierminister Shinzo Abe die Regierungsgeschäfte führt, ist ihr diese neue Unsicherheit immer wieder präsent. Abes größtes politisches Ziel bleibt die Änderung der Verfassung, die Japan seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs militärische Zurückhaltung auferlegt. Abe und seinen Anhängern reicht es nicht mehr, dass sie immer nur mäßigend reagieren dürfen, wenn Nordkorea mit Atomwaffen droht, oder die Chinesen sich im ost- und südchinesischen Meer nach Lust und Laune ausbreiten. Auch die Russen sind nicht mehr an das Atomwaffen-Abkommen mit den USA gebunden.

Ungelöste Schuldfrage belastet Ostasien

Japans Rechte wollen nicht, dass ihre Soldaten im Ernstfall nur als Schachfiguren unter US-Führung an die Front geschickt werden. Sie wollen den Krieg selbst führen. Die Friedensbotschaft von Papst Franziskus richtet sich deshalb nicht nur an die schwer bewaffneten Nachbarn Japans, sondern auch an die Gastgeber selbst. Sie sollen nicht noch Öl ins Feuer gießen.

Und dann ist da noch diese Schuldfrage, die die bilateralen Beziehungen in Ostasien seit über 70 Jahren belasten. Japans Kriegsverbrechen, unter anderem die Zwangsprostitution tausender Frauen in Korea und China durch japanische Soldaten in der Zeit der Besatzung, lasten immer noch auf den Seelen der Opfer. Regierungschef Abe machte mit einem Besuch des umstrittenen Yasukuni-Schreins deutlich, dass er von einer moralischen Schuld Japans relativ wenig hält. Denn der Schrein in Tokio ist Gedenkstätte für die Ehrerbietung an japanischen Kriegstoten, einschließlich verurteilter Kriegsverbrecher.

2015 explodierte in den Toilettenräumen des Schreins eine Bombe, für dessen Explosion ein Südkoreaner verantwortlich gemacht wurde. Niemand wurde verletzt, aber die Tat war Ausdruck für die offenen Wunden in Korea. In China sind sie kaum kleiner. Interessant ist die Frage, ob Franziskus dem japanischen Regierungschef eine kleine Nachhilfe in christlichen Glaubensgrundsätzen geben wird, wenn er am Montag persönlich mit ihm sprechen wird. Das Schuldbekenntnis ist eines der zentralen Prinzipien der Katholiken. Wer aufrichtig beichtet, dem wird vergeben.

Marcel Grzanna

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