zum Hauptinhalt
WM als Initialzündung: Deutschland hat durch die WM 2006 viel gutes Image gewonnen.

© picture alliance / dpa

Deutschland: Das tollste Land der Welt

Deutschland ist nach einer neuen Großstudie ein vorbildlicher Staat und ein Paradies für Unternehmer. Siege in Rankings werden zur Gewohnheit – und der Kontrast zur Selbstwahrnehmung immer größer.

Eigen- und Fremdwahrnehmung unterscheiden sich ja häufig. In den meisten Fällen erlauben sich Menschen ein zu positives Selbsturteil, etwa wenn er nach einem Abendessen am nächsten Tag glaubt, eloquent über den VW-Skandal parliert zu haben, während sie sein nervtötendes Geschwafel über irgendwelche Abgaswerte immer noch nicht fassen kann. Deutschland scheint psychologisch ein schwieriger Fall zu sein, denn hier verhält es sich genau umgekehrt. All die viele Selbstzerfleischung um ungenügende Verwaltung, unfertige Flughäfen und unintegrierte Einwanderer findet nämlich im besten Land der Welt statt – wenn es nach einer gerade auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos veröffentlichten Großstudie geht.

In Auftrag gegeben hat sie das US-Magazin „U.S. News & World Report“, bekannt vor allem durch Rankings von Universitäten und Kliniken. Das Monatsmagazin gilt als seriös. Verglichen wurden 60 Staaten nach 75 Kriterien. Diese umfassen sowohl wirtschaftliche Kennziffern als auch weiche Faktoren wie politische Teilhabe, kulturelles Angebot oder das eher subjektive Image eines Landes. Dieses ist im Fall Deutschlands sehr gut – VW-Skandal hin oder her.

Kanada ist Ranking-Schwergewicht seit eh und je.
Kanada ist Ranking-Schwergewicht seit eh und je.

© picture alliance / dpa

Auf den weiteren Plätzen folgen Kanada, Großbritannien und die USA, erst an fünfter Stelle kommt mit Schweden ein skandinavisches Land. Das verwundert schon etwas, belegen die Nordeuropäer sonst bei so gut wie allen vergleichbaren Studien so gewohnheitsmäßig die ersten Plätze, dass sich ein Blick auf diese kaum noch zu lohnen scheint. Immerhin ist auch diesmal in einigen Kategorien der Norden vorne: Dänemark ist beispielsweise das beste Land weltweit für Frauen.

In dem wohl am meisten anerkannten Ranking für Lebensqualität, dem von den Vereinten Nationen herausgegebenen „Human Development Index“, belegt Norwegen den ersten Platz. Deutschland schneidet auch dort mit Platz 6 von allen bevölkerungsreichen Industrienationen am besten ab.

Abenteuer können die Germanen nicht

Ebenfalls etwas überraschend an dem „U.S. News & World Report“ sind weitere Noten in den Einzelkategorien, belegt Deutschland doch beim Unternehmertum den ersten Platz, während in der Sparte „Abenteuer“ nur Rang 45 drin war. Gerade Berliner dürften auch hier einen ziemlich entgegengesetzten Eindruck haben. Da ist sie also wieder, die Sache mit der Eigen- und Fremdwahrnehmung.

Vielleicht ist es aber auch genau die richtige Zeit für Deutschland, in Rankings zu punkten, die viele weiche Faktoren berücksichtigen. Denn nach harten Kriterien, wie dem kompletten kaufkraftbereinigten Bruttoinlandsprodukt eines Landes, hat ein langer und angesichts der Einwohnerzahl wohl auch unaufhaltsamer Abstieg begonnen. Nach Zahlen der Weltbank reicht es hier für Deutschland nach Dekaden auf den Medaillenrängen nur noch für Platz 6, nach Indien ist auch Russland vorbeigezogen. Anderen großen Ländern wie Brasilien und Indonesien könnte das demnächst gelingen.

Stolz: Großbritannien ist das drittbeste Land der Welt.
Stolz: Großbritannien ist das drittbeste Land der Welt.

© AFP

Trotzdem hat Deutschland in den verschiedenen Tabellen einen Lauf. Wären die Staaten Marken, wäre Deutschland die wertvollste – sagt der „Nation Branding Index“. Nur ein Ranking scheint noch zu fehlen, das messen würde, wie stark sich das Selbstbild von der Wahrnehmung eines Landes im Ausland unterscheidet. Der Verdacht liegt nahe, dass Deutschland erneut siegen würde.

Zur Startseite