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Wie steht's um uns Deutsche in Europa? Helmut Schümann umrundet unser Land mit dem Rucksack auf dem Rücken.

© privat

Deutschland drum herum (17): Irgendwie muss es weitergehen

Auf seiner Reise rund um Deutschland trifft unser Kolumnist Helmut Schümann in Österreich auf eine Wirtin, die eine rührende Geschichte erzählen kann, darüber wie es läuft, wenn es auf einmal nicht mehr so gut läuft.

Was nun die Einwanderer und deren Qualifikation angeht, hat Maria Leitner ihre eigene Position. „Mei“, sagt sie, und ich übersetze jetzt lieber aus dem Oberösterreichischen ins Deutsche, „ich habe ja früher selber drüben gearbeitet, in Wegscheid, an der Kasse, aber jetzt kommen die Bayern zu uns und arbeiten hier. Fragen Sie mich nicht, warum, ich nehme an, dass wir bessere Löhne zahlen.“ Maria Leitner ist Hotelwirtin in Kollerschlag, ein paar Kilometer von der Grenze zu Deutschland entfernt. Ob ihre Geschichte taugt für den Blick von außen auf Deutschland, weiß ich nicht, aber es ist eine sehr rührende Geschichte, eine die erzählt, was passieren kann, wenn es auf einmal nicht mehr so läuft, wie es immer gelaufen ist.

„Ich bin aus Mistlberg, das sind nur ein paar Kilometer, mein Mann, der Heinrich, hatte keine Zeit, sich eine Frau zu suchen, die von weiter weg kommt, da hat er halt mich genommen.“ Der Heinrich hat den „Gasthof zur Linde“ geführt, so wie ihn schon der Vater geführt hat und der Großvater und der Urgroßvater. Jetzt ist der Heinrich im Krankenhaus, nichts Schlimmes, er braucht nur ein neues Knie, und dass ich überhaupt ein Zimmer bekommen habe im „Gasthof zur Linde“ war pures Glück, „weil eigentlich bin ich jetzt im Krankenhaus“, sagt Maria Leitner.

Es lohne sich nicht mehr, sagt sie am Abend in der Gaststube, in der sie sitzt und ich sitze und ein Mann, der erzählt, dass er in Guatemala lebt, in Zentralamerika, und hier ist, um einen früheren Kollegen wiederzusehen, den Thomas. Sonst ist niemand in der Gaststube. „Die Gäste bleiben aus“, sagt Maria. Sieben Gasthöfe hat es früher in Kollerschlag gegeben, „jetzt gibt es nur noch uns“. Und sie will jetzt auch nicht mehr, „zwölf Zimmer haben wir, die müssen doch versorgt werden, dazu der Ballsaal, das Restaurant, ich täte ja die Linde verpachten“. Aber der Mo, der Heinrich im Krankenhaus, der will nicht. Der sagt immer, dass die Gäste schon wieder kommen. „Aber die kommen nicht mehr.“

Vier Kinder haben sie, die wollen vom Gasthof nichts mehr wissen. „Recht haben sie“, sagt Maria Leitner. Und dann geht sie hinter den Tresen und schüttet ein Viertel Zweigelt ein. Dass sie schluckt und die Augen wischt, kann man dennoch sehen.

Helmut Schümann umrundet derzeit Deutschland – manchmal mit dem Bus, manchmal im Regionalzug, aber meistens zu Fuß.

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