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Wie steht's um uns Deutsche in Europa? Helmut Schümann umrundet unser Land mit dem Rucksack auf dem Rücken.

© privat

Deutschland drumherum (36): Schümann besucht das Balterland

An der deutsch-belgischen Grenze liegt ein Ort, den ein 74-Jähriger namens Hermann-Josef Balter fest in der Hand hat. Bei seiner Umrundung Deutschlands hat Helmut Schümann den Mann getroffen.

Die Grenze rückt näher, die natürliche Grenze des Wanderers. Ich nähere mich den Niederlanden. Dort wird es hügelig. Doch, doch, um Vaals herum gibt es Hügel. Sie sind nicht gerade hochalpin, auch nicht tauglich für Abfahrten, zumal der Schnee nun endlich auch in den Niederlanden geschmolzen sein dürfte, aber quälen werden sie trotzdem. Nach den Hügeln wird es flach. Und flach. Und flach. Dann wird es nass. Das Problem hat einen Namen, zwei Namen. Es heißt erst Nordsee, dann nach einer kurzen Unterbrechung setzt sich das Problem als Ostsee fort. Die Grenze liegt im Wasser. Ich habe auf dieser Umrundung Deutschlands gelernt, wie man durchs Wasser geht, nicht aber, wie man drüber geht. Die Versuche, einen Fischer zu finden, der mich entlang der Grenze von der niederländischen Küste zur dänischen schippert, waren bislang erfolglos, obwohl ich angeboten habe, das Deck zu schrubben. Fürs Hüpfen von Insel zu Insel fehlt die Zeit. Das Problem ist ungelöst, kommt aber näher und näher.

In Losheim war es noch nicht gewärtig. Losheim liegt an der belgischen Grenze zu Deutschland in der Eifel, eigentlich ist der Ort, den ich besuchte, die deutsch-belgische Grenze. Und noch eigentlicher ist dort weder Belgien noch Deutschland sondern Balterland. Hermann-Josef Balter, inzwischen 74 Jahre alt, hat sich hier verewigt. Von St. Vith aus kommt man über Büllingen nach Losheimergraben, dann nach Losheim. Und wenn man durch Losheim durch ist, gelangt man kurz darauf nach Balterland. Balterland besteht aus der Tankstelle „Old Smuggler“, einem Bistro mit gleichen Namen, beider Besitzer: Hermann-Josef Balter, besteht aus „Balter's Landgasthof“, man ahnt, wer den betreibt. Dann gibt es noch ein Gebäude, an dem Ars TECNICA steht und in dem eine gigantische digital gesteuerte Modelleisenbahn steht und ansonsten Modellfahrzeuge aller Art verkauft werden, ein Gebäude, das die Ars KRIPPANA beherbergt und die Ars FIGURA, eine Ausstellung von Kirchenkrippen aus aller Welt plus Steinfiguren plus einer Puppenwelt. Dann gibt es noch einen Supermarkt der belgischen Kette DelHaize und eine Halle für wechselnde Ausstellungen. Sonst gibt es nichts in Balterland, aber das reicht ja auch schon. Doch, einen Imbiss gibt es noch, und ich aß dort, weil es sonst nichts gibt in Balterland an einem Montag, wenn Ruhetag ist, ich aß dort Jägerschnitzel mit Pommes und möchte darüber nicht mehr reden.

Alles, was es an diesem sonderbaren Ort gibt, gehört Hermann-Josef Balter, einschließlich der Räumlichkeiten der Supermarktkette. Als ich im Bistro „Old Smuggler“ am frühen Nachmittag nach ihm und einem Zimmer im Landgasthof fragte, hieß es im schönsten rheinischen Dialekt: „Zimmer kann isch Ihnen besorgen, is zwar Ruhetach, äwwer dat mache mer schon.“ Dann griff die Frau hinter dem Tresen zum Telefon: „Chef, da isst einer, dä will en Zimmer und dä will Sie auch schpreschen. Is jut, Chef, dann kommense mit dem Schlüssel.“ Der Schlüssel öffnet das Hotel von außen, öffnet auch das Zimmer und es ist eine merkwürdige Erfahrung, allein in einem Hotel zu sein, und zwar ganz alleine, leider öffnete der Schlüssel nicht die Tür zur Gaststube.

Dä Chef hatte aber außer zur Schlüsselübergabe keine Zeit an diesem Montag, die hatte er erst am nächsten Morgen, als wieder Leben kam in dieses Panoptikum. „Ja, was sollte ich machen“, erzählte er, „als die Grenze fiel, habe ich das alte Zollhaus zurückgekauft, das hatte mal meiner Mutter gehört, da hatte ich Vorkaufsrecht. Aber was macht man dann mit so einem Haus? Also, ich hatte diese Krippenausstellung, die habe ich mal in Monschau aufgekauft, ich hatte diese Halle für 2000 Menschen, das fing mal an, dass Lou van Burg hier an der Grenze auftrat für so Kaffeefahrten,  so Kaffeefahrten habe ich damals hier in die Gegend organisiert, da hat man damals in den Siebzigern gut daran verdient, ich hatte ja diesen Supermarkt, ein Kaffeeparadies, als der Kaffee in der BRD noch mit viel Geld versteuert war“, Hermann Josef Balter kommt schnell mal vom Hölzchen aufs Stöckchen, „also, ich hatte die Krippen, die Puppen und dieses alte Zollhaus. Und da habe ich mir gedacht, für die Krippen und die Puppen interessieren sich die Frauen. Aber das ist ja nix für die Männer. Die interessieren sich für Eisenbahnen. Und dann haben wir da diese Eisenbahn aufgebaut.“ Seehofers Traum. Die Grenze bringt mitunter schon erstaunliche Gestalten zu Tage.

Es ist mir übrigens mit der Eisenbahn so ähnlich gegangen wie seinerzeit dem "Spiegel"-Reporter mit der in Horst Seehofers Keller. Ich habe sie nur auf Fotos gesehen, wie gesagt, es war Montag. Montag ist Ruhetag in Balterland. Und am Dienstag musste ich vor Wiedereröffnung der Eisenbahn weiter. Richtung Niederlande. Richtung Nordsee. Wenn Hermann-Josef Balter auch noch eine Bootsausstellung in Losheim/Eifel, fünf Meter neben Belgien, aufgebaut hätte, wäre ich vielleicht noch geblieben.

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