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Wie steht's um uns Deutsche in Europa? Helmut Schümann umrundet unser Land mit dem Rucksack auf dem Rücken.

© privat

Deutschland drumherum (43): 1473 Kilometer - so weit Geist und Fleisch willig sind

Wie steht's um uns Deutsche in Europa? Mit dieser Frage ist Helmut Schümann am 27. April losgewandert - einmal mit dem Rucksack um Deutschland herum. Zwei Monate hat er regelmäßig von seinen Erlebnissen erzählt. Am 30. Juni hat er es geschafft.

Sechs Kilometer noch, lächerlich, sechs Kilometer, sechstausend Meter, würde ich Schritte zählen, sind das etwa 10.000 Schritte, weil ein Kilometer mehr ist als 1000 Schritte. Aber ich zähle keine Schritte mehr, bin ja nicht grenzdebil, sondern bin fast am Ziel. Bin in Wolgast losgelaufen, zwischen Zinnowitz und Bansin Zug gefahren, bin nach Ahlbeck gelaufen, Ahlbeck ist der Nachbarort von Swinemünde, Swinemünde an der Ostsee, Swinemünde in Polen, wo alles anfing am 27. April dieses Jahre.

Ist es von Belang, wie ich von Dänemark nach Wolgast gekommen bin? Nicht auf dem Seeweg, das ist gewiss. Durch Dänemark bin ich gerannt, nicht wirklich, aber bildlich, es rennt sich nicht mehr nach acht Wanderwochen. Es lag nicht an Dänemark, nicht an den Dänen, dass ich mich nicht wohlgefühlt habe in Dänemark, nichts ist faul im Staate Dänemark, nur ich bin es gewesen. Ankommen oder nicht ankommen, that is the question.

Von Ahlbeck sind es noch sechs Kilometer. Wenn ich die gelaufen bin, bin ich seit dem 27. April 1473 Kilometer gelaufen. Das sind 227 Kilometer weniger als geplant. Deutschland hat etwa 3400 Kilometer Grenze zu den neun Nachbarn, die Hälfte davon wollte ich zu Fuß gehen. Die Hälfte von 3400 sind 1700, dass ich ein Weichei bin, hatte ich unterwegs bereits betont. Ich könnte die Schwäche aufs Wetter schieben, dass mich zeitweise hat schwimmen lassen, wo gehen zügiger gewesen wäre. Tatsächlich aber war es so, dass ich im Regen ab und an an Bushaltestellen vorbeikam, dass dann der Geist noch willig war, das Fleisch aber nicht. Oder ich kam an Bushaltestellen vorbei und das Fleisch war noch willig, der Geist aber nicht. Fahren im Trockenen kann auch sehr schön sein.

Es sind jetzt nur noch drei Kilometer bis Polen. Entgegenkommende Spaziergänger wundern sich über einen dauergrinsenden Wanderer. Überholende Spaziergänger gibt es nicht, ich bin der Überholer. Am Wetter hat sich in den vergangenen zwei Monaten nichts geändert, es ist windig, es ist frisch, es ist grau. Auf der linken Seite des Weges steht plötzlich eine Plastik, eine Art Kunstwerk, auf der linken Seite der Plastik ist die Fahne Deutschlands zu sehen, auf der rechten Seite die Polens. Ein Schritt nur und ich bin über die Grenze gegangen, die keine mehr ist, was ist überhaupt Grenze?

Ein paar Meter weiter zeigt mir ein buntes Schild, dass ich in Swinemünde bin. Noch ein paar Meter weiter, fängt die Strandpromenade an. Am Strand steht eine Bierbude. Die stand schon am 27. April hier. Hier fing sie an die Umrundung Deutschlands von außen. Ich bin wieder da.

Ein Résumé? Doch jetzt nicht, nicht im Moment der Euphorie.

Zum Bahnhof sind es noch zwei Kilometer. Also 1475 Kilometer insgesamt. Im Zug nach Stettin macht sich der dunkle Rucksack auf der roten Sitzbank aus Plastik sehr schön. Es ist geschafft. 

Alle Folgen von Helmut Schümanns Umwanderung Deutschlands finden Sie hier.

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