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Panorama: Die Bohème will rauchen

Beim Wiener Opernball wird erbittert ums Nikotin gestritten – man sieht sich vor Gericht

Die nackten Zahlen? Rasch erzählt: 6000 Menschen werden sich beim traditionellen Wiener Opernball am heutigen Donnerstag durch das traditionsreiche Opernhaus drängeln, 2000 davon sind Personal, 4000 haben viel Geld bezahlt. Im 50. Jahr nach dem Wiederaufbau der Staatsoper ist es der 49. Ball. ORF und Bayerischer Rundfunk werden vom lustigen Treiben bis zu vier Stunden am Stück übertragen. Für Heinz Fischer, den österreichischen Bundespräsidenten, ist es der erste Besuch (der Sozialdemokrat hatte das Ereignis bisher gemieden, jetzt, als Staatsoberhaupt, muss er beim Staatsball aber erscheinen), für das Ex-Spice-Girl Gerri Halliwell ebenfalls: Sie ist der eingekaufte Stargast des Wiener Bauunternehmers Richard Lugner, der seit mehr als zehn Jahren den Opernball mit schillernden internationalen Gästen bestückt. Nach der Eröffnung um neun Uhr abends wird das Ereignis dann bis sechs Uhr früh zelebriert. Dann sollte der Opernball 2005 Geschichte sein.

Oder auch nicht: Mit etwas Glück könnte der Ball noch ein längeres Nachspiel haben, das zum Gaudium der Kiebitze vor den Richterstühlen des Landes ausgetragen wird. Der Hausherr, Staatsopern-Direktor Ioan Holender, hat nämlich – um den Zeichen der Zeit Rechnung zu tragen – ein Rauchverbot ausgesprochen. Glimmstängel sind am Tanzparkett, in den Bars, Salons und sogar in den Logen verboten. Wer rauchen will, muss sich in eher schmucklose Raucherzonen zurückziehen. Nachdem der Opernball aber etwas anderes ist als eine ordinäre Wohnungsparty, wo sich die Partygäste am liebsten in der Küche aufhalten, wollen die meisten Raucher darauf keine Rücksicht nehmen. Die Wiener Szenegranden haben fast geschlossen angekündigt, Holenders Verbot zu trotzen und ungehemmt zu qualmen. „Wir machen einfach die Logentür zu“, sagt der Maler Christian Ludwig Attersee zum Society-Magazin „News“. Zumindest in diesem Punkt, da sind sich die honorigen Raucher einig, darf Wien nicht Italien werden.

Holender will den Rauchern die Nummer mit dem Separée nicht durchgehen lassen. 120 Billeteure schickt er als Rauchspürnasen durch die Staatsoper. Wenn sie Witterung aufnehmen und quarzende Sünder erwischen, sollen sie die einmal „höflich dazu auffordern, die Zigarette auszudämpfen. Wenn ein Besucher trotzdem die Hausordnung wissentlich bricht, dann wird die Polizei die Personalien aufnehmen und den Betreffenden anzeigen“ – Gerichtsurteil und 600-Euro-Strafe inklusive. Auch die Nikotin-Rebellen äußerten sich im Vorfeld des Balles eindeutig: „Das werden wir schon sehen – vor Gericht ist Holenders Wunsch wohl rechtlich nicht haltbar“, meint ein Anwalt. Die TV-Übertragung des Opernballs dürfte also durchaus interessant werden. Wird es aufgeregte Diskussionen zwischen Paffern und Billeteuren geben? Schreiduelle, Verbalinjurien? Gar Handgreiflichkeiten? Der Nikotinpflaster-Hersteller Nicotinell wird im Foyer der Staatsoper jedenfalls einen Stand aufbauen und so genannte Raucher-Spenden verteilen.

Übrigens könnte 2005 der erste Ball seit langem sein, bei dem man den Hausherrn Ioan Holender nicht so oft zu sehen bekommt – er hat angekündigt, seiner Nikotinsucht nur in seinem eigenen Büro in der Oper zu frönen. Er ist Kettenraucher.

Markus Huber[Wien]

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