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Panorama: Die Empörung wächst

Der Fall Ashley stößt auch in Deutschland unter Politikern auf zunehmende Kritik

Berlin – Der Fall Ashley in den USA hat auch in Deutschland anhaltende Kritik ausgelöst. Die Eltern des neunjährigen Mädchens, das seit seiner Geburt schwer behindert ist und sich nicht bewegen kann, hatten entschieden, dass die Ärzte das Wachstum der Tochter stoppen sollen, damit sie besser gepflegt werden kann. Dabei wurde das Mädchen mit hohen Dosen Hormon behandelt. Außerdem wurden ihr Brüste und die Gebärmutter entfernt. Der SPD-Gesundheitspolitiker Wolfgang Wodarg sagte dem Tagesspiegel, ein solcher Eingriff wäre nur dann erlaubt und ethisch vertretbar, „wenn er dem betroffenen Menschen hilft“. Die Behandlung eines Menschen müsse „ärztlich indiziert“ sein. „Wenn eine Behandlung nur den Eltern das Leben erleichtert, ist sie abzulehnen.“

Der Behindertenbeauftragte der CDU/CSU-Fraktion, Hubert Hüppe, kritisierte die Behandlung von Ashley als „Verstümmelung“ und „Kindesmisshandlung“. Mit dem Eingriff sei kein „therapeutischer Nutzen“ für das Mädchen verbunden. „Aus meiner Sicht erfüllt das den Straftatbestand der Körperverletzung“, sagte der CDU-Politiker. Auch einem behinderten Menschen dürfe man die Menschenwürde nicht nehmen, indem man ihn wie ein Spielzeug behandele. „Man kann doch einem Menschen nicht das Erwachsenwerden nehmen.“ Hüppe sagte, in Deutschland halte er einen vergleichbaren Fall nicht für denkbar. „Ich glaube nicht, dass hier so etwas passieren könnte.“

Tilo Gräser, Sprecher des Bundesverbands Volkssolidarität, sagte: „Ich kann nur mein Erstaunen darüber äußern, was für eigenartige Lösungen manche Menschen für ihre Probleme finden.“ Es sei bedenklich, sein Kind aus Angst vor späterer Überlastung durch die Gabe von Hormonen am Wachstum zu hindern. Allerdings gebe er zu bedenken, dass nicht alle Gesundheitssysteme der Welt mit adäquaten Pflegestrukturen ausgestattet seien. „Das ist ein Problem, mit dem wir uns in Zukunft wohl auch in Deutschland befassen müssen“, sagte Gräser.

Auch der Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck hat Ashleys Behandlung scharf kritisiert. „Ein körperlicher Eingriff bei einem behinderten Menschen, der nicht der Heilung oder Linderung dient, ist eine Körperverletzung“, sagte Beck der „Netzeitung“. „Deshalb ist die Behandlung des behinderten Mädchens nach meiner Ansicht strafrechtlich und ethisch zu verurteilen.“ Beck sprach von einer Verletzung der Menschenrechte. Diese gälten auch für Behinderte, betonte er. „Und das heißt, dass man in ihre Rechte nicht aus anderen Gründen eingreifen darf als bei Nicht-Behinderten.“

Einer der Ärzte Ashleys, Douglas Diekema, hat die weltweit kontrovers diskutierte Behandlung des Mädchens verteidigt. „Wir haben sehr gründlich darüber nachgedacht, ob bestimmte Behandlungen helfen könnten oder nicht“, sagte der Mediziner „Bild am Sonntag“. „Die Entscheidung fiel nach einer langen Diskussion, und erst nachdem höchst verantwortungsvolle Mitglieder unseres Ethik- Ausschusses die Eltern angehört haben und gesehen haben, wie sie mit ihrer Tochter umgehen“, sagte Diekema. Neben „ein, zwei beunruhigenden E-Mails“ habe er auch viel zustimmende Post erhalten. „Jedes Mal, wenn wir Medikamente verschreiben, ein gebrochenes Bein behandeln oder versuchen, Krebspatienten zu heilen, verändern wir Dinge, die ansonsten eine natürliche Entwicklung gewesen wären“, erklärte der Mediziner aus Seattle.

Die Eltern teilten online mit, ihre Webseite habe seit Bekanntwerden der Geschichte in den Medien über eine Million Zugriffe erhalten. In 48 Stunden seien mehr als 1000 Kommentare eingegangen.

Im Internet erfuhren die Eltern Unterstützung, aber auch massive Kritik. „Abscheulich“, „grotesk“ und „wie bei Frankenstein“, hieß es. „Hier haben die Ärzte nur wieder versucht, Gott zu spielen.“

In einem öffentlichen Brief erklärten die Eltern ihre Beweggründe. „Ashley geht es gut, sie ist gesund, glücklich und wird liebevoll betreut“, heißt es auf der eigens eingerichteten Internetseite. „Die ,Ashley Behandlung’ hat den Zweck, die Lebensqualität unserer Tochter zu erhöhen und nicht die Bequemlichkeit ihrer Betreuer.“

Die Ursache für die Krankheit des Kindes ließ sich den Eltern zufolge trotz unzähliger Untersuchungen nicht klären. Ashley ist nach Angaben ihrer Eltern auf dem geistigen Entwicklungsstand eines drei Monate alten Babys. Sie könne sich nicht selbst bewegen, umdrehen oder den Kopf halten, geschweige denn ein Spielzeug in die Hand nehmen. „Wir nennen sie unseren Kissen-Engel“, schreiben die Eltern, „weil sie so süß ist und immer genau da bleibt, wo wir sie hinlegen – normalerweise auf ein Kissen“. ce/S.K./dpa

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