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Panorama: Die große Bleiche

Inmer mehr Asiatinnen wollen weiße Haut – wie das Model Sigi. „Weil das sauberer aussieht“, sagt sie

Von Moritz Kleine-Brockhoff,

Jakarta

Eva Muliaty huscht durch eine Seitentür in ihre Praxis im Stadtteil Grogol und verschwindet im Büro. „Ich habe heute keine Sprechstunde, mir darf keine Patientin über den Weg laufen“, sagt sie. Sechs Praxen in Jakarta, 100 Angestellte, 50 Patienten pro Tag, die drei Wochen warten müssen auf einen Beratungstermin bei der Chefin – Muliaty ist eine Mischung aus Hautärztin und Schönheitspäpstin. „Kosmetikmedizinerin“ nennt sie sich, manchmal rutscht ihr statt „Patientinnen“ das Wort „Kundinnen“ raus. Die meisten Frauen, die sie berät, haben weder Akne noch andere Hautprobleme. „Sie wollen hellere Haut haben“, sagt Eva Muliaty und lächelt. „Das kriege ich hin.“

Im großen Behandlungsraum stehen in zwei Reihen 30 schmale Tische, daneben Lampen, die ein gleißendes Licht verbreiten. Die Frauen liegen auf dem Rücken. Muliatys Angestellte lösen das Bleichpulver nach dem Rezept der Chefin in ein paar Tropfen Wasser auf und tragen die Packung vorsichtig auf die Gesichter der Frauen auf. „Es funktioniert“, sagt eine. „Meine Haut wird immer blasser. Wunderbar.“ Wie sich das Pulver zusammensetzt, das weiß sie nicht. „Nur weiße Tonerde, Talg, Zinkoxyd, Titanoxyd und Vitamine“, erklärt die Ärztin. „Man muss es täglich anwenden. Sobald man mit der Therapie aufhört, wird die Haut wieder dunkler.“ Ihr Natur-Chemie-Rezept schade der Haut nicht, behauptet sie.

Nicht nur Indonesien, ganz Asien bevorzugt im Moment helle Haut. Sie gilt als vornehm, dunkel sind von jeher die, die im Freien arbeiten müssen. Damit die Haut ein wenig heller wird, investieren einige Männer, aber vor allem die Frauen viel Geld, Zeit und Mühe. „Das Phänomen verbreitet sich immer weiter, ist aber nicht neu“, sagt die Soziologin Julia Suryakusuma. „Fast alle asiatischen Länder waren früher Kolonien. Wir wurden gezwungen, zu den Weißen aufzuschauen, das steckt noch in uns. Und heute kommt die westliche Kulturdominanz dazu – 90 Prozent der Weltstars sind weiß.“

Auch lokale Schönheiten – Models, Schauspielerinnen und Nachrichtensprecherinnen – werden unter anderem nach ihrer Haut ausgesucht. Je heller, desto besser. „Klar wollen wir alle helle Haut“, sagt auch das Model Sigi, die für Weißmacherprodukte wirbt, „aber nur, weil das sauberer und frischer aussieht.“ Asiens Bleichmanie sei grenzen- und klassenlos, meint die Soziologin Suryakusuma: „Die Armen mixen Naturprodukte, die Reichen kaufen Markenartikel.“

Die Kosmetikindustrie setzt in Asien mit Aufhellern jährlich hunderte Millionen Euro um. Jakartas Einkaufszentrum Plaza Indonesia, in der Guardian-Drogerie: „Hautpflege“ steht über der Regalreihe. Rund drei Viertel der Produkte versprechen hellere Haut. Seife, Lotion, Deodorant – alles als Weißmacher zu haben. Unter Namen wie „Whitening Care“ (Nivea), „White Beauty“ (Pond’s), „Light Tonight“ (Extraderm) oder „White Perfect“ (Loreal) bietet die Industrie ihre Produktpalette an. Im dritten Stock des Einkaufzentrums hat The Body Shop sein Geschäft. Die Kette hat seit Jahren den Ruf, „politisch korrekt“ zu sein. Mitte der 90er Jahre warb sie in Indonesien mit einer pummeligen Puppe: „Es ist nicht nötig, dünn zu sein und weiße Haut zu haben, um das Leben zu genießen.“ Heute verkauft der Body Shop in Indonesien wie alle Drogerien Bleich-Lotions. „Wir bieten darin die feinsten Produkte an, die die Natur zu bieten hat“, rechtfertigt sich Body Shop-Sprecherin Ukke Kosasih.

Kosasih wirft anderen Firmen Gewalt gegen Frauen vor, manche setzten ihren Produkten vier Prozent Hydrochinon bei, sagt sie. Die Chemikalie und das Quecksilber sind die effektivsten und gefährlichsten Weißmacher. Wer zuviel Hydrochinon aufträgt, riskiert Hautschäden, wer zuviel Quecksilber aufnimmt, hat ein erhöhtes Risiko für Nierenerkrankungen. Ihre Nieren schädigen sich viele Asiatinnen auch durch den neuesten Weißmachschrei: Vitamin C-Infusionen. Nach einer solchen Infusion soll die Haut kurzfristig blasser werden. Auch Gesichtsbehandlungen mit Retinsäure sind beliebt. Die Haut pellt sich radikal, eine hellere Schicht kommt zum Vorschein. Nicht alle Methoden sind brutal. Fotomodell Sigi schwört, seit zweieinhalb Jahren täglich eine Lotion mit Weißmacher zu benutzen. „Ich spiele Golf, dabei werde ich schnell braun. Die Lotion gleicht das aus, völlig unschädlich.“ Sigi lacht fröhlich. Und dabei sieht man ihre strahlend weißen Zähne.

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