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Panorama: Die Maddy-Suchmaschine

Eltern versuchen mit PR-Experten die vermisste Tochter zu finden – jetzt kommt Kritik von der Polizei

Riesengroß erscheint das Gesicht von Madeleine auf der digitalen Anzeigetafel des neuen Wembley-Stadions. Es folgt ein bewegender Videofilm mit Fotos der kleinen „Maddy“, wie die in Portugal Anfang Mai verschwundene Madeleine mittlerweile genannt wird. Wie sie spielt und lacht. Immer wieder unterbrochen von den riesigen Lettern „Look for Maddy“ – sucht Maddy. Rund 90 000 Menschen, die zum britischen Pokalfinale zwischen dem FC Chelsea und Manchester United gekommen waren, halten die Luft an. Zweieinhalb Minuten Schweigen auf den Rängen. Nicht wenigen Fußballfans rollen Tränen über die Wangen. Weltweit sahen Schätzungen zufolge 500 Millionen Sportfans an den TV-Schirmen das wie ein Werbespot gemachte Profivideo.

Doch dies war nur der neuste Beitrag zur internationalen Kampagne, welche Madeleines Eltern Kate und Gerry McCann und weitere Familienangehörige angekurbelt haben. Inzwischen unterstützt von PR-Experten, Anwälten, britischen Prominenten und multinationalen Unternehmen, haben sie die größte und spektakulärste private Suchaktion angekurbelt, die die Welt je gesehen hat.

Die vierjährige Madeleine war am 3. Mai aus dem Urlaubsappartement ihrer Eltern in dem portugiesischen Algarvedorf Praia da Luz verschwunden. Als Kate und Gerry McCann vom Abendessen zurückkamen, war Madeleine, die sie zuvor ins Bett gelegt hatten, nicht mehr da.

Inzwischen sind auch globale Hamburger- und Supermarkt-Ketten, Fluggesellschaften, Autovermieter, Tankstellen, Banken und Handy-Betreiber auf den Solidaritätszug aufgesprungen. Sie verteilen Suchplakate, hängen „Maddy“-Fotos in die Schaufenster und senden Bilder mit dem Gesicht der Vierjährigen millionenfach als SMS an ihre Kunden.

Auch im Internet gibt es eine wahnsinnige Madeleine-Welle: Die offizielle Such-Webseite der Familie McCann (www.findmadeleine.com) verzeichnete in wenigen Tagen bereits 90 Millionen virtuelle Besucher. Und weil mit vielen Web-Klicks viel Geld zu verdienen ist, versuchen Betrüger mit dem Namen Madeleines die Internet-Nutzer umzulenken auf kommerzielle Seiten, auf denen Immobilien, Chats und Kontakte angeboten oder auch Kontodaten ausspioniert werden. „Es ist eine Schande, dass Leute die allgemeine Hilfsbereitschaft derart ausnutzen“, sagt Madeleines Onkel John McCann, der von Großbritannien die Kampagne steuert.

Madeleines Eltern harren derweil weiter in dem portugiesischen Algarvedorf Praia da Luz aus. Sie hatten geschworen, ohne ihre Tochter nicht nach Hause in die mittelenglische Kleinstadt Rothley zurückzukehren. Fast täglich stellen sie sich den internationalen Medien, die sich in dem Dorf einquartiert haben, und versorgen die Berichterstatter mit neuen Informationen, Fotos und Videomaterial. So versuchen die McCanns, das Interesse der Öffentlichkeit am Verschwinden ihrer Tochter aufrechtzuhalten.

Derweil tappt die portugiesische Polizei weiter im Dunklen. „Es wird allmählich das Schlimmste befürchtet“, schreiben portugiesische Zeitungen. Die Ermittlungen im Umkreis zweier Verdächtiger – ein 33-jähriger britischer Immobilienmakler und ein 22-jähriger russischer Informatiker, die ebenfalls in Praia da Luz wohnen – brachten bisher keine Ergebnisse. Beide sagen, sie seien unschuldig und würden nun zu „Sündenböcken“ gemacht.

Bei den Sicherheitsbehörden stößt die gigantische private Öffentlichkeitskampagne derweil auch auf Kritik. Bei zahlreichen Polizeidienststellen vor allem in Portugal und Großbritannien, aber auch in Griechenland oder sogar Marokko seien in der um sich greifenden „Madeleine-Hysterie“ etliche Hinweise eingegangen, die wenig Substanz gehabt hätten. Man müsse natürlich alle Angaben prüfen, hieß es, aber dies würde die eigentliche Suche und die Auswertung ernsthafter Spuren zunehmend erschweren.

Ralph Schulze[Madrid]

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