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Panorama: Die MoMa-Schlange, sie lebt weiter

Das Museum of Modern Art in New York hat nach langer Erneuerung wieder seine Tore geöffnet

Der Mann mit der roten BaseballKappe vor dem Eingang des Museum of Modern Art (MoMA) klingt wie eine Schallplatte mit Sprung: „Vielen Dank, dass Sie trotz des Regens so lange gewartet haben. Sie können jetzt reingehen. Genießen Sie Ihren Besuch. Vielen Dank, dass Sie …“ Trotzdem geht es nur langsam voran. Die Schlange mit den Menschen, die sich mühsam unter Schirmen und Zeitungen vor dem nasskalten Herbstwetter in New York schützen, reicht die ganze 53. Straße hinunter, die 5. Avenue hinauf, die 54. Straße entlang und die 6. Avenue wieder hinunter. Das ist ungefähr ein Kilometer. Oder wenigstens eineinhalb Stunden Wartezeit. Sollten sie das MoMa nicht zwischendurch dicht machen, weil sich schon zu viele Besucher darin befinden.

Es scheint fast, als hätte die Kultstätte moderner Kunst das Fieber, das sie mit ihrem Besuch in Berlin auslöste, zurück ins heimische New York genommen. Zwar muss hier bislang niemand elf Stunden lang anstehen und auch Eintrittkarten für die kommenden Tage sind noch zu haben, aber ein gesellschaftliches Ereignis von hohem Stellenwert ist die Wiedereröffnung allemal. Zweieinhalb Jahre hatte die Erneuerung gedauert, für viele Fans eine quälend lange Zeit.

„Es hat mich echt gestört, dass mein Lieblingsplatz in Manhattan so lange geschlossen war", sagt Mark Lindsey, 39 Jahre alt. Vier- bis fünf Mal im Jahr kam er bislang mindestens. So wie ihm gilt das MoMA mitten im Herzen Manhattans vielen New Yorkern nicht nur als Kunststätte, sondern auch als Oase der Entspannung in der Großstadthektik.

Allerdings ist die Oase nun reichlich teuer geworden. Am Eröffnungstag war der Eintritt noch frei, aber danach kostet er für Erwachsene 20 Dollar pro Kopf. „Das ist eine Frechheit“, wettert Lindsey, „so teuer ist kein anderes Museum im gesamten Land“. Auch dass ein Sponsor wenigstens Freitagnachmittags für die nächsten vier Jahre den kostenlosen Besuch garantiert, kann ihn nicht beruhigen: „Das ist eine Mogelpackung. Dann wird es so voll sein, dass man nichts mehr von der Kunst sieht.“

„Für mich ist es heute wahrscheinlich das erste und das letzte Mal, dass ich kommen kann“, sagt Gina Landi, 39 Jahre alt. Auch ihr sind 20 Dollar zuviel für ein Ticket. Da nimmt sie dann lieber die fast zwei Stunden Wartezeit am ersten Tag in Kauf. Lucyna Szylejko und Grzegorz Parzoch haben ebenfalls nur kurz überlegt, ob sie sich tatsächlich ganz ans Ende der Wartenden in der 6. Avenue anstellen sollen. „Es ist einfach ein großes Ereignis für die ganze Stadt“, sagt Szylejko, „wir haben gestern einen Bericht im Fernsehen gesehen, der uns neugierig gemacht hat.“ Normalerweise gehen die beiden New Yorker nur ins Museum, wenn sie ihren Besuch herumführen, aber das MoMA ist auch für sie ein besonderer Ort. Nach der Renovierung um so mehr. „Nach dem, was ich bislang gesehen habe, fasziniert mich die Architektur sehr“, sagt Parzoch, „das will ich unbedingt sofort mit eigenen Augen sehen.“

Den gegenüber früher um 60 Prozent erhöhten Eintrittspreis finden beide nicht so schlimm. Es gebe schließlich viele Ermäßigungen etwa für Studenten und Rentner. Jugendliche unter 16 Jahren kämen gar frei hinein, sagt Szylejko. Außerdem habe gute Kunst nun einmal ihren Preis.

Ausgestanden ist die Diskussion allerdings noch nicht. „Wir wollen die Kunst doch nur sehen, nicht gleich kaufen“, lästerte etwa die Tageszeitung „Newsday“. Und die „New York Times“ erinnerte in ihrem Editorial zum Eröffnungstag mit erhobenen Zeigefinger an den Bildungsauftrag, den das Museum habe. Dan Levenson schließlich, ein junger Künstler aus Brooklyn, startete schon vor Wochen seine Protestaktion gegen die Preiserhöhung.

„Die Aufgabe des Museums ist, seine Türen offen zu halten und nicht eine Luxusmarke wie Gucci zu werden. Ich verstehe ja die Notwendigkeit, Geld zu sammeln. Aber die Prioritäten sind verkehrt herum“, sagt er, spaziert mit zwei auf Pappe geklebten überdimensionalen 20-Dollar-Noten durch die Straßen und wirbt für seine Webseite (www.freemoma.org).

MoMA-Direktor Glenn Lowry reagiert auf die Kritik mit dem Hinweis, dass das Museum für den laufenden Betrieb keine öffentlichen Gelder erhalte: „Wer denkt, es sollte frei sein, der muss bei der Regierung protestieren.“

Ansonsten genießt Lowry die Vorschusslorbeeren, die das Museum von den Kritikern erhielt. Die 485 Millionen Dollar teuere Erweiterung des japanischen Architekten Yoshio Taniguchi, die die Ausstellungsfläche von 7900 auf 11600 Quadratmeter wachsen ließ und die Gesamtfläche des neuen Gebäudes zusammen mit den Büros fast verdoppelte, loben sie einhellig. Die „Times“ stufte sie ein als „eines der exquisitesten Stücke Architektur, das in der Stadt seit mindestens einer Generation gewachsen ist“. Als „herausragend und subtil“ würdigte sie das Magazin „The New Yorker“. Seit Samstag nun kann dies jeder beurteilen, der hierher kommt.

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