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Panorama: Die Rückkehr der Bisons

Sie waren fast ausgestorben. Heute leben Hunderttausende der majestätischen Tiere auf Farmen Ihr schmackhaftes Fleisch brachte sie zurück auf Nordamerikas Weiden. Und die Nachfrage steigt.

Bill ist Menschen gewöhnt. Er geht zärtlich mit ihnen um, so weit das bei einem Jungbison möglich ist. Ein Jahr alt ist Bill, sein Kopf mit den beiden wohlgeformten Hörnern wirkt schon recht massig. Ein freundlicher Schubs mit dem Kopf lässt die Kraft ahnen, die bereits jetzt in dem kleinen Bison steckt. Bill lässt sich Gras und etwas Wolle vom struppigen Fell zupfen, dann wandert er ab zur Tränke.

Offensichtlich genießt Bill sein Leben auf der Battle River Bison Farm. „Er ist unser Haustier“, sagt Richard Allan, der mit seiner Frau Cheryl seit 2006 die Bison-Ranch in Perth bewirtschaftet, etwa 60 Kilometer westlich der kanadischen Hauptstadt Ottawa. „Bills Mutter hatte zwei Kälber und nahm nur eines an. Da haben wir Bill vom ersten Tag an mit Schafsmilch großgezogen“, erzählt er und tätschelt das Tier. In den ersten Monaten lebte Bill auf der Wiese am Haus, zusammen mit einigen Schafen, einem Lama und zwei Pferden. „Aber er wurde zu kräftig und wollte in die Küche eindringen.“ Bill, der jetzt 150 Kilogramm wiegt, musste zu den anderen Büffeln auf die mit Holz- und Metallzäunen gesicherte Weide umziehen.

Richard Allan lehnt am Zaun und blickt auf seine Herde, die am anderen Ende der Weide friedlich grast. Im Gras liegen Kälbchen. Um sie herum stehen die dunkelbraunen zottigen Muttertiere und einige Bullen. Sie werfen ihr dichtes Winterfell ab, das sie einige Monate lang gegen die eisige Kälte des kanadischen Winters geschützt hat. Die Wolle des Bisons und des Moschusochsen sind die wärmsten Naturfasern, erzählt der 47-jährige Farmer.

Sechzig Tiere besitzt Richard Allan. Angefangen hat er mit zehn Tieren, die er von einem Züchter in Kingston am Ontariosee gekauft hatte. Er war aus Alberta, wo er in den Ölfeldern arbeitete, nach Ontario gekommen, der Heimat seiner Frau. „Wir überlegten, ob wir Schafe oder Alpakas halten sollten. Schließlich entschieden wir uns für Bisons“, sagt Allan.

Bisons sind prächtig anzusehende, majestätische Tiere. Auf den Farmen werden sie aber nicht wegen ihrer Schönheit gehalten. Die Bisonhaltung in Nordamerika hat in den vergangenen Jahren einen gewaltigen Aufschwung erlebt, weil die Nachfrage nach dem qualitativ hochwertigen nahrhaften Fleisch gestiegen ist. Skandale um Rind- und Schweinefleisch wie die BSE-Krise förderten das Interesse. „Die Nachfrage übertrifft bei weitem das Angebot“, sagt Mark Silzer, Präsident der Canadian Bison Association (CBA) in Regina in der Prärieprovinz Saskatchewan. „Wir arbeiten daran, die Herden zu vergrößern.“ Silzers Verband und die US-amerikanische National Bison Association veranstalten Workshops für Rancher, die von Rindern auf Bisons umstellen wollen. „Aber man braucht Geduld, um eine Herde aufzubauen“, sagt Silzer, der in Humbold in Saskatchewan seit 20 Jahren eine Farm mit heute rund 400 Tieren bewirtschaftet.

Einst zogen viele Millionen Bisons über Nordamerikas Ebenen. Sie sicherten den Indianern das Überleben, gaben ihnen Fleisch und Felle. Aber das Eindringen der europäischen Siedler hatte für den Präriebison und den weiter nördlich lebenden kräftigeren Waldbison katastrophale Folgen. 200 Jahre später, Ende des 19. Jahrhunderts, hatte eine exzessive Jagd sie auf wenige kleine Herden reduziert. Weniger als 1000 Tiere hatten das rücksichtslose Abschlachten überlebt.

Heute leben auf den Bisonfarmen in Kanada und den USA wieder annähernd eine halbe Million dieser Tiere, hinzu kommen freilebende Herden in Nationalparks. Diesmal rettete sie die Nachfrage nach ihrem Fleisch. „Der beste Weg, den Bison zu retten, ist ihn zu essen“, witzeln die Verbände der Bisonfarmer. Für die Büffel wurden über die vergangenen Jahre „hunderttausende Hektar kultiviertes Land in Grasland zurückgeführt“, erklärt die CBA. Obwohl es nicht die Rückkehr zum Urzustand sei, biete es doch viele ökologische Vorteile wie Schutz vor Erosion und Lebensraum für Pilze, Insekten, Erdhörnchen und Rehe.

Schritt für Schritt ziehen die Bisons auf Richard Allans Farm über die Weide. Etwa 25 Hektar groß ist Allans Weideland. Bisons sind genügsam. Sie brauchen kein sattes grünes Land. „Und sie werden selten krank und haben beim Kalben wenig Probleme, anders als Kühe“, erzählt Allan. Daher kann er seinen Kunden auch versprechen: „Keine Antibiotika, keine Wachstumshormone.“ Acht bis zehn Tiere liefert Allan jährlich dem Schlachthaus in Kingston. Drei Jahre alt sind sie dann, wiegen etwa 500 Kilogramm und geben rund 200 Kilogramm Fleisch, Knochen nicht mitgerechnet.

Die Verbände schätzen, dass die Nachfrage nach Fleisch so groß ist, dass die Produktion jährlich um 20 Prozent steigen könnte. Im Jahr 2009 wurden in Nordamerika 92 000 Bisons geschlachtet, doppelt so viel wie 2005. Aber das ist immer noch weniger als die Zahl der Rinder, die an einem einzigen Tag in den USA geschlachtet werden. Aber Massentier- und Intensivhaltung kommt für die Bison-Rancher nicht in Betracht. „Bisons sind eine Spezies, die zu unserem Ökosystem passt. Daher braucht es Zeit, die Produktion zu erhöhen“, sagt Terry Kremeniuk, Geschäftsführer der CBA.

Schilder am Highway 7 laden zum Besuch der Battle River Bison Farm ein. Aber sie warnen auch davor, die Weiden zu betreten. So friedlich die Bisons aus der Distanz erscheinen mögen, „es sind wilde Tiere“, sagt der Farmer. „Man muss vorsichtig sein.“ Allan selbst habe noch keine gefährlichen Situationen mit den Tieren erlebt: „Ich weiß, wie ich mit ihnen umgehen muss.“

Mit einem Eimer geht er in die Koppel, in der Bill und ein paar andere jüngere Tiere grasen. Der kleine Bison geht auf Allan zu. Neugierig steckt Bill seine Schnauze in den Eimer mit Futter. Natürlich bekommt er auch ein paar Streicheleinheiten. Selbst wenn er wüsste, warum Bisonfarmen in Nordamerika so populär sind, er müsste sich keine Sorgen machen. Anders als einigen seiner Artgenossen auf der Weide, wird ihm der Gang zum Metzger erspart bleiben. Niemals werde er zum Schlachthaus gebracht, versichert Richard Allan. „Bill ist Teil unserer Familie.“

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