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Panorama: Die scharfen Minen der DDR

An der einstigen innerdeutschen Grenze besteht noch immer ein Risiko, in die Luft gesprengt zu werden.

Die frühere Grenze durch Deutschland ist heute nahezu unberührte Natur. Doch am einstigen Todesstreifen lauern noch immer Gefahren. Wie ein vom Thüringer Umweltministerium in Auftrag gegebenes Gutachten feststellt, besteht für 220 Kilometer Ex-Grenze im Freistaat „mindestens ein Restrisiko“. Für 25 Kilometer haben die Experten sogar ein „erhöhtes Restrisiko“ ermittelt. Das entspricht 3,3 Prozent des früheren Grenzverlaufs von 763 Kilometern in Thüringen.

Anlass für die neuerliche Untersuchung war ein Minenfund bei Schalkau im Landkreis Sonneberg. Im August 2010 war ein Ehepaar in der Nähe des Froschgrundsees beim Pilzsammeln auf eine scharfe Antipersonenmine vom sowjetischen Typ PMN gestoßen. Die Hinterlassenschaft stammt von den DDR-Grenztruppen. Rund 1,3 Millionen der inzwischen geächteten Landminen waren verlegt worden, um die Ostdeutschen von der Flucht abzuhalten.

Nach dem Fund am Froschgrundsee fragten sich die alarmierten Behörden, ob nicht generell noch eine Minengefahr im einstigen Todesstreifen besteht. Zwar hatte die DDR-Führung die Minen auf Druck des Westens bereits in den 80er Jahren geräumt und nach der Wiedervereinigung fand eine neue großangelegte Suche statt. Der damalige Bundesverteidigungsminister Volker Rühe verkündete 1995, dass „nach menschlichem Ermessen die Grenze minenfrei ist“. Aber der Fund bei Schalkau, wie auch einige andere zuvor, belegen das Gegenteil. Es wird geschätzt, dass in Thüringen rund 32 000 Minen nicht gefunden worden sind; ihre Räumung ist nicht dokumentiert. Die Schalkauer Mine war für Thüringens Umweltminister Jürgen Reinholz der Anlass, ein Weimarer Ingenieurbüro mit dem neuen Gutachten zu betrauen.

Der Untersuchung zufolge finden sich Bereiche mit erhöhtem Risiko beispielsweise in der Rhön zwischen den Orten Vacha und Tann. An der Grenze zu Unterfranken ist das Grabfeld betroffen. In Richtung Oberfranken sind es Bereiche in der Gegend von Bad Rodach bis Sonneberg. Insgesamt 42 Flächen mit erhöhtem Restrisiko hat das Gutachten ermittelt. Manche sind nur 20 Meter lang, andere bis zu einem Kilometer. Die Experten glauben, dass Minen auf verschiedene Weise von ihrem einstigen Standort abgedriftet sind – beispielsweise an Hängen bei Starkregen. Auch Hochwasser, Tiere, Erdarbeiten und selbst die bereits erfolgte Beräumung können für Verschiebungen gesorgt haben. So lag die Mine am Schalkauer Froschgrundsee rund 20 Meter neben dem einstigen Todesstreifen.

Wie Thüringen mit den Befund umgeht, ist noch nicht endgültig geklärt. Jetzt bildete die Landesregierung eine interministerielle Arbeitsgruppe. Sie soll unter anderem prüfen, ob erneut eine Suche nach verschollenen Minen unternommen werden muss. Wann das Ergebnis feststeht, ist offen. Nach der ersten Sitzung der Arbeitsgruppe am Dienstag teilte ein Sprecher des Erfurter Umweltministeriums mit, dass „über weitere Schritte und Konsequenzen“ noch beraten werden muss. Zugleich warnte das Ministerium vor Panikmache. „Wenn die Leute auf den Wegen bleiben, sind sie sicher“, sagte Abteilungsleiter Karl-Friedrich Thöne. Wanderer und Pilzsammler sollen auf Schildern gewarnt werden.

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