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Zu eng für die Massen. Doch an manchen Tagen schieben sich bis zu 7000 Besucher durch den Siq in Petra. Foto: laif

© mauritius images

Panorama: Die Schlucht zur Würde

Der Siq ist eng, der Siq ist mehr als einen Kilometer lang. Doch wer nach Petra will, muss durch den Siq.

Der Siq ist eng, der Siq ist mehr als einen Kilometer lang. Doch wer nach Petra will, muss durch den Siq. Ströme von Menschen schieben sich durch die Schlucht mit den 70 Meter hohen Wänden wie durch einen Flaschenhals. Ab und zu drückt eine Pferdekutsche die Fußgänger zur Seite. 5000, 6000, ja 7000 Besucher sollen es an manchen Tagen sein – 2000 wären nach Ansicht der Unesco die Obergrenze. Aberhunderte von Kreuzfahrtpassagieren kommen mit Bussen aus Aquaba, gerade mal für zwei, drei Stunden. Insgesamt haben im vergangenen Jahr 785 000 Touristen die jordanische Felsenstadt bestaunt. So ist es, wenn ein Weltkulturerbe per SMS-Abstimmung auch noch zu einem der „Sieben Weltwunder von heute“ gewählt wird.

Am Ende des Weges leuchtet rötlich im Sonnenlicht ein Tempel von vollendeten Proportionen: sechs Säulen, darüber ein Dach und eine zweite Reihe kürzerer Säulen, zwischen denen ein Rundbau mit einer kleinen Krone thront. Es ist Al Khazneh, das Schatzhaus, so etwas wie das Wahrzeichen Petras. Allerdings ist dieser Tempel gar kein Tempel, er ist lediglich Fassade, herausgemeißelt aus dem weichen Kalkstein des Berges. Hinter der Vorderfront ist nichts weiter als ein zehn Meter hoher leerer Raum mit glatten Felswänden.

Vor dem Schatzhaus verkaufen Beduinen Fotobände, kleine Pferde aus Metallguss und Glasfläschchen, in die sie durch einen Trichter verschiedenfarbigen Sand zu Bildern rieseln ließen: Stillleben mit Kamel und Palme. Den Sand mahlen sie aus den Steinen Petras, und wenn es so weitergeht, meint einer der Führer, wird von Petra irgendwann nicht mehr viel übrig sein. „Jetzt kaufen!“, sagt er. „Mach einen Sonderpreis für meine Freunde!“

Petra war die Hauptstadt der Nabatäer, die ihre historische Glanzrolle vom 1. Jahrhundert vor bis zum 1. Jahrhundert nach Christus spielten. Durch ihr Gebiet führte die Weihrauchstraße, auf der Gewürze, Seide und Elfenbein transportiert wurden. Die Herren des Landes erhoben Schutzgelder von den Karawanen, wurden reich und wollten ihr Vermögen schließlich auch vorzeigen. Deshalb ließen sie Steinmetze aus Rom und Athen kommen. Die meißelten ihnen die schönsten Attrappen in den Stein und kombinierten ungeniert griechische Dächer, römische Freitreppen und ägyptische Obelisken zu einem antiken Disneyland.

Über dem Weg zum Zentrum liegen Duftschwaden von Thymian, Oleander und Wermut. Nach wenigen Metern öffnet sich ein prächtiger Ausblick: In einem Rund von eineinhalb Kilometern erstreckt sich ein weiter Talkessel, übersät von Säulen, Quadern und Mauerresten. Einige Bergseiten sind durchlöchert wie Emmentaler Käse, an anderen reiht sich, wie in einer historischen Ladenzeile, Fassade an Fassade. Ein Fußpfad führt zu den Königsgräbern – von denen allerdings kein Mensch weiß, ob es tatsächlich Gräber waren oder Tempel, Wohnpaläste, reine Denkmäler. Das Palastgrab mit seinen verwitterten Säulenreihen imitiert einen römischen Prunkpalast. Die Front des Seidengrabes dagegen, über die weiß-gelb-rötlich-violette wolkige Schwaden zu ziehen scheinen, erinnert an einen marmorierten, geprägten Buchdeckel. Und natürlich waren auch die Römer hier. Die Prachtstraße mit den Säulenresten und dem großen Triumphbogen haben sie angelegt, als es ihnen 106 nach Christus endlich gelungen war, Petra zu erobern.

Vielerorts sitzen zwischen den Trümmern Frauen neben einem kleinen Tisch voll farbiger Sandsteinstückchen oder „antiker“ Öllämpchen und Münzen – billigster Ramsch aus China. Kinder sind mit Postkartenstapeln unterwegs, Männer versuchen Touristen zu einem Ritt auf ihrem Pferd oder einem Foto mit Kamel zu überreden. „Dieser Ort hatte eine gewisse Würde“, sagt Eid Nawafleh, „und die muss er wiederbekommen.“ Der Unternehmer, der in der Stadt eine Galerie mit heimischem Kunsthandwerk und eine Kochschule für Touristen betreibt, ist einer der Motoren von Bait al Anbat, einer Gruppe von Wissenschaftlern, Journalisten und Geschäftsleuten, die sich dem Schutz Petras verschrieben haben.

In Broschüren klärt der Verein Touristen auf, warum sie Kindern keine Souvenirs abkaufen sollen. Oder wie sie darauf einwirken können, dass Beduinen ihre Tiere gut behandeln. Bait al Anbat hat auch mit dafür gesorgt, dass die jordanische Regierung im Jahr 2010 eine Reihe einschneidender Veränderungen vornehmen will:

Neue Rundwege durch das 20 Quadratkilometer große Gelände sollen die Besuchermassen entzerren. Pferde, deren Hufe den Stein zerstören, sind Eid Nawafleh zufolge künftig nicht mehr erlaubt. Wer will oder muss, kann für den einen Kilometer langen Fußweg vom Tor zur Schlucht einen Elektrowagen nehmen. Der Preis ist im Eintritt künftig ebenso enthalten wie die Möglichkeit, in kurzen Abständen an einer dreistündigen Führung teilzunehmen.

Die Beduinen, die einst ihre Wohnsitze inmitten der antiken Pracht räumen mussten und dafür das lukrative Recht zum Touristentransport erhielten, werden künftig bei Grabungen und Sicherungsarbeiten eingesetzt. Einige von ihnen schult man zu Rangern um, und alle, die Arbeit annehmen, werden zum ersten Mal in ihrem Leben krankenversichert. Ob das genügt, damit sie widerstandslos auf ihre sprudelnde Einkommensquelle verzichten?

Ab November soll es so weit sein. Zuvor aber wurden und werden die Preise schon mal ordentlich angehoben. Statt wie bisher 21 Euro kostet das Tagesticket jetzt 33 Euro – für jeden, der mit einem Kreuzfahrtschiff kommt oder eine Übernachtung in Petra vorweisen kann. Zwei Tage kosten 37, drei Tage 42 Euro. Für Einzelreisende und Tagestouristen steigt der Preis zum 1. März auf 59 Euro, zum 1. November gar auf saftige 88 Euro.

Es ist ein Anfang, meint Eid Nawafleh. Versetzte Zeitfenster für die Passagiere von Kreuzfahrtschiffen, einheitlich gestaltete Souvenirstände, ein klares Verbot für billigen Kitsch – es muss noch einiges passieren, bis der Rummelplatz Petra seine Würde wiedergefunden hat.

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