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Koelns Oberbuergermeister nach Gebaeudeeinsturz unter Druck

© ddp

Die Stadt, die Krise und die Verantwortung: Kölns Oberbürgermeister am Abgrund

Fritz Schramma – kann er nach dem, was war, im August wieder kandidieren? In der Stadt rumort es. Angesichts der Katastrophe und der Versäumnisse ducken sich die Amtsträger weg, vertuschen und hoffen, dass alles wieder gut wird.

Für Fritz Schramma könnte es eng werden. Der Oberbürgermeister von Köln muss seit dem Einsturz des Stadtarchivs erleben, wie sein Ansehen immer weiter erodiert. Das hat er sich zum großen Teil selbst zuzuschreiben, der andere Teil geht wohl auf spezielle Kölner Verhältnisse zurück, in denen Amtsträger wegschauen, sich wegducken, vertuschen und hoffen, dass das Thema an ihnen vorübergeht und alles von allein wieder gut wird.

Das hat wohl auch Fritz Schramma gehofft. Aber als Oberbürgermeister steht er an der Spitze der Stadt. Das Wort „Verantwortung“ allerdings hat der Christdemokrat in Bezug auf sich bisher vermieden.

Verantwortung übernehmen – das hat bisher in Köln noch niemand getan, seit diese Katastrophe zwei Menschen das Leben gekostet hat. Weil fast alle Beteiligten mauern und drängende Fragen nicht oder nur unzulänglich beantworten, kommt die Wahrheit nur scheibchenweise auf den Tisch. Fritz Schramma hatte der Öffentlichkeit zwar versprochen, sofort und umfassend über alle Erkenntnisse zu informieren, aber er selbst hat so oft gegen den eigenen Anspruch verstoßen, dass dieser Satz nur noch ein hohles Lippenbekenntnis ist. Erst erklärt der Mann am Morgen nach dem Unglück einen Baustopp, dann relativiert er seine Aussagen. Dann erfährt die Öffentlichkeit, dass die Baufirmen deutlich mehr Wasser abgepumpt haben, als genehmigt worden ist, und die Kölner stehen staunend vor der Tatsache, dass das offenbar niemandem aufgefallen ist und die Behörden davon erst nachträglich erfahren haben. Anschließend ergibt ein Gutachten der Universität Aachen, man habe aus Kostengründen auf zusätzliche Sicherheit verzichtet, und schlussendlich wissen wir seit Freitagabend, dass es bereits im vergangenen September einen Wassereinbruch genau an der späteren Unglücksstelle gegeben hat.

Das alles irritiert vor allem, weil die Fakten nur bruchstückhaft an die Öffentlichkeit gelangen. Die Vorgänge rings um den Einsturz des Archivhauses sind bedrückend, die Aufarbeitung der Stadt Köln ist eine Katastrophe. Weder die Kölner Verkehrsbetriebe noch die Stadt haben die Sache im Griff, der Oberbürgermeister zieht sich auf die Rolle des „Kümmerers“ zurück, so hat er das selbst formuliert. Die Frage, die sich immer drängender stellt, lautet: Steht Schramma diese Krise politisch durch? Kann Schramma die CDU als Spitzenkandidat in die Kommunalwahlen im August führen?

Die Akte bei der Kölner Staatsanwaltschaft wird immer dicker. Die schon jetzt vorliegenden Dokumente geben viele Hinweise darauf, dass demnächst auch einzelne Verantwortliche ins Visier der Behörde geraten. Sowohl die Stadtverwaltung als auch die Kölner Verkehrsbetriebe haben Protokolle und Genehmigungen geliefert, in denen die Staatsanwälte erstaunliche Hinweise darauf finden, dass sich das Unglück angekündigt haben könnte. Außerdem bekommen die Ermittler jetzt Arbeit im Zusammenhang mit der Aufarbeitung der Katastrophe: Nach Informationen des Tagesspiegels ist die Sondersitzung des städtischen Koordinierungsausschusses am vergangenen Freitag heimlich aufgezeichnet worden; was einen Verstoß gegen Paragraf 201 des Strafgesetzbuches darstellt. Für Schramma ist das eine weitere schlechte Nachricht. Die Ankläger werden nun sein näheres Umfeld befragen, um herauszufinden, wer diese Maßnahme angeordnet hat. Schramma musste zusagen, dass das heimliche Mitschneiden ab sofort beendet wird. Damit hat der Oberbürgermeister ein Problem zu einem Zeitpunkt, an dem er gegen eigene Mitarbeiter und Parteifreunde vorgeht. Der Christdemokrat sah sich gezwungen, ein Disziplinarverfahren gegen seinen Baudezernenten Bernd Streitberger (CDU) einzuleiten, weil der Mann ihm wichtige Informationen offenbar allzu lange vorenthalten hat. Dass Schramma bisher behauptet, von all dem nichts gewusst zu haben, erstaunt die Ankläger. Am Rande der Trauerfeier für die Opfer sagte ein Ermittler: „Das ist wie immer in Köln: hier ist mal wieder keiner verantwortlich.“

Fritz Schramma hatte bislang gehofft, als „Kümmerer“ erneut gewählt zu werden. Die Opposition hat darauf hingewiesen, dass Köln zurzeit etwas anders braucht. „Übernehmen Sie Verantwortung und ziehen Sie endlich die richtigen Schlüsse aus der Katastrophe“, hat ihm der Herausforderer von SPD und Grünen, Jürgen Roters, zugerufen. Die Attacken zeigen Wirkung, Schramma hat das Disziplinarverfahren gegen seinen Baudezernenten eingeleitet, und offenbar ist er auch bereit, den ehemaligen CDU-Chef Walter Reinarz auf dem Vorstandssessel bei den Verkehrsbetrieben zu opfern.

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