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Panorama: Die Supervögel kommen

Neue Großflugzeuge können 600 bis 1000 Passagiere aufnehmen – wenn vorher die Airports vergrößert werden

Auf halber Strecke nach Rio stimmt man sich bei einem Cairpinha an der gemütlichen Bar auf das Ziel ein. Dann geht es über die breite Wendeltreppe in den ein Deck tiefer gelegenen Shop, einen neuen Bikini für die Copacabana kaufen. Das ist keine Szene von einem Kreuzfahrt-Schiff, wir befinden uns elf Kilometer über dem Atlantik. So luxuriös wie einst im Zeppelin kann schon 2006 ein Langstreckenflug aussehen, wenn die Singapore Airlines (SIA) den ersten A380 in Betrieb nehmen. Der amerikanische Branchenriese Boeing, der im vergangenen Jahr erstmals weniger Jets verkaufte als das europäische Konsortium, setzt beim Kampf um die Marktführerrolle dagegen auf ein fliegendes „Traumschiff", den „Dreamliner". Beide Konkurrenten lassen sich den Wettstreit einen zweistelligen Milliardenbetrag kosten.

Bars und Kindergärten

Während sich auf den Kurzstrecken verstärkt die servicelosen Billigflieger etablieren, gewinnt auf den interkontinentalen Routen neben der Wirtschaftlichkeit der Passagierkomfort stark an Bedeutung. Weil immer weniger Reisende umsteigen wollen, setzen die Luftverkehrsgesellschaften zunehmend auf Nonstopflüge über immer größere Distanzen. Gerade haben Singapore Airlines mit der Route Singapur – Los Angeles die längste Strecke der Welt (rund 14 000 Kilometer) aufgenommen. Bei Gegenwind dauert die Reise gut 18 Stunden.

Vorbei sind die Zeiten, in denen sich gutsituierte Promis für den doppelten Preis in eine enge Kabinenröhre zwängten und in der Hälfte der üblichen Flugzeit mit doppelter Schallgeschwindigkeit über den Atlantik katapultieren ließen. Als der Überschalljet Concorde im vergangenen Jahr außer Dienst gestellt wurde, dachte niemand mehr an die Entwicklung eines Nachfolgemodells. Selbst mit einem abgespeckten Konzept holte sich Boeing eine Abfuhr. Der futuristische „Sonic Cruiser" sollte immerhin noch Mach 0,98 (rund 1040 Stundenkilometer in elf Kilometern Flughöhe) erreichen. Doch aus Sicht der Airlines stand die rund 20-prozentige Zeitersparnis gegenüber herkömmlichen Flugzeugen in keinem Verhältnis zu den hohen Kosten. Die ehrgeizigen Pläne landeten in der Schublade.

Dass die Nasa jetzt Flugzeuge mit siebenfacher Schallgeschwindigkeit testet (Bericht oben), hat für die jetzige Planung der zivilen Luftfahrt noch keine Bedeutung. Erst 2050 könnte eine neue Technik zur Verfügung stehen, die Überschallgeschwindigkeiten im Zivilverkehr denkbar erscheinen lassen.

Ganz entspannt 18 Stunden fliegen

Jetzt setzt Boeing auf den mit seiner Stromlinienform an einen fliegenden ICE erinnernden „Dreamliner" mit dem Arbeitstitel „7E7". Nie waren die Luftverkehrsgesellschaften – aber erstmals auch Banken und Leasingfirmen als deren Kapitalgeber – enger in die Konzeption eines neuen Jets einbezogen. Die Maschine, die bisher nur auf dem Reißbrett existiert, soll dank neu entwickelter Triebwerke 20 Prozent weniger Treibstoff verbrauchen als ihr engster Konkurrent, der Airbus A330. „Traumhaft" sollen sich auch die bis zu 300 Passagiere fühlen. Bogenförmige Verkleidungen und ein künstlicher Himmel mit veränderlichen Farben vermitteln ein Gefühl der Weite. Und mit 48 mal 28 Zentimetern sind die Fenster größer als bei jedem bisherigen Verkehrsflugzeug. Wenn genügend Aufträge eingehen, könnte Ende 2007 der Erstflug erfolgen.

Dagegen präsentiert sich die Kabine des jüngsten Airbus-Modells A340-600, das im vergangenen Jahr an den Start ging, noch eher konventionell. „Private Bed" genannte Schlafsitze mit integrierter Massagefunktion in der Business Class und über eine Wendeltreppe zu erreichende Toiletten zwischen den Frachträumen geben allerdings schon einen Vorgeschmack auf den im Bau befindlichen Super-Jumbo A380. Auch die Bordküche und ein Ruheraum für die Besatzung, die auf extremen Langstrecken im Schichtbetrieb arbeitet, befinden sich im Keller, so ist oben Platz für 25 mehr zahlende Passagiere.

Mit 75,3 Metern ist der A340-600 das längste Flugzeug der Welt. Damit der 366 Tonnen schwere Stahlvogel nicht durchhängt, erhielt er ein drittes, etwas nach hinten versetztes Hauptfahrwerk. Auf dem Seitenleitwerk und unter dem Rumpf montierte Videokameras helfen den noch einige Meter vor dem Bugrad sitzenden Piloten über Bildschirme im Cockpit, beim Rollen am Boden auf den Leitlinien zu bleiben. Noch komplizierter wird es, wenn 2006 der erste A380 in Dienst gestellt wird. Zwar ist er nur 73 Meter lang, doch stellt die Spannweite seiner Tragflächen mit 79,80 Metern alles bisher Dagewesene in den Schatten. So müssen die für den Einsatz vorgesehenen Flughäfen Rollwege verlegen, Startbahnköpfe erweitern und spezielle Andockpositionen für den doppelstöckigen Riesen schaffen. Durchschnittlich 100 Millionen Dollar Umbaukosten kommen auf jeden Airport zu, den der A380 ansteuern wird.

Massage inklusive

Trotz der bis 2010 erwarteten Verdoppelung des Passagieraufkommens ist der Markt für die fliegenden Riesen begrenzt. Den Giganten der Lüfte bleiben wenige Rennstrecken vorbehalten. Die Lufthansa, die im September 2007 den ersten von 15 bestellten A380 erhalten wird, prüft 19 mögliche Ziele wie New York, Los Angeles, Johannesburg und Tokio. Auf rund 1000 Mega-Jets wird der weltweite Bedarf in den nächsten 20 Jahren geschätzt.

Lange Zeit schien es so, als würde Boeing den Europäern diesen Markt kampflos überlassen. Wiederholt wurde die Einstellung der Produktion des klassischen Jumbos 747 (1378 Bestellungen von 85 Airlines seit dem Erstflug 1969) erwogen. Im vergangenen Jahr konnten nur noch vier Maschinen verkauft werden. Der A380 (129 Bestellungen von 11 Airlines, Erstflug für 2005 geplant) brachte es 2003 auf 34 Aufträge. Doch jetzt prüfen die Amerikaner die Entwicklung einer neuen, um etwa 3,50 Meter verlängerten Version.

Der A380 kann ein Drittel mehr Passagiere befördern und soll als erster Langstreckenjet auf 100 Kilometern weniger als drei Liter Kerosin pro Sitzplatz verbrauchen. „Wie ein Jumbo-Jet, auf den noch die Kabine eines Airbus A340 gesetzt wird", beschreibt Technikpilot Ingo Tegtmeyer den Giganten. Trotz der gewaltigen Triebwerkskraft, die benötigt wird, um die 560 Tonnen in die Luft zu bringen, wird er am Boden kaum zu hören sein. Bis Ende März müssen die Lufthanseaten die endgültige Innenausstattung festlegen. Bar, Shop und Lounge an Bord des rund 270 Millionen Dollar teuren Vogels sind ebenso wie Kindergarten oder Arrestzelle für Passagiere mit Langstreckenkoller Optionen, die den Fluggesellschaften angeboten werden. Das Grundmodell hat eine herkömmliche Bestuhlung, die im Drei-Klassen-System 550 Reisenden Platz bietet. 19 weniger als man auf japanischen Inlandsstrecken, wo die Durchschnittspassagiere deutlich kleiner sind, schon heute in eine Boeing 747-400 zwängt. Beim A380 könnte diese Zahl auf 840 steigen. Und bei Airbus sieht man bis 2020 sogar Bedarf für 48 verlängerte Mega-Jumbos. Sie würden die magische Zahl von 1000 Passagieren erreichen.

Rainer W. During

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