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Panorama: Die Tage des Marlboro-Mannes sind gezählt

EU beschließt Werbeverbot für Tabakwaren / Deutschland und Österreich stimmen dagegenVON VANESSA LIERTZDie Brüsseler Agrarpolitik ist so unergründlich wie die Furchen mancher Äcker.Stellen Sie sich vor, Sie sind ein Bauer und pflanzen Kartoffeln an.

EU beschließt Werbeverbot für Tabakwaren / Deutschland und Österreich stimmen dagegenVON VANESSA LIERTZDie Brüsseler Agrarpolitik ist so unergründlich wie die Furchen mancher Äcker.Stellen Sie sich vor, Sie sind ein Bauer und pflanzen Kartoffeln an.Dafür spendieren die Eurokraten das Geld, jedoch unter der Bedingung, daß sie die Knollen nicht auf dem Wochenmarkt anpreisen.So ungefähr geht es auch den Tabakherstellern.Gegen die Stimmen Deutschlands und Österreichs haben die Forschungsminister der 15 EU-Staaten in Brüssel am Donnerstag nämlich das umstrittene Tabak-Werbeverbot verabschiedet.Der Vorschlag geht nun an das Europa-Parlament.Wenn die Abgeordneten dem Entwurf noch 1998 zustimmen, ist in acht Jahren in der gesamten EU die Werbung für alle Tabakwaren verboten.Die Richtlinie sieht vor, daß schon im Jahr 2002 die direkte Tabakwerbung untersagt wird.Indirekte Werbung durch Sponsoring von Sport- oder Kulturveranstaltungen ist spätestens ab 2006 verboten.Auch die Vermarktung von Merchandising-Produkten wie "Camel-Boots" oder "Davidoff-Rasierwasser" wird eingeschränkt. Die deutsche Delegation wehrte sich vergeblich gegen das Werbeverbot, das nach Auffassung der Bundesregierung nicht von der EU, sondern den nationalen Regierungen entschieden werden muß.Besonders böse blickt man dabei nach Athen."Skurril" findet es etwa der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber, daß ausgerechnet die Griechen für ein Werbeverbot gestimmt haben.Sie, die mit 850 Millionen DM jährlich 40 Prozent der EU-Subventionen für ihren Tabakanbau kassieren.Ohne die Griechen wäre die Mehrheit im EU-Ministerrat nicht zustande gekommen.Deshalb vermutet Ferber einen "Kuhhandel" zwischen Brüssel und Athen: Griechen und Eurokraten verbinde eine heimliche Liaison, glaubt er.Die Griechen stimmten für das Verbot; im Gegenzug inspiziert Brüssel die Früchte seiner Subventionen auf den griechischen Äckern nicht ganz so genau.Denn die wirken faul: Von den Geldern, die jährlich aus Brüssel zu den griechischen Tabakbauern fließen, sind in den letzten zehn Jahren "bis zu insgesamt 200 Millionen" DM verschollen, sagt Ferber. Ein Grund: Der griechische Landwirt bezieht das Geld je nach Größe seines Ackers.Die Daten jedoch kontrolliert kein Grundstücksamt, sondern der Verband der Tabakbauern.Sogar griechische Abgeordnete der Regierungspartei Pasok sprechen von dem heimlichen Verhältnis zwischen Brüssel und Athen - schrieb Ferber in einem Brief an den Bundeskanzler.Belege hat er dafür allerdings nicht.Fest steht, daß der griechische Tabak noch für die nächsten zehn Jahre voll subventioniert wird.Das jedenfalls haben sich die Athener zusichern lassen, bevor sie dem Werbeverbot zustimmten.Schließlich hängen elf Prozent ihrer Arbeitsplätze von der Tabakindustrie ab. Offiziell heißt es allerdings in Athen, das Land sei lediglich um die Gesundheit seiner Bürger besorgt.Zugegeben: die Griechen sind die stärksten Raucher Europas.Außerdem wolle man nicht länger in der EU als ungesunder "Sündenbock" dastehen.Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer will dagegen vom Werbeverbot nichts wissen.Den blauen Dunst per Gesetz einzudämmen, meinte er, bringe nichts.Außer verringerten Steuereinnahmen - denn die Tabaksteuer ist mit 28 Mrd.DM pro Jahr die zweithöchste Verbrauchsteuer des Bundes. Die deutschen Zigaretten- und Werbewirtschaftsverbände kündigten derweil Widerstand an.Sie sehen durch die Richtlinie Milliardenverluste auf sich zukommen.

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