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Panorama: Die Zahl Neun verspricht Glück - daher schnell noch heiraten, bevor 1999 verpasst ist

Obwohl es in Peking schon recht kühl geworden ist, sieht man in diesen Tagen an den Wochenenden zahlreiche schwarze, mit bunten Blumen dekorierte Limousinen auf den Straßen. Aus den Wagen-Inneren lächeln aufwendig geschminkte und in wenig wärmende, weiße Seidenkleider gehüllte Damen.

Obwohl es in Peking schon recht kühl geworden ist, sieht man in diesen Tagen an den Wochenenden zahlreiche schwarze, mit bunten Blumen dekorierte Limousinen auf den Straßen. Aus den Wagen-Inneren lächeln aufwendig geschminkte und in wenig wärmende, weiße Seidenkleider gehüllte Damen. Als Vorhut fährt ein Wagen, der das Ereignis auf einer Videokamera festhält: China ist im Heiratsfieber.

Denn das Jahr 1999 ist ein gutes Omen, und so nutzen möglichst viele Paare die letzten verbleibenden Wochen, damit ihnen langes Glück in der Ehe beschert wird, so wie es der Klang der auf chinesisch ausgesprochenen Jahreszahl Neun verspricht. Zu dem "doppelten" Glück in diesem Jahr kommt noch hinzu, dass im nächsten Jahr geborene "Millennium-Babies" nach dem chinesischen Mond-Kalender im Jahr des Drachens auf die Welt kommen. Drachen gelten als himmlische Kreaturen, die ebenfalls Glück bescheren.

Die 27-jährige Yuan Wu hat ihrem Mann Tang Xi in einem noblen Pekinger Hotel das Ja-Wort gegeben. Die Trauungszeremonie hat nicht ein Standesbeamter, sondern der Arbeitgeber der Brautleute abgehalten, nachdem die Behörden die erforderlichen Dokumente überprüft und abgesegnet haben. Die Formalitäten sind schnell erledigt, anschließend werden rund 150 Gäste zu einem üppigen Bankett gebeten.

Bevor das frisch getraute Paar aber seine Runde an den Festtischen macht und dort traditionell jedem Gast eine Zigarette als Willkommensgruß anbietet, verbeugen sich Braut und Bräutigam vor ihren Eltern. Durch den Kotau bringen die beiden ihren Respekt und Dank für die Unterstützung zum Ausdruck, die ihre Familie ihnen bis zum heutigen Tag entgegengebracht hat.

"Für uns ist die Hochzeit ein großer Schritt", sagt die Braut Yuan. "Bei aller Freude sind meine Eltern heute auch sehr traurig, denn gerade für die Frau bedeutet es, aus ihrer Familie herauszuheiraten. Wenn ich sie das nächste Mal besuche, dann werde ich als Gast kommen." Im aufstrebenden und sich öffnenden China stehen viele gesellschaftlichen Werte auf dem Prüfstand. Angesichts einer Bevölkerung von 1,2 Milliarden Menschen liegt China mit rund 300 000 Scheidungen pro Jahr zwar noch hinter den westlichen Raten. Aber die Zahl hat sich in den letzten 20 Jahren verdreifacht und steigt weiter.

Die Gesellschaft reagiert unterschiedlich auf diesen Trend und macht es getrennt lebenden Ehepartnern bei einem Neuanfang bisweilen so schwer, dass besonders Frauen entweder ihre Scheidung zu verheimlichen versuchen, oder sich einen neuen Wohnort und Arbeit suchen.

Einige werfen alte Traditionen radikal über Bord, andere halten besonders jetzt an ihnen fest. Viele mischen das alte asiatische Gedankengut mit dem, was sie von Freunden und Medien aus dem Westen gelernt haben zu einer neuen, auf die eigenen Bedürfnisse maßgeschneiderte Lebensanschauung.

Britta Düysen

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