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Panorama: Dinos in Gottes Namen

Bibeltreue Christen wollen mit einem Museum in Kentucky beweisen, dass Darwin unrecht hat

Dinosaurier mit furchteinflößenden Rückenstacheln stehen als Torwächter rechts und links der Einfahrt im hügeligen Wiesenland nahe Petersburg, Kentucky. Riesenechsen dominieren auch die mehr als zehn Meter hohe, tropisch ausstaffierte Eingangshalle des Museums. Ein paar Ecken weiter stapfen die nächsten Saurier, friedlich röhrend, neben einer Kindergestalt durchs Paradies.

Noch wird überall gehämmert und gesägt, kann man die aus dem Boden wachsenden luftführenden Röhren, Metallstäbe und die Elektronik sehen, die die Figuren zum Leben erwecken. Und beim Blick in die offenen Kulissen erkennen, dass die Felswände, deren Farbe und Form an Illustrationen in Kinderbibeln erinnern, aus Pressspan und Pappmaché sind. In wenigen Wochen, Ende Mai, hat der 27 Millionen Dollar teure High-TechBau nur noch ein Ziel – den Beweis, dass die biblische Schöpfungsgeschichte wörtlich zu nehmen ist: Vor rund 6000 Jahren hat Gott die Welt erschaffen, in sechs Tagen. Am siebten ruhte er.

Doch warum braucht es dafür Dinosaurier, die in der Bibel gar nicht vorkommen? „Dinosaurier sind die Ikonen der Evolutionstheorie“, sagt Ken Ham, der 55-jährige Präsident von „Answers in Genesis“. Mit dem grauen Vollbart, der sein schmales Gesicht rahmt, und dem Kurzhaarscheitel könnte der gebürtige Australier als biblischer Stammvater durchgehen. Darwin mit seiner Lehre von der Millionen Jahre dauernden Entwicklungsgeschichte ist der Hauptfeind der Kreationisten. Und der soll nun mit seinen Waffen geschlagen werden.

„Kinder lieben Dinos, besonders seit Steven Spielbergs Erfolg mit Jurassic Park“, sagt Mark Looy, der 52-jährige stämmige, weißhaarige Vizepräsident, gelernte Radiojournalist und Medienbetreuer bei der Führung durch die 5574 Quadratmeter große Ausstellung. Der Garten Eden hier zeigt eine friedliche Koexistenz zwischen Mensch und Tieren, die Saurier sind noch gute Vegetarier. Erst nach Sündenfall und Vertreibung aus dem Paradies werden sie zu gefährlichen Fleischfressern, erzählt er. Es folgen Räume zum ersten Mord, Kain erschlägt Abel, zum Bau der Arche Noah, zum Kronzeugen Martin Luther, der auch schon gegen falsche Lehren aufbegehrte, schließlich zu Jesu Leben. Im angeschlossenen Kino rütteln die Stühle bei der Sintflut und geht ein Sprühregen auf die Zuschauer nieder. Glaubensbruder Patrick Marsh, der schon für die Universal Studios in Hollywood arbeitete, hat die Spezialeffekte entworfen.

Abschließend werden Kreationisten als strenge Wissenschaftler vorgestellt: In zwei parallelen Szenen beugen sich Forscher über Saurierskelette. Rechts datiert der Anhänger der „herrschenden Irrlehre“ die Knochen mit „fragwürdigen Berechnungen“ wie der Radiokarbonmethode auf mindestens 65 Millionen Jahre, links kommt der studierte Kreationist in Einklang mit Gottes Wort auf etwa 4400 Jahre. In einem sind sie sich einig: Die Dinos starben aus, weil sich die Lebensbedingungen änderten. Zwei Botschaften sollen Besucher mitnehmen: Die Bibel hat recht – und die klassische Wissenschaft ist eine Ansammlung von Fehlern. „Glaubt nur, was ihr seht.“ Und: „Vertraut nur dem Einen, der alles weiß!“ So praktiziert es Ken Ham bei seinen rund 350 Vorträgen pro Jahr.

Er hat auch einen Leitfaden entworfen, wie Kinder in der Schule die Evolutionslehre anzweifeln können. „Waren Sie dabei?“, sollen sie den Lehrer fragen. Und wenn der antwortet: „Du doch auch nicht“, sagt das Kind: „Ja, aber ich kenne DEN, der dabei war, und ER hat es in seinem Buch beschrieben.“ Wem können wir trauen: Gott oder den Wissenschaftlern? Da kennen Hams Zuhörer nur eine Antwort, und die kommt im Chor: „Gott!“

Ken Ham, Mark Looy oder der „wissenschaftliche Direktor“ Jason Lisle, ein Astrophysiker, erzählen ihre Lebensgeschichte nach dem immer gleichen Muster: Sie sind die wahren kritischen Geister, in den Universitäten sitzen die Denkfaulen, die sich verschworen haben, nicht an den etablierten Theorien zu rütteln. In ihrem Studium brachte das erworbene Wissen sie in Konflikt mit ihrem Glauben. Erst haben sie an der Bibel gezweifelt – bis sie erkannten, dass die Wissenschaft auf lauter unbewiesenen Annahmen beruhe.

Nicht einmal der Hinweis auf die Lichtjahre, die die Sterne entfernt sind, kann den Astrophysiker Jason im Glauben beirren, dass das Universum erst 6000 Jahre alt sei. Einstein habe doch die Relativität von Raum und Zeit bewiesen. Weder Ham noch Looy fechten Widersprüche in den Evangelien an, die gegen die Geburt Jesu im Jahr der Zeitenwende stehen. Herodes, zum Beispiel, war da bereits tot. Es wären ja auch keine ernsten Einwände für Gläubige, denen es um die Theologie geht. Doch Kreationisten ist jedes Bibelwort unangreifbar wahr.

Eine kleine Unwahrheit kommt ihnen derzeit sehr gelegen. Als „erstes Kreationistenmuseum der Welt“ hatte der britische „Guardian“ das Projekt kürzlich vorgestellt. Dabei gibt es fast ein Dutzend allein in den USA, von Florida und Texas über die Bible-Belt-Staaten Arkansas und Tennessee bis Ohio im Norden und Kalifornien im Westen. Die seien „viel kleiner“, betont Ham, seines sei das „erste richtige Schöpfungsmuseum“. Wer auch immer der Urheber des falschen Superlativs war: Kurz vor Ostern strömen die Medien nach Kentucky. Er hat auch geholfen, das Spendenziel 27 Millionen zu erreichen. Der laufende Betrieb soll sich aus dem Eintritt finanzieren, 19 Dollar für Erwachsene, 9 für Kinder. Der Kampf um die wahre Lehre ist auch ein Geschäft.

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